© imago/United Archives (Robert Redford, Paul Newman)

Filmklassiker: „Der Clou“

Auch 50 Jahre nach seiner Premiere glänzt „Der Clou“ als ein leuchtendes Beispiel dafür, wie ambitioniertes Unterhaltungskino mit viel Liebe zum Detail gelingen kann

Veröffentlicht am
12. April 2024
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Eine Gruppe gewitzter Trickbetrüger versