© Sophie Koehler (Szenen aus "La Mesías")

In der arte-Mediathek: Die Serie „La Mesías“

Die spanische Serie „La Mesías“ erzählt auf vielschichtige Weise von Glauben und Missbrauch

Veröffentlicht am
17. November 2024
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In Spanien gehen im Internet kitschige Videos einer katholischen Mädchengruppe viral, die fromme Lieder singen. Viele Menschen reden darüber, machen sich lustig oder fühlen sich von der Heilsbotschaft angesprochen. Für zwei Geschwister aber bricht die sicher geglaubte Welt zusammen. Die jungen Frauen in den Musikvideos sind ihre Halbschwestern, die von ihrer religiös-fanatischen Mutter instrumentalisiert werden. Erinnerungen an ihre eigene traumatische Kindheit lassen sich nicht länger verdrängen.


Es ist ein an sich harmloses Musikvideo, das das Leben von Enric (Roger Casamajor) ins Wanken bringt. Eine katholische Girl Group namens „Stella Maris“ hat einen Clip online gestellt, der in den Sozialen Medien viral gegangen ist. Viele Menschen machen sich über den musikalischen Glaubenskitsch lustig, doch bei Enric ruft er einen Strudel schmerzhafter Erinnerungen wach. Denn die sechs jungen Frauen, die da singen und tanzen, sind seine Halbschwestern. Enric hat sie und ihre gemeinsame Mutter einst verlassen, um dem Zwangsregime zu entkommen, das die Mutter der Familie aufzwang. 

Einst hatte sie als Sexarbeiterin versucht, genügend Geld für sich und ihre Kinder zu verdienen, dann aber einen exzessiven Glaubensweg eingeschlagen. Sie ist überzeugt davon, eine Auserwählte zu sein, ein Medium, durch das Gott zu den Menschen spricht. Zu ihrer Mission gehörte, ihre Kinder mit strenger Moral, asketischer Disziplin und psychischer Gewalt in ein enges Korsett einzuzwängen. Keines von ihnen durfte die Schule besuchen oder das Grundstück verlassen. 

Als Heranwachsender hielt Enric das nicht mehr aus. Im gelang die Flucht, ebenso wie seiner Schwester Irene (Macarena García). Als Mittvierziger plagt beide nun, konfrontiert mit den Halbschwestern, das schlechte Gewissen. Die lang verdrängte Kindheit kommt wieder an die Oberfläche.

Es sind harte Themen rund um religiöse Überzeugngen und ihren Missbrauch, die in der spanischen Miniserie "La Mesías" thematisiert werden. In der Kritik von Sebastian Seidler heißt es: „Wo verläuft die Grenze zwischen Glauben und Zwang? Kann es eine Erlösung vom Versprechen auf Erlösung geben? Die Fragen, mit denen „La Mesías - Die Auserwählte“ aufwartet, wiegen schwer. Leichte Abendunterhaltung ist von der Serie des Regieduos Javier Ambrossi und Javier Calvo nicht zu erwarten. Das liegt vor allem daran, dass es keine einfachen Lösungen gibt. Religion und Glaube werden nicht verteufelt. Vielmehr sehen die Serienmacher hinter den spirituellen Praktiken eine existentielle Sehnsucht nach Halt und Geborgenheit, die ungemein verletzlich macht – und anfällig für Manipulation und Machtmissbrauch.“

Die arte-Mediathek zeigt die Serie im spanischen Original, zu dem deutsche und französische Untertitel verfügbar sind.

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