Johanna von Orleans (1999)

Action | Frankreich/USA 1999 | 165 Minuten

Regie: Luc Besson

Die Geschichte der Johanna von Orléans (um 1412-1431) wird, historisch nicht immer korrekt, in Form eines epischen Actionfilms dargeboten. Geprägt von der brutalen Vergewaltigung ihrer Schwester und ihren Erscheinungen, in denen sie ein Zeichen Gottes sieht, wird Johanna zu einer androgynen Kämpferin und Kriegsheldin, die Frankreich von den Engländern befreien will und auf dem Scheiterhaufen endet. Ein rasant geschnittener Film in oft atemraubend schönen Bildern, mit einer kraftvollen Hauptdarstellerin als moderner Identifikationsfigur. Der Konflikt zwischen Glauben und Gewissen wird mehr optisch als wortreich aufbereitet. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
THE MESSENGER: THE STORY OF JOAN OF ARC
Produktionsland
Frankreich/USA
Produktionsjahr
1999
Produktionsfirma
Gaumont/Columbia Pictures
Regie
Luc Besson
Buch
Andrew Birkin · Luc Besson
Kamera
Thierry Arbogast
Musik
Eric Serra
Schnitt
Sylvie Landra
Darsteller
Milla Jovovich (Johanna von Orleans) · John Malkovich (König Charles VII) · Faye Dunaway (Yolande d'Aragon) · Dustin Hoffman (das Gewissen) · Pascal Greggory (Herzog von Alençon)
Länge
165 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Action | Historienfilm
Externe Links
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Heimkino

Die Special Edition enthält u.a. eine separate Soundtrackspur.

Verleih DVD
Columbia TriStar Home (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt.)
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Diskussion
Zwischen der lieblichen Jeanne d’Arc mit den langen, lockigen Haaren, die der französische Stummfilmpionier Georges Méliès vor 99 Jahren fürs Kino erfand (sein Film war zehn Minuten lang), und der wilden Kriegerin, die sein Landsmann Luc Besson aus der 1920 heilig gesprochenen Frau macht, gibt es gerade mal noch eine Verbindung: Auch die kleine Johanna am Anfang von Bessons epischen Zweieinhalb-Stunden-Fresko „Johanna von Orleans“ hat lange Haare und ein langes weißes Kleid an. Johanna, die Tochter des Schafhirten, ist noch ein kleines Mädchen, als die englischen Soldaten mit aller erdenklichen Brutalität das lothringische Dorf Domrémy überfallen. Bevor die Engländer ins Haus stürmen, kann Johannas größere Schwester noch das kleine Mädchen verstecken, ist aber selbst ohne Chance. Johanna muss mit ansehen, wie die Soldaten ihre Schwester vergewaltigen und ermorden - ein Bild, das sie nie vergessen wird. Als Johanna älter ist und allein auf dem Feld die Schafe hütet, hat sie merkwürdige Visionen. Die Kamera fährt durch den Wald, auf einen Thron zu. Dort sitzt ein junger Mann mit langen Haaren und dunklem Bart in einem weißem Gewand. Er schaut sie an. Für das Mädchen besteht kein Zweifel, dass dies Jesus ist oder ein Engel, auf jeden Fall ein Zeichen Gottes. Und mitten auf der grünen Wiese liegt plötzlich ein großes Schwert. Johanna glaubt, dass es vom Himmel gefallen ist, dass sie damit kämpfen soll.

Denn die Engländer, die ihre Schwester ermordet haben, bedrängen nun auch Karl VII. Der designierte, aber noch nicht gekrönte König ist ängstlich, wird von seiner ehrgeizigen Mutter dominiert und versteckt sich, als Johanna ganz unverfroren um Einlass begehrt. Sie entdeckt ihn dennoch und bittet um Geld und Soldaten, damit sie Orléans von den Engländern befreien kann. Weil Karl nichts zu verlieren hat und von der jungen entschlossenen Frau begeistert ist, die da in männlicher Rüstung und mit kurzem Haar vor ihm steht, willigt er ein. Johanna, die immer wieder von ihrer Vision heimgesucht wird, ist eine charismatische Führerin, die selbst die müdesten Soldaten zu motivieren versteht, verwundet wird, aber nicht aufgibt und es schließlich schafft, die Stadt zu befreien. Sie wird zur Kriegsheldin, Karl VII. wird in Reims zum König gekrönt, aber als Johanna weiterkämpfen will, um ganz Frankreich zu befreien, hat der neue König kein Interesse mehr an ihr. Sein Ziel war die Macht, nun will nur noch sein Leben genießen und verweigert Johanna weitere Soldaten. Notgedrungen stellt sie selbst eine Truppe auf, versucht, Paris zu befreien, scheitert aber an der Übermacht und wird von ihren Landsleuten an die Engländer verraten. Noch im Kerker hat sie göttliche Visionen, auch wenn sie nun an deren Bedeutung und damit an sich selbst zeitweise zweifelt. Im Hexenprozess unterschreibt die 19-Jährige sogar einen Widerruf, den sie aber sofort bereut und zerreißt. Sie wird 1431 verbrannt.

