Formal vielschichtiges Porträt über Leben und Tod des japanischen Schriftstellers Yukio Mishima, der sich in seinem Streben nach Schönheit in einen faschistoiden Ästhetizimus verrannte.
Der Autor und Regisseur Paul Schrader galt bislang als ein Markenzeichen für griffiges, geradliniges, zupackendes Erzählkino. Um so mehr überrascht seine betont vielschichtige, „schwierige“ Annäherung an den großen japanischen Schriftsteller Yukio Mishima.
Eingebettet in die breit erzählte Rahmenhandlung vom spektakulären Auftritt und dem anschließenden rituellen Selbstmord im Jahr 1970, wird Mishimas Leben analytisch heraufbeschworen, wobei es vor allem um innere Plausibilität, nicht so sehr um Chronologie und lückenlose Biografie geht.
Harmonie von Feder und Schwert
Mishima, ein verschlossenes und stotterndes Kind, ein kränklicher und gehemmter Jüngling, entdeckt allmählich die Magie des Wortes. Mit deren Hilfe entflieht er der Unvollkommenheit seiner eigenen Existenz; er wird als Dichter und Romancier berühmt und mit Preisen überhäuft. Bald aber genügt ihm diese Flucht in die Kunst nicht mehr. Im „Bushido“, im Kampf- und Ehrenkodex der Samurai, entdeckt er die vollkommene „Harmonie von Feder und Schwert“.
Unerbittlich beginnt er, seinen Körper zu stählen. Er steigert sich allmählich in die Idee hinein, sich selbst und sein Leben zum erhabenen Kunstwerk zu stilisieren. Kunst und kämpferisches Leben sollen sich durchdringen und einander überhöhen.
Dabei versteigt sich Mishima bald in einen narzisstischen Körperkult, in sexuelle Abgründe, in Selbstaggression, wahnsinnigen Ästhetizismus und Todestrieb, in Militarismus und Faschismus. Er wird zuletzt zum tragikomischen Künder alter Tugenden, zum selbstverliebten Messias der Gewalt, zum lebenden Anachronismus, der selbst bei den Militärs des Landes nur mehr Spott erntet.
Leiden an der eigenen Unvollkommenheit
Paul Schrader durchleuchtet diese widersprüchliche, faszinierende und zum Scheitern verurteilte Existenz ebenso kühl analytisch wie bewusst verrätselnd - stets in der Erkenntnis, eine letztendliche und gültige Erklärung nicht liefern zu können. Er ist dabei unparteiisch, aber nicht indifferent, kritisch, aber nicht denunzierend, und einfühlsam, ohne entschuldigend oder gar verherrlichend zu sein. Er macht deutlich, wie aus dem Leiden an der eigenen Unvollkommenheit zugleich Großes, aber auch Verhängnisvolles entsteht, wie aus Ästhetizismus Faschismus werden kann, wie nah Hellsichtigkeit und Verblendung beieinander wohnen und wie sich eine Kausalität des Genies unversehens zur Psychopathologie der Kunst wandelt.
Dabei gelingt es, anhand eines extremen und „exotischen“ Beispiels durchaus auch Probleme des westlichen Kulturkreises zu benennen: die gefährliche Verselbständigung der Form, die Verzweiflung über den Verlust kultureller Identität, die zunehmende Ästhetik der Gewalt, die allmähliche Verunsicherung sittlicher und ästhetischer Normen.
Die verschlungene und vielgestaltige Erzählstruktur lässt solche Abstraktionen durchaus zu. Zwar trennt Schrader die verschiedenen Ebenen des Films durch extrem entgegengesetzte Technik und Erzählrhythmik - breite und realistisch wirkende Farbsequenzen für die Rahmenhandlung, dokumentarisch-stilisierendes und rasch kollagiertes Schwarz-weiß-Material für die Rückblenden -; dennoch gehen oft Reales und Visionäres innerhalb einer einzigen Darstellungsebene ineinander über.
Fiktion und Realität fallen in eins
Es entsteht ein irritierendes biografisches Vexierbild. Das gilt auch für die dritte, die „literarische“ Ebene des Films, in der Schrader einzelne Kapitel aus den Romanen von Mishima mit dessen Lebensgeschichte geschickt in Beziehung setzt. Es zeigt sich: Fiktion und Realität sind nahezu eins. Der verzweifelte Jüngling in „Der Tempelbrand“, der masochistische Liebhaber in „Kyokos Haus“ oder der fanatische Attentäter in „Galoppierende Pferde“ werfen erschreckend erhellende Schlaglichter auf Mishimas Persönlichkeit.
Schrader inszeniert diese Romansequenzen, um ihren fiktiven und symbolischen Charakter zu unterstreichen, ganz theatralisch stilisiert und manieristisch im Sinne von Coppolas Studio-Ästhetik in „Einer mit Herz“. Trotzdem fließen die formal scharf getrennten fiktiven und realen Ebenen des Films zuletzt im grausam-schönen Todesdelirium des Dichters fast untrennbar und provozierend ineinander. So wie sich in Mishimas Visionen vom Martyrium des heiligen Sebastian christliche Bilderwelt und sadomasochistisches Wunschdenken gefährlich verquicken, so ist diese Schlusssequenz nicht nur Ausdruck für Leid und Niederlage des Künstlers, sondern ebenso für die verzweifelte Lust an Schmerz und Selbstzerstörung: ein heidnisches Menschenopfer auf dem Altar der Schönheit in der vermessenen Vorstellung einer menschlichen Selbstvollendung im Freitod.