Der Andere - L'Autre

- | Ägypten/Frankreich 1999 | 101 Minuten

Regie: Youssef Chahine

Eine Ägypterin amerikanischer Herkunft ist die Drahtzieherin eines betrügerischen Handels mit ausländischen Investoren, die in der Wüste ein Touristenhotel bauen wollen. Der Sohn wehrt sich gegen die alles beherrschende Mutter und heiratet heimlich eine Journalistin, die die Machenschaften aufdeckt. Flott und überdreht inszenierte Soap Opera um Korruption, Politik, Tradition und Religion vor dem Hintergrund einer Romeo-und-Julia-Geschichte mit einigen eher halbherzigen Attacken gegen Imperialismus und Matriarchat. Die atmosphärischen Gegensätze im Land sind dabei deutlich besser in Szene gesetzt als das Innenleben der Figuren. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
EL AKHAR | L' AUTRE
Produktionsland
Ägypten/Frankreich
Produktionsjahr
1999
Produktionsfirma
Misr International Films/Ognon Pictures
Regie
Youssef Chahine
Buch
Youssef Chahine · Khaled Youssef
Kamera
Mohsen Nasr
Musik
Yehia El Mougy
Schnitt
Rachida Abdel Salam
Darsteller
Nebila Ebeid (Margaret) · Mahmoud Hemeida (Khali) · Hanane Tork (Hanane) · Hani Salama (Adam) · Lébléba (Baheyya)
Länge
101 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
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Diskussion
Irgendetwas ist faul im Staate Ägypten, das zeigen schon die ersten Bilder: Mit den vielen Glitzersteinchen rund um den Halsausschnitt erinnert die stolze Frau Mitte 40 unwillkürlich an Cleopatra. Dabei stammt sie aus Amerika und kam nur durch Heirat zu ihrer Machtstellung in Ägypten. Sie schwebt durch ihren Palast, in dem getanzt und gesungen wird, als wäre sie in einem Märchen aus 1001 Nacht; sie macht dem schüchternen Mädchen Mut, dem sie ihren Sohn versprochen hat. Aber Adam, gerade heimgekehrt vom Studium in Kalifornien, irritieren die alten Bräuche. Außerdem hat er sich Hals über Kopf in eine ganz Andere verliebt: in Hanane, eine ehrgeizige Journalistin, auch Ägypterin, nicht aus reichem Haus, sondern aus religiösem. Ihre Familie gehört zu den moslemischen Fundamentalisten, die gegen die Öffnung des Landes kämpfen, gegen die Reichen wie Adams Eltern, die mit internationalen Konzernen Geschäfte machen und die einheimischen Arbeiter betrügen.

Youssef Chahine, der bedeutendste Filmemacher Ägyptens, inzwischen 74 Jahre alt, ist nach mehreren historischen Epen zurückgekehrt in das Ägypten von heute, wo sich Traditionen und Modernität zu einer neuen Realität mischen. Ausgangspunkt der flotten Soap Opera, die so gar nicht zu seinem bisherigen Stil passt, ist eine Art Fortsetzung von Shakespeares „Romeo und Julia“. Gegen den Widerstand seiner Familie heiratet Adam heimlich Hanane, aber er macht sich nicht selbständig, sondern arbeitet im elterlichen Bau-Unternehmen mit. Als Hanane aufdeckt, dass Adams Familie Drahtzieherin eines millionenschweren Immobilienbetrugs ist - mit ausländischem Geld soll mitten im Sinai ein überteuertes Touristenhotel gebaut werden - , heuert Adams Mutter die moslemischen Terroristen an, um Hanane umzubringen. Selbst Adam ist so sehr von der Hetze gegen Hanane angesteckt, dass er sie regelrecht vergewaltigt, weil sie in der Öffentlichkeit so schonungslos gegen seine Familie vorgeht. Aber er bereut sofort, seine Liebe zu Hanane ist stärker alles andere. Doch um Verzeihung bitten kann er seine Frau nicht, weil sie inzwischen entführt wurde. Also setzt er alle Hebel in Bewegung, um sie zu finden und zu retten, was in einem furiosen Wettlauf gegen die Zeit auch gelingt.

Mit der politischen Botschaft, die hinter der Liebesgeschichte steckt, macht es sich Chahine allerdings ein bisschen zu einfach. Überdeutlich sagt er, dass die Globalisierung der Wirtschaft schlecht für Ägypten sei, weil sie nur Korruption und Unfrieden ins Land bringt. Das erinnert doch stark an die linke Propaganda von einst gegen den bösen „amerikanischen Imperialismus“. Chahine differenziert nicht, bringt keine besondere ägyptische Variante hinein, sondern erzählt eine mehr oder weniger universelle haarsträubende Geschichte, die in vielen orientalischen Ländern spielen könnte. Was den Film lebendig macht, ist seine Inszenierung inklusive schlechter Spezialeffekte, wenn mitten in der Wüste in einer Vision plötzlich zugleich eine Kirche, eine Synagoge und eine Moschee aus dem Sand wachsen. Chahine bringt das ein, was er in Amerika (wo er Film studierte) und in Frankreich (wo er sich häufig aufhält und viele seiner Filme co-produziert werden) gelernt hat. In diesem Fall sind es vor allem Kontraste und schnelle Perspektivenwechsel. Eben erst sah man das Liebespaar nackt an der Wand beim Akt (für ägyptische Verhältnisse wohl immer noch eine gewagte Szene), schon ist man bei Adams Verwandten, die knallhart mit ausländischen Kapitalgebern verhandeln. Es wird wild gezoomt, viel geschwenkt und schnell geschnitten. Der opulente Palast mit seinen bunten Farben, den warmen Goldtönen und den einschmeichelnden Liedern, der für die reichen traditionsbewussten Familien steht, ist eine ganz andere Welt als das hektische Leben in der modernen Stadt mit den vielen westlichen Firmensymbolen in den Straßen sowie den kleinen Läden, wo die Arbeiter wegen des Auslandsdeals ihren Job verlieren. Diese atmosphärischen Gegensätze hat Chahine besser ins Szene gesetzt als das Innenleben seiner Figuren. Überzeugend gezeichnet sind nur die Frauen. Die Mutter, eine Einwanderin, ist zur dominanten Unheilstifterin geworden, der Film zur Attacke gegen das Matriarchat - allerdings einer halbherzigen. Schließlich ist es nicht Adam als „Der Andere“, sondern seine junge Frau als „die Andere“ (der geschlechtlich nicht definierte französische Filmtitel ist in diesem Fall genauer), die zur Triebfeder wird, wenn es gilt, gegen überkommene Traditionen zu kämpfen.
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