Aus der Mitte entspringt ein Fluß

4K UHD | USA 1992 | 124 Minuten

Regie: Robert Redford

Filmdaten

Originaltitel
A RIVER RUNS THROUGH IT
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1992
Produktionsfirma
Allied Filmmakers
Regie
Robert Redford
Buch
Richard Friedenberg
Kamera
Philippe Rousselot
Musik
Mark Isham
Schnitt
Lynzee Klingman · Robert Estrin
Darsteller
Craig Sheffer (Norman) · Brad Pitt (Paul) · Tom Skerritt (Reverend Maclean) · Brenda Blethyn (Mrs. Maclean) · Emily Lloyd (Jessie Burns)
Länge
124 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 12.
Genre
4K UHD | Drama | Literaturverfilmung
Externe Links
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Heimkino

Das Mediabook umfasst u.a. ein Feature mit 17 im Film nicht verwendeten Szenen (16 Min.).

Verleih DVD
VCL (1.85:1, DD5.1 dt.) Universum/Tobis (16:9, 1.78:1, DD5.1 engl./dt.)
Verleih Blu-ray
Universum/Tobis (16:9, 1.78:1, dts-HDMA engl./dt.)
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Die Geschichte zweier ungleicher Brüder, die Anfang des 20. Jahrhunderts in Montana heranwachsen. Ein Meisterwerk des spirituellen Kinos.

Diskussion

„Alle guten Dinge - Forellen ebenso wie das Ewige Heil - kommen aus Anmut und Würde. Anmut und Würde kommen aus der Kunst, und Kunst kommt nicht von ungefähr.“ Die Prosa des 1990 verstorbenen Chicagoer Literaturprofessors Norman Maclean lässt sich schwer übersetzen. Sie klingt leichter und fließender in ihrer Muttersprache, und die Bilder (kaum wagt man zu sagen, die Allegorien) klingen unprätentiöser, natürlicher, mehr von innen heraus, wenn man sie im englischen Original des schmalen Romans A River Runs Through It liest. Welch eine Herausforderung, Macleans Geschichte seiner eigenen Jugend in Bilder übersetzen zu wollen. Maclean wusste um die „Unmöglichkeit“ dieses Unternehmens, denn sein Buch kümmert sich kaum um Handlung. Es interessiert sich wenig für das, was man gemeinhin unter der Psychologie der Personen versteht. Es ist vielmehr die Schönheit der Sprache, die Vergangenes zu neuem Leben erweckt, die aus der Beschreibung des einfachen Lebens eines presbyterianischen Pfarrers und seiner Familie im ländlichen Montana der 1920er-Jahre eine Geschichte von moralischem Gewicht und philosophischer Einsicht macht.

Eine verwandte Seele

Die „Bastarde“ aus Hollywood hat Maclean denn auch unverblümt wieder nach Hause geschickt, inklusive William Hurt, der sich große Mühe gegeben hat, die Rechte für sich zu erwerben. In Robert Redford mag er vielleicht die verwandte Seele erkannt und geahnt haben, dass er sein Buch nicht an die Konvention der Pioniergeschichte verschenken werde. Maclean hat den ersten Drehbuchentwurf noch gelesen, und er hat ihn gemocht, obwohl Richard Friedenberg vieles hinzuerfinden musse, damit aus der kontemplativen, alles in Andeutungen belassenden Vorlage ein Film werden konnte.

Macleans Buch handelt von der Erinnerung an seinen Bruder Paul, mit dem er zu Beginn des 20. Jahrhunderts in dem von städtischer Zivilisation noch Lichtjahre entfernten Örtchen Missoula in Montana aufwuchs. Der Vater maß zwei Dingen im Leben besondere Bedeutung bei: dem Gottesdienst und dem Angeln. Genau betrachtet, war das Angeln für ihn eine andere Form von Gottesdienst. Nirgends fühlte er sich dem Schöpfer näher als am Ufer der Bergflüsse. Der Fluss war für ihn ein Teil der Ewigkeit, in seinem beständigen Rauschen hörte er die Sprache des alles bewegenden Geistes.

In diesem Geist erzog er seine beiden Söhne, Norman und Paul, mit strenger Hand. Norman wuchs zu einem scheuen, den Künsten zugeneigten jungen Mann heran, der nach Chicago aufs College ging; Paul liebte das Leben, mit dem er jedoch nie so richtig fertig wurde; er übernahm einen Job als Journalist und war in den Kneipen des Ortes ein häufiger Gast.

Ein Vater und zwei Söhne

Dass Buch kreist um die Figur des Bruders Paul und um Macleans Gedanken, die er nach Pauls frühem Tod nie mehr losgeworden ist, ob er ihm eine stärkere Hilfe hätte sein sollen. Es handelt von der Rückbesinnung auf die für beide Brüder eminent wichtige Vorbildfigur des Vaters, aber ebenso von der Unfähigkeit des Vaters, seine Gefühle in Worten auszudrücken, und von den Auswirkungen dieser Kommunikationslosigkeit, in deren Gefolge die Kinder ihre Position im Leben mehr ertasten als erlernen müssen. Alles andere, was der Film erzählt, vor allem Normans Freundschaft mit Jessie Burns (Emily Lloyd), hat Friedenberg nach Gesprächen mit Macleans Tochter und Schwiegersohn hinzugeschrieben, um dem Film eine Handlung zu geben.

Obwohl der Film also keine konsequente Übertragung des Romans in ein anderes Medium ist (was wohl überhaupt nicht möglich gewesen wäre), ist es Redford doch gelungen, den Atem des Werks zu bewahren, den poetischen, kontemplativen Stil der Vorlage nicht zu verraten. Das zeigt sich nicht allein daran, dass Redford entscheidende Ereignisse nicht inszeniert, sondern sie erzählen lässt; es zeigt sich vor allem an der Einheit aus ruhig fließender Bildbeschreibung und gesprochenem Wort.