Nur zu 80 Prozent habe er sich an die historischen Fakten gehalten, sagt Luc Besson - die Freiheiten, die er sich nahm, sind radikal, sie machen aus „Johanna von Orleans“ über weite Strecken einen mitreißenden Actionfilm, der neue Akzente setzt, ohne den Glauben zu verraten. Johannas Erscheinungen kommen unerwartet, die Kamera zoomt langsam auf das göttliche Wesen im Wald, das nichts sagt, sondern es dem Zuschauer überlässt, welche Zeichen er aus der keineswegs überhöht oder kitschig, sondern lebendig dargestellten Erscheinung für sich herausliest. Johanna ist nur „der Bote“, wie der englische Titel sagt. Vor allem aber ist Bessons Johanna ein Mensch. Ein Mensch, der von seiner Vision und Mission überzeugt ist, später sogar richtig besessen, und der auch von Hassgefühlen geleitet wird. Keine der bisherigen Jeanne-d’Arc-Verfilmungen (auch nicht die beeindruckendste und strengste von Carl-Theodor Dreyer mit Renée Falconetti aus dem Jahr 1928) versucht, die Entwicklung von der ungebildeten Bäuerin zur ungestümen Kriegerin für seine Generation so nachfühlbar zu machen wie Besson. Mit Milla Jovovich hat er eine geniale Darstellerin gefunden. Anfangs durchaus weiblich, später in schwerer männlicher Rüstung mit kurzgeschnittenem blondem Haar, später mit Frauenkleidern im Kerker, wirkt sie über weite Strecken wie ein androgynes Wesen, das sich den herrschenden Männern anpasst und den weiblichen wie den männlichen Kinozuschauern die Identifikation leicht macht. Sie hat überhaupt nichts von der Sanftmut und verklärten Weiblichkeit, die alle bisherigen Darstellerinnen der Jeanne d’Arc kennzeichneten, von Geraldine Ferrar (Cecil B. DeMille, 1916), über Ingrid Bergman (Victor Fleming, 1948, und Roberto Rossellini, 1954), Michèle Morgan (Jean Delannoy, 1954), Jean Seberg (Otto Preminger, 1957), Hedy Lamarr (Irwin Allen, 1957) bis zu Florence Carrez (Robert Bresson, 1961), Sandrine Bonnaire (Jacques Rivette, 1993) oder zuletzt im Fernsehfilm Leelee Sobieski (Christian Duguay, 1999), um die wichtigsten zu nennen. Es gibt nur wenige Szenen, in denen Milla Jovovich nicht im Mittelpunkt steht. Umso erstaunlicher, dass das Ex-Mannequin in seinem neunten Kinofilm mit seinen Blicken, kraftvollen Bewegungen und seinem bestimmten Auftreten die männlichen Actionkino-Helden mühelos an die Wand spielt.

Dem kommt entgegen, dass Besson (wie auch in fast jedem seiner bisherigen sieben Spielfilme) Kämpfe aller Art in den Mittelpunkt stellt. Dabei kontrastieren die schnell geschnittenen und geschickt komponierten kriegerischen Massenszenen mit den langsameren psychologischen Gefechten, die sich mehr in den Gesten und Blicken abspielen, wenn Johanna den gegen sie eingenommenen Königshof von ihrer Unschuld und ihrem Kampfeswillen überzeugt oder später dem Inquisitionsgericht ihre Visionen und ihren Glauben nahe zu bringen versucht. In John Malkovich als verspieltem Dauphin und König, Faye Dunaway als seine machtgierige Mutter und vor allem Dustin Hoffman, der Johannas Gewissen verkörpert, hat Jovovich überzeugende Widerparts. Während viele der früheren Verfilmungen den Prozess in den Mittelpunkt rückten, nimmt er bei Besson nur etwa ein Fünftel des Films ein - und schafft es trotzdem, die Glaubenszweifel und die tiefe Religiosität der Hauptfigur deutlich zu machen. Denn Besson setzt diesen Konflikt weniger in Worten als in wunderbar komponierten CinemaScope-Bildern um, deren suggestiver Kraft man sich nur schwer entziehen kann. Nicht umsonst gilt Besson als der größte Visionär unter den jüngeren französischen Filmemachern. Wie beispielsweise, so fragt das personifizierte Gewissen Johanna, sei denn wohl plötzlich das Schwert auf die Wiese gekommen. In den möglichen Versionen sieht man es: einmal fällt es direkt aus den Wolken, einmal wirft es ein Soldat auf der Flucht weg, einmal gehört es einem getöteten Soldaten, der von Seinesgleichen weggeschleppt wird. Jeder sieht immer nur die Version der Geschichte, die er sehen will, meint das Gewissen. Damit greift es auch Johannas Widersacher an und stellt den Film (Besson bezeichnet sich nicht als religiösen Menschen) auch in die Tradition von Akira Kurosawas (nicht religiösem) „Rashomon“ (1950), wenn es darum geht, menschliche Schwächen, Zweifel und Möglichkeiten der Selbstfindung aufzuzeigen.
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