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Serie: Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht - Staffel 2

In der zweiten Staffel des „Der Hobbit“- und „Herr der Ringe“-Prequel geht der Dunkle Lord Sauron daran, seine Ring-Intrige zu schmieden.

Veröffentlicht am
14. Oktober 2024
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Es beginnt mit Saurons vermeintlichem Tod im Ersten Zeitalter Mittelerdes als Rückblende. Der nun (kurz) von Jack Lowden verkörperte Lord des Bösen möchte sich von den Orks nach einer historischen Niederlage krönen lassen. Aber der Ork-Anführer Adar (Joseph Mawle) stößt ihm die Spitzen der Krone ins Fleisch, bevor die blutrünstigen Orks Sauron äußerst brutal ermorden und Adar zu ihrem neuen Oberhaupt wird.

Als wollten die Schöpfer der angeblich teuersten Serie aller Zeiten ihre Kritiker gleich zu Beginn der zweiten Staffel mit unerwarteten Plot-Elementen überwältigen, setzen sie in diesem Prolog auf einen gewaltsamen Paukenschlag. Packend inszeniert ist auch eine Sequenz, in der sich aus dem Blut des (scheinbar) toten Sauron eine lange Spur formt; dann ersteht er als schleimiges, spinnenartiges Monster neu, das zunächst kleine Nagetiere verspeist und weiterwächst, bis es schließlich eine einsame Kutscherin verschlingt und die menschlichen Züge von Halbrand (Charlie Vickers) annimmt, jener Schein-Identität, hinter der sich der Dunkle Lord in der ersten Staffel der Serie verbarg und dem Serienpublikum erst am Staffelende seine wahre Identität enthüllte.

Sauron schmiedet seine Ring-Intrige

Halbrand/Sauron, der in Staffel 1 die Elbenkriegerin Galadriel (Morfydd Clark) täuschte, wird in der zweiten Staffel schnell zur zentralen Figur, zum Trickster und Verführer mit einem ausgeklügelten Plan. Nach einem kurzen Intermezzo bei den Orks und ihrem Anführer Adar zieht er weiter nach Eregion, der imposanten Stadt, wo der Elben-Schmied Celebrimbor (Charles Edwards) herrscht und noch nicht weiß, ob seine drei Ringe der Macht, die die Elben stärken sollen, wirklich funktionieren. Der eitle Schöpfer vertraut dem listigen Halbrand, weil er nicht weiß, dass dieser Sauron ist. Fortan geht es in diesem Handlungsstrang darum, ob Celebrimbor weitere Ringe für Zwerge und Menschen gießen wird.

Und so stehen in der zweiten Staffel die titelgebenden Ringe viel mehr im Zentrum als noch in der ersten. Bei den Elben gibt es über ihre Bedeutung Streit. Der weise Elrond möchte sie vernichten, weil er befürchtet, Sauron habe sie bereits manipuliert. Galadriel dagegen beschwört ihre Macht, um Mittelerde, die Elben, Zwerge und Menschen vor Saurons Zerstörungs- und Eroberungsdrang zu schützen. Im Zwergenreich Khazad-dûm eskaliert der Vater-Sohn-Konflikt zwischen dem König und seinem Sohn. Denn der Ring, den der Zwergenkönig zugespielt bekommt, macht ihn gierig, und so setzt er die Zukunft seines Volkes aufs Spiel.

Ausstattungs-Orgie mit Schwächen

Es sind große Themen wie Krieg oder Frieden, Verrat und Täuschung, die hier verhandelt werden. „Die Ringe der Macht“ bleibt dabei ein Prequel, das Elemente von Tolkiens Mittelerde-Mythologie mit frei Erfundenem mischt. Genau deshalb laufen viele Tolkien- und Fantasy-Fans schon seit der ersten Staffel Sturm, bemängeln Neuinterpretationen wie bei der Figur von Galadriel, die in ihren Augen in der Serie viel naiver, unbedachter und leichtsinniger erscheint als in Tolkiens Texten. Die erste Staffel missfiel ebenso den Kennern Tolkiens wie auch jenen, die nur die Verfilmungen von „Herr der Ringe“ und des „Hobbits“ durch Peter Jackson kannten. Zu Recht wurden die lange Exposition, die vielen Figuren und Parallelhandlungen moniert, die eher nebeneinander als miteinander existierten. Aber trotz der vielen dramaturgischen Löcher und der meistens nur durchschnittlichen Darstellerinnen und Darsteller zog die erste Staffel gegen Ende schon durch mehr Spannung an und ließ sich als reines Unterhaltungswerk mit grandioser Ausstattung durchaus goutieren.

