Devil's Island

Tragikomödie | Island/Deutschland/Norwegen 1995 | 103 Minuten

Regie: Fridrik Thór Fridriksson

Der triste Alltag in einer Barackensiedlung in Island in den 50er Jahren: Alle Hoffnungen vom großen Glück gehen in Armut, Chaos und endlosen Trinkgelagen unter. Ein als Familiengeschichte angelegtes Gesellschafts- und Sittenbild mit ebenso überzeugenden wie skurrilen Charakteren, das in seiner Aneinanderreihung loser Episoden eine eigenwillige Komik entwickelt. Ein ebenso spaßiger wie ernster Film, getragen von überzeugenden Darstellern und beseelt von der Zuneigung zu seinen gar nicht so positiven Helden. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
DJÖFLAEYJAN
Produktionsland
Island/Deutschland/Norwegen
Produktionsjahr
1995
Produktionsfirma
Icelandic Film Corporation/Peter Rommel Filmprod./Filmhuset
Regie
Fridrik Thór Fridriksson
Buch
Einar Kárason
Kamera
Ari Kristinsson
Musik
Hilmar Örn Hilmarsson
Schnitt
Steingrímur Karlsson · Skule Eriksen
Darsteller
Baltasar Kormákur (Baddi Tomasson) · Gísli Halldórsson (Tomas) · Sigurveig Jónsdóttir (Karolina) · Halldóra Geirhardsdóttir (Dolly) · Sveinn Geirsson (Danni)
Länge
103 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Tragikomödie | Literaturverfilmung
Externe Links
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Diskussion
Island Ende der 40er Jahre: Die Amis rücken ab, viele nehmen Isländerinnen mit in die Heimat, dafür lassen sie das Baracken-Camp in Thule zurück, in dem sich die Einheimischen mehr schlecht als recht einrichten können. Elend herrscht und Chaos, und um diesen Umständen zu entfliehen, zieht es auch Gógó mit Mann nach Amerika, die drei Kinder werden schon allein zurechtkommen, und schließlich gibt es ja auch noch die Großeltern. Opa schuftet wacker auf der Werft, die leicht senile Oma versucht sich als Wahrsagerin, wenn sie sich gerade mal nicht aufregt und die sodomitischen Syphilanten und Komplotteure in ihrer Umgebung beschimpft. In diesem Umfeld wachsen die Geschwister Baddi, Danni und Dolly auf. Doch auch Baddi hat einen Traum, reist seiner Mutter nach und scheint es Jahre später wirklich geschafft zu haben. Mit Lederjacke, Elvis-Tolle und rotem Amischlitten taucht er plötzlich wieder auf und ist fortan so etwas wie der kleine Inselheld. Doch sein Heldentum erschöpft sich in flotten Sprüchen, Saufgelagen, Schlägereien, aber immerhin ist er ein Mann mit Geld, das er ziemlich sinnlos verpulvert. Während Schwester Dolly sich in ihre Rolle fügt, heiratet, zwei Kinder zur Welt bringt und damit die Tradition nebst saufendem und prügelndem Ehemann fortschreibt, scheint Bruder Danni wirklich nichts auf die Reihe zu kriegen. Wenn er nicht arbeitet, sitzt er zu Hause herum, unterhält sich mit dem Großvater, der ihm dem Chaplin-Gang beibringt. Doch Danni hat es faustdick hinter den Ohren. Während Baddi sich zunehmend in der Rolle des Maulhelden gefällt, der auch schon mal die Oma verprügelt, und die Mutter geschieden und enttäuscht aus Amerika zurückkommt, lernt Danni das Fliegen und steigt zur neuen Inselgröße auf. Alles wäre schön, würde die Großmutter nicht im denkbar falschen Moment die Karten legen, natürlich fällt das Pik-As. Dann sind die Tage des Chaos gezählt, die Barackensiedlung wird abgerissen, alle müssen in die neue Sozialsiedlung ziehen. Die Großmutter weicht mit Wehmut, sie weiß, daß das bißchen Wärme, das sie trotz alledem miteinander hatten, sich verflüchtigen wird.

Wie bereits in seinen beiden vorhergegangenen Spielfilmen „Weiße Wale“ und „Children of Nature – Die Reise“ (fd 29 845) wendet sich Fridriksson auch diesmal wieder sozialen Randgruppen und gesellschaftlichen Außenseitern zu, die sich zwar hin und wieder beklagen, das schlechte Los, das sie gezogen haben, jedoch weitgehend akzeptieren. Diesmal verfilmte er allerdings kein Originaldrehbuch, sondern den meistverkauften Roman seiner Heimatinsel. Doch mit einer Literaturfilmung hat „Devil’s Island“ wenig gemein; dies mag an der Vorlage liegen, einem schmutzigen, manchmal bitteren Schelmenroman, aber auch an der Inszenierung, die keinen großen Bogen spannt, sondern sich auf Bruchstücke von Erzählungen konzentriert. Nebensächliches, Überflüssiges, Absurdes – wie etwa die Geschichte vom Kugelstoßweltmeister, einem tumben Riesen, der seinen kurzfristigen Erfolg dem Umstand verdankt, daß er mit einer Jugendkugel gestoßen hat – ordnet sich so zu einem chaotischen Kosmos des Schäbigen und Hinfälligen. Dabei denunziert Fridriksson seine Filmfiguren trotz ihrer Macken und Eigenarten nicht, sondern es gelingt ihm, eine Atmosphäre zu schaffen, die nicht von ungefähr an de Sicas „Wunder von Mailand“ (fd 1 618) erinnert, ohne dessen Sentimentalitäten zu übernehmen. Wie sollte er auch, Fridriksson stellt eine Barackengesellschaft vor, für die das Wunder ausbleiben wird bzw. die sich ihre „blauen Wunder“ bei nächtlichen Kneipenbesuchen selbst verschafft. Es ist ein wenig, als hätte Aki Kaurismäki de Sicas „Wunder“ versalzen.

Die Farben passen sich dem Sujet vorbehaltlos an, wirken selbst schmutzig und schmuddelig: graubraun, erdig. Von den Naturschönheiten Islands sieht man so gut wie nichts, selten bewegt sich die Kamera außerhalb der Siedlung, und wenn sie einmal entflieht, dann um Baddi und seine Kumpel bei ihren Gelagen zu beobachten. Fridriksson verklärt die Armut gewiß nicht, verfällt aber auch nicht in grüblerischen Pessimismus, sondern zeigt Menschen, die bei all ihren Sorgen auch das Lachen nicht verlernt haben, Lachen über sich und die anderen, die sich streiten und wieder vertragen, und die wissen, daß sie letztlich alle am selben Strang ziehen, auch wenn sie manchmal unterschiedlich lange Enden in den Händen halten. Ein Film über das Leben, mit prägnanten Schauspielern, die ihren Charakteren Tiefe verleihen und sich bemühen, ihnen die Würde zu bewahren. Ein ebenso ernster wie spaßiger Film, der auch noch mit einem kleinen musikalischen Bonbon aufwartet: Wann hat man schon einmal Gelegenheit, „Jingle Bells“ auf isländisch zu hören?
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