Junge Mädchen zur Liebe gezwungen

wernstein@web.de | 15.05.2024

La Settima Donna (Originaltitel) Der deutsche Verleihtitel lässt das Schlimmste erwarten: Eine Abfolge von dramaturgisch miesen Sexploitation-Episoden, in denen sich irgendwelche Porno-Models in darstellerischer Hinsicht talentfrei entblättern, planlos inszeniert und die Kamera ausschließlich darum bemüht, möglichst viel Nacktheit abzubilden... - Aber erstaunlicherweise ist genau das Gegenteil der Fall. Konzeptionell ist Francesco Prosperis Thriller vorrangig eine Mischung aus dem Rape-and-Revenge- und dem Home-Invasion-Genre. Es gelingt dem Film auf verblüffende Weise beides zu erfüllen und darüber hinaus einen gewaltpornographischen cineastischen Diskurs zu etablieren, in dem die Erniedrigung und Vergewaltigung der im Deutschen titelgebenden jungen Mädchen in keiner Einstellung in chauvinistischer Art und Weise wohlwollend begleitet oder voyeuristisch ausgeschlachtet wird. Die drei maskulinen Gewaltverbrecher sind nahezu idealtypische Ausformungen toxischer Männlichkeit, wirken so als hätte ein feministisches Autorinnenteam der Gegenwart den Stoff zu verantworten. "La Settima Donna" macht das Leid der geschundenen Frauen für die Betrachtenden beinahe physisch erfahrbar: Obwohl Mise-en-Scène, Bild- und Farbgestaltung sehr ausgefeilt und diszipliniert ausgeführt werden, wirkt sich diese Ästhetisierung zu keiner Zeit distanzierend oder relativierend aus und bleibt durchgehend der Perspektive der weiblichen Opfer verbunden. Im Vergleich dazu wirken die vom Filmfeuilleton gefeierten "Funny-Games"-Filme (1997 und 2007) von Michael Haneke scheinheilig und unentschlossen... - Auch der Banküberfall zu Beginn ist ein cineastisches Kabinettstückchen, das sich vor ähnlichen Sequenzen aus der Geschichte des Gangsterfilms nicht zu verstecken braucht. Ein kontroverser Film zum Wiederentdecken, aber nicht zum Genießen.