Gas Food Lodging

Komödie | USA 1991 | 102 Minuten

Regie: Allison Anders

Eine Kellnerin und ihre beiden jugendlichen Töchter haben in einem Provinznest New Mexicos überwiegend schlechte Erfahrungen mit Männern gemacht. Neue Begegnungen führen zu familiären Zerreißproben, zum Bruch mit liebgewonnenen Illusionen, aber auch zu neuen Hoffnungen. Ein schauspielerisch beachtliches und weitgehend sicher inszeniertes Regiedebüt, das leise und humorvoll die Suche nach Glück und Identität in einer auch im sozialen Leben trostlosen Umgebung schildert. (O.m.d.U.; TV-Titel: "Gas Food Lodging - Verlorene Herzen") - Sehenswert ab 16.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
GAS FOOD LODGING
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1991
Produktionsfirma
Cineville Partners II
Regie
Allison Anders
Buch
Allison Anders
Kamera
Dean Lent
Musik
J. Mascis · Barry Adamson
Schnitt
Tracy S. Granger
Darsteller
Brooke Adams (Nora) · Ione Skye (Trudi) · Fairuza Balk (Shade) · James Brolin (John Evans) · Robert Knapper (Dank)
Länge
102 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Komödie | Drama | Literaturverfilmung
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Diskussion
Männer gehen fort - auf diese Formel reduzieren sich Shades Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht. Die 14 - oder 15 jährige lebt mit ihrer Mutter Nora und der älteren Schwester Trudi in einem trostlosen Provinznest mitten in der Wüste New Mexicos. Shades Träume finden nur im Kino Erfüllung, in schwülstigen mexikanischen Melodramen, deren Heldin Elvira Rivero die Männer um den Finger wickelt und zu aufrichtigen Treueschwüren hinreißt. Die Realität sieht anders aus: Schon vor Jahren hat der Vater der Mädchen die Familie verlassen. Als Kellnerin in einem Fernfahrer-Restaurant schuftet Nora für den Lebensunterhalt des Trios, findet kaum Zeit für ihre Töchter und tröstet sich in gelegentlichen Affären mit verheirateten Männern, Shades Schwester Trudi gerät bei ihrer verzweifelten Suche nach Zuneigung immer wieder an Männer, die sie für unverbindliche Abenteuer ausnutzen. Zwischen Trudi und der überforderten Nora kommt es zu immer heftigeren Auseinandersetzungen, die auf eine familiäre Zerreißprobe hinauslaufen. In dieser angespannten Situation ergreift die sensible Shade die Initiative. Zunächst gilt es einen passenden Mann für Nora zu finden; außerdem will sie ihren so lange vermißten Vater aufspüren. Zumindest letzteres gelingt.

"Gas Food Lodging" erzählt mit einfachen Mitteln eine sehr einfache Geschichte: Tatsächlich begegnen alle drei Frauen Männern, die dem tristen Provinzdasein neue Perspektiven zu eröffnen scheinen. Nora erliegt dem exzentrischen und komischen Charme des Satellitenschüssel-Installateurs Hamlet Humphrey. Trudi begegnet in dem jungen Engländer Dank endlich einem Mann, der auch zuhören kann. Shade schließlich entdeckt mit dem mexikanischen Filmvorführer Javier zaghaft die erste Liebe. Doch auch das neue Glück ist brüchig. Dank kehrt von einer Geschäftsreise nicht zurück; Trudi ist abermals die Verlassene und zudem schwanger.

Was bietet dieser Stoff nicht an ideologischen Fallstricken. Doch ist die Regisseurin Allison Anders weit davon entfernt, Männer als rettenden Lebensinhalt frustrierter Provinzlerinnen darzustellen oder einer falschen Ideologisierung der Kleinfamilie anzuhängen. Shades Suche nach dem "verlorenen" Vater - ein Leitmotiv des Films - ist mehr von leiser Trauer geprägt als vom Versuch, eine vermeintlich heile Vergangenheit wiederherzustellen. In ihrem ersten "eigenen" Spielfilm (nach der Co-Regie bei "Border Radio", 1987) erweist sich Anders denn auch in erster Linie als einfühlsame Erzählerin, deren lakonische Schilderung provinzieller Enge authentisch wirkt und die ihren Figuren mit Solidarität und leisem Humor begegnet. All diese Qualitäten verbinden sich in einer der schönsten Szenen des Films, in der Shade für Nora (und hinter deren Rücken) ein Rendezvous inszeniert. Der zum Dinner geladene geheimnisvolle Traummann entpuppt sich als Noras letzter heimlicher Liebhaber Raymond, von dem sie sich gerade getrennt hat. Inmitten einsamer Wüste stoßen auch die kühnsten Träume an natürliche Grenzen.

Erfrischend "unamerikanisch" verzichtet der Film weithin auf Psychologisierungen. Figuren wie Hamlet und Dank tauchen auf, ohne daß ihrer Vergangenheit irgendwelche Beachtung zuteil würde. Auch für das Verschwinden des Vaters findet Shade keine schlüssige Erklärung. Menschen und Dinge sind, was sie gegenwärtig sind. Entsprechend hält Anders auch die gemeinsame Zukunft der neu sich entwickelnden Beziehungen im Konjunktiv. Bezeichnenderweise hat der Film seinen schwächsten Moment dort, wo diese Zurückhaltung durchbrochen wird. Trudis Selbstoffenbarung, nach einer mehrfachen Vergewaltigung nie mehr "Nein" zu einem Mann gesagt zu haben, bringt eine unnötig melodramatische Note ins Spiel, wie sie auch zum Finale hin noch einmal das dramaturgische Gleichgewicht ins Wanken bringt. Trotz solcher Schwächen kann "Gas Food Lodging" als gelungenes Debüt gelten, zumal die Besetzung bis in die Nebenrollen beachtliche Leistungen bietet. Daß eine Expertin in Sachen Rockmusik auf dem Regiestuhl saß, kommt dem Film ausgesprochen zugute. Faszination und Horror geographischer Weite, Lebensgier und Todessehnsüchte pubertierender Teenager - Originalmusik und Songauswahl setzen verstärkende Akzente und ziehen den Betrachter von der ersten Einstellung an wirkungsvoll ins Geschehen hinein.
Kommentar verfassen

Kommentieren