Eine erfolglose Kölner Einbrecherbande, drei Männer und zwei Frauen, kommt durch die Lektüre eines amerikanischen Krimis auf die Idee, die Tochter eines Millionärs zu entführen. Da das hochintelligente, von seinem alleinerziehenden Vater vernachlässigte Mädchen bei seinen Entführern endlich die vermißte Geborgenheit findet, nimmt die Geschichte eine überraschende Wendung. Gaunerkomödie, die auf originelle Weise die "Gebrauchsanweisung" des Entführungskrimis mit der (Film-)Realität kontrastiert. Sie brilliert durch witzige Dialoge sowie das ausgelassen-pointierte Spiel der Darsteller, die kleinere dramaturgische Schwächen überspielen.
- Sehenswert ab 12.
Jimmy the Kid
- | Deutschland 1997 | 84 Minuten
Regie: Wolfgang Dickmann
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 1997
- Produktionsfirma
- Wohlgemuth Filmproduktion/ZDF
- Regie
- Wolfgang Dickmann
- Buch
- Martin Rauhaus · Peter Wohlgemuth
- Kamera
- Wolfgang Dickmann
- Musik
- Ralf Wengenmayr
- Schnitt
- Corina Dietz
- Darsteller
- Herbert Knaup (Dortmunder) · Rufus Beck (Kelp) · Roman Knizka (Mörsch) · Christiane Hörbiger (Mutter Mörsch) · Nele Mueller-Stöfen (Charlie)
- Länge
- 84 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 6; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 12.
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Diskussion
Während Hollywood immer öfter die eigene Filmgeschichte plündert oder europäische Erfolgsfilme nachinszeniert (wobei die künstlerisch-intellektuelle Anstrengung meist in keinem Verhältnis zum betriebenen Aufwand und zur Starbesetzung steht), beweist diese „kleine“ deutsche Produktion, daß man einem Remake auch mit knappen finanziellen Mitteln, dafür aber mit viel Einfallsreichtum neue Reize abgewinnen kann. Die Drehbuchautoren verlegten die Handlung der in den 70er Jahren in New York spielenden Kidnapper-Geschichte des amerikanischen Kriminalschriftstellers Donald E. Westlake – die 1983 von Gary Nelson unter demselben Titel erstmals verfilmt wurde – ins Köln der 90er Jahre. Nach zwei mißlungenen Einbrüchen will Dortmunder, der Anführer einer Kleinganoven-Bande, nicht mehr auf die vermeintlich todsicheren Tips seines Kumpanen Kelp hören. Aber da ihre finanzielle Lage angespannt ist und ihm auch seine Geliebte Charlie mit Kelps Idee einer gewaltlosen Kindesentführung in den Ohren liegt, planen sie gemeinsam mit dem Autofreak Mörsch und dessen Mutter den Coup. Dabei geht das Quintett genau nach der von Kelp in einem Krimi gefundenen Beschreibung vor, es lernt sogar die Dialoge auswendig. Zwar entpuppt sich ihr Opfer entgegen der Jungen-Figur im Roman als Mädchen – aber von solchen Kleinigkeiten lassen sich die Ganoven nicht beirren. Probleme gibt es erst, als die entführte Milionärstochter Jenny sich als wahre Intelligenzbestie entpuppt und beginnt, die Spielregeln zu diktieren. Sie benutzt die Gelegenheit, um ihren alleinerziehenden Vater, der sie zwar mit Luxus verwöhnt, aber emotional vernachlässigt, zur Vernunft zu bringen, zumal ihre im Grunde recht liebenswürdigen Entführer ihr das lange ersehnte „Familienleben“ ermöglichen. Also macht sie mit ihnen gemeinsame Sache und heckt einen Plan aus, der beide Seiten ihr Ziel erreichen läßt.Man traut seinen Ohren nicht: Schon gleich in der ersten Szene, als die drei Ganoven in einer schier ausweglosen Situation auf dem Fenstersims eines Hotels stehen, entwickelt sich zwischen ihnen und den beiden im Fluchtauto wartenden Frauen ein imaginärer Wortwechsel, wie man ihn witziger schon lange nicht mehr in einer deutschen Komödie gehört hat. Dieser lakonische Humor setzt sich in den Bildern fort, wenn Kelp aus dem Krimi den nächsten Entführungsschritt vorliest: Während er die Glasfassaden Manhattans beschreibt, fährt die Kamera an einem abgewrackten Mietshaus in Köln-Nippes hoch. Die Dialoge gleiten nie ins Kalauernde ab und erinnern in ihrem pointierten Schlagabtausch nicht selten an die längst verloren geglaubten Qualitäten der amerikanischen Screwball-Komödien der 30er und 40er Jahre. Daß dies so überraschend perfekt funktioniert, liegt vor allem an der straffen Schauspielerführung durch Wolfgang Dickmann, der sein vor Spiellaune sprühendes Ensemble zu Hochleistungen führt. Herbert Knaup ist, wie seine Film-Geliebte einmal formuliert, „echt gut für einen Typen, der Elvis noch live erlebt hat“. Rufus Beck in seinem schrillen Outfit verbindet wunderbar den Charme eines jiddischen Schmocks mit der Verträumtheit eines intellektuellen Ganoven, dessen größter Wunsch eine Erstausgabe von „Robinson Crusoe“ ist. Über Christiane Hörbigers schauspielerische Präsenz zu sprechen, hieße Eulen nach Babelsberg tragen, und Nele Mueller-Stöfen überrascht mit einer unprätentiösen Frische, die auf ein Wiedersehen gespannt macht. Aber auch bei der Besetzung der schwierigsten Rolle, der entführten Jenny, hatte man eine glückliche Hand: Sophie Moser läßt nie die altkluge Göre überhandnehmen, sondern findet die Balance zwischen einer modernen, rotzfrechen Pippi Langstrumpf und einem intellektuell frühreifen Mädchen, das statt Astrid-Lindgren-Romanen Werke des Astrophysikers Stephen Hawkins verschlingt. Erstaunlich auch, daß durch ein präzises Casting die immer wiederkehrende Schwäche vergleichbarer deutscher Produktionen umgangen wurde: Die Nebenrollen vom karrieregestreßten Vater über Jennys Therapeutin und zukünftige Stiefmutter bis zum arroganten Polizei-Einsatzleiter sind allesamt vorzüglich besetzt.Natürlich sieht man dem Film sein nicht gerade üppiges Budget an. Man hätte sich manche der eingestreuten Actionszenen dramaturgisch ausgefeilter gewünscht, und auch die funktionalen Bilder erinnern mehr an gehobene Fernsehästhetik als an großes Kino. Dafür gefallen wiederum die gegen gängige (Spannungs-)Erwartungen kontrapunktisch eingesetzte Musik sowie viele auch optisch einfallsreich umgesetzte Gags, etwa das Golfspiel auf einem ausrangierten Bahngelände. Fragt sich nur, wie man das Publikum in einen Film lockt, der mit dem schlechten Ruf der neuen deutschen Komödie einerseits, dem untauglichen Versuch des Verleihs, „Jimmy the Kid“ als „Familienfilm“ zu verkaufen, andererseits fertig werden muß. Im Grunde ist „Jimmy the Kid“ die Geburtsstunde der deutschen „Krimi-Screwball-Komödie“, deren Erfinder das bewiesene Talent hoffentlich noch steigern können.
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