Wobei es durchaus zwiespältig sein kann, wie sehr sich die Serie gerade optisch von den Verfilmungen von Peter Jackson leiten lässt, weil sie dadurch eigenes Potenzial zu wenig ausschöpft. Dass etwa in „Die Ringe der Macht“ die Orks einmal mehr als unappetitliche Monster auftreten, verspielt die Ansätze dazu, sie als Wesen mit eigener Agenda näher zu beleuchten.

Dramaturgisch haben die Serienmacher aber auch von Jackson gelernt: In den Kinofassungen von dessen „Herr der Ringe“-Filmen gab es immer ein gewisses Ungleichgewicht zwischen endlosen Schlachtenszenen und eher ruhigeren, lyrischen Momenten, was in seinen Director’s Cuts, die bis zu 45 Minuten länger waren, teilweise ausbalanciert wurde. Die Serienmacher scheinen das zu beherzigen, jedenfalls ist es ein Plus der Serie in beiden Staffeln, nicht nur auf Action zu setzen, obwohl die Gefahr eines fürchterlichen apokalyptischen Krieges immer mitschwingt, sondern auch intimere Momente einzubauen.

Einige Figuren werden interessant ausgebaut

Der zweiten Staffel speziell tut nun gut, dass sie zudem einige Figuren, wie beispielsweise den Elbenschmied Celebrimbor, interessant ausbaut und komplexer werden lässt. Das trifft wohltuend auch auf Galadriel als zentrale Heldin zu. Sie fühlt sich schuldig, weil sie in Halbrand nicht Sauron erkannte, setzt nun auf die Macht der Ringe und will nicht wahrhaben, welches zerstörerische Potenzial ihnen innewohnt. Zugleich schmiedet sie unheilvolle Allianzen – alles nur, um Sauron zu stoppen. Womit die Serie auf spannende Weise Fragen nach dem Verhältnis von Moral und Politik stellt: Wie viel „Der Zweck heiligt die Mittel“-Mentalität ist vertretbar? Welche Allianzen sind ethisch hinnehmbar, um einen gefährlichen Gegner zu besiegen?

Zudem bekommen einige drastische Schlachtszenen der zweiten Staffel, etwa wenn eine bis dahin wunderschöne, fast idyllische Stadt durch Brandbomben und später einen mordenden Mob verwüstet wird, im aktuellen Kontext der Konflikte in der Ukraine und dem Nahen Osten eine beklemmende Aktualität: Wo in Tolkiens Werk die Traumata des Ersten und Zweiten Weltkriegs mitschwangen, kommen einem beim Betrachten der Serie, wo es um das Leid geht, das Kriege verursachen, automatisch Assoziationen, die den Fantasy-Stoff an die Realität rückkoppeln. Ebenfalls einen aktuellen Nerv treffen Handlungsstränge darum, wie die Herrschaft einer eher liberalen Monarchie in eine Diktatur kippt und wie schnell sich bis dahin ehrenwerte Menschen (oder Zwerge) in Opportunisten, Mitläufer und machtgierige Emporkömmlinge verwandeln.

Abschließend bleibt das Fazit: Die zweite Staffel ist deutlich besser als die erste. Einige (wenn auch nicht alle) Charakterzeichnungen sind prägnanter, die zwischenmenschlichen Konflikte überzeugender, das Tempo und eine gewisse inszenatorische Wucht haben zugenommen. Zum wirklich großen Wurf reicht es indes immer noch nicht. Dafür fehlt es der Serie am Mut, jenseits des Spiels mit Tolkien-Elementen eine stringente eigene Interpretation von dessen Themen zu wagen.

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