Es mag manchem antiquiert vorkommen, dass der Film zu dem Stilmittel des Off-Kommentars Zuflucht nimmt, doch Macleans Prosa besitzt eine so singuläre Qualität und verweigert sich so eindeutig jeder Umsetzung in Dialoge, dass dies wohl die einzige Möglichkeit war, den literarischen Rang der Vorlage zu retten.

Abkehr von psychologischen Mustern

Vergleicht man „Aus der Mitte springt ein Fluss“ mit Redfords erster Regiearbeit „Eine ganz normale Familie“, ein thematisch durchaus nicht allzu entfernter Stoff, so erkennt man die Abkehr von einer psychologisierenden Beschreibung der Personen zugunsten eines Entwurfs des einfachen, aus natürlichen Ordnungen sich entfaltenden Lebens. Redfords Film ist von der Tradition des Hollywood-Dramas so weit entfernt wie Saroyans „Mein Herz ist im Hochland“ von Margaret Mitchells „Vom Winde verweht“.

Man mag dem Film einen Hang zur Naturmystik vorwerfen, man mag ihn als altmodisch empfinden, vielleicht sogar als langatmig; doch was immer an ihm irritierend sein kann, ist eine heilsame „Altmodischkeit“, auf die sich einzulassen ungeheuer lohnend ist.

Was Maclean ausschließlich mit der Sprache tut, versucht Redford gleichzeitig in Bilder zu übertragen, aber nicht, um eine Story zu erzählen, sondern um die Bestandsaufnahme eines Lebens zu geben. Er bedient sich dazu - durchaus konform mit Macleans literarischem Stil - eines elliptischen Aufbaus, der von der „Ursituation“ des Angelns im Fluss wieder zum Fluss zurückkehrt. Was immer die beiden Brüder tun und aus ihrem Leben machen, findet sich reflektiert an ihrer Beziehung zum „Fly-Fishing“ und zu dem unveränderlich dahinziehenden Fluss. Was der Familie an verbaler Kommunikation fehlt, das findet sie in der „Sprache“ des Angelns, die besonders Paul (Brad Pitt) mit unübertroffener Eloquenz erlernt. Nie sind sich Vater (Tom Skerritt) und Sohn so nahe, nie verstehen sie einander so vollkommen wie in den Augenblicken der Weltabgeschiedenheit und der totalen Harmonie mit der Schöpfung.

Ein introspektiver Stil

Es ist ein poetisch-philosophisches Konzept, das die wahren Qualitäten der Personen und des Lebens, das sie führen, nicht aus ihren Taten, sondern aus der Intensität erfahrbar werden lässt, mit der sie sich auf das vom Vater erlernte Ritual einlassen, es gar zu einem eigenen entwickeln. Es ist deshalb nur folgerichtig, dass die Flussszenen größeres emotionales Gewicht besitzen als alle dramatischen Begebenheiten des Alltags, die mit so viel Understatement inszeniert sind, dass herkömmliche Gesetze der Dramatik keine Gültigkeit mehr haben. Das führt dazu, dass Blicken und Gesten, scheinbar belanglosen Verhaltensweisen, vor allem aber der Sprache zu weitaus größerer Bedeutung verholfen wird, als im Film heute gemeinhin üblich ist. Wenn man eine Beziehung zu Redfords introspektivem Stil zu entwickeln vermag, beginnt man in die Personen und in den Fluss hineinzuhören und vielleicht die Essenz von Macleans Denken und Schreiben auch im Kino wahrzunehmen.

Das Problem dieses Films wird seine Synchronisation sein; denn Maclean ist (nicht unähnlich Walt Whitman) einer jener Autoren, deren Einfachheit und Bildhaftigkeit des Ausdrucks kaum in einer anderen als in seiner Muttersprache funktioniert: „Eventually, all things merge into one, and a river runs through it. The river was cut by the world's great flood and runs over rocks from the basement of time. On some of the rocks are timeless raindrops. Under the rocks are the words, and some of the words are theirs. I am haunted by waters.“

Die Stimmen aus dem Inneren

Inmitten einer Welt, die immer lautere, immer grellere Geschichten sucht, um Ungewissheit und Leere zu übertönen, widmet sich der Regisseur Robert Redford sehr akribisch ausgewählten Stoffen, deren Hinwendung zu innerlichen Werten sie von allem unterscheidet, was Mode ist. Nach dem für unverfilmbar gehaltenen 630-seitigen Roman The Milagro Beanfield War“ von John Nichols hat Redford sich nun diesen poetischen Entwurf von Norman Maclean ausgesucht, um daraus einen Film zu machen. Die eine Vorlage ist eine sozialkritisch akzentuierte Klage über die verlorene Begabung des Menschen, mit Heiligen und Engeln zu sprechen, die andere eine Wiederentdeckung der Stimmen, die aus dem Innern kommen. Was sie - bei aller thematischen Verschiedenheit - eint, ist die Tatsache, dass beide sehr irdische Stoffe sind, deren Bedeutung jedoch in der Spiritualität liegt, mit der sie empfunden und erzählt sind. Redford scheint nicht davor zurückzuschrecken, sich auf die scheinbare Unmodernität solcher Geschichten einzulassen, vielleicht weil er erkannt hat, dass das in materieller Gier und politischer Ratlosigkeit orientierungslos gewordene Land seiner Väter nichts dringender braucht als den Blick nach innen.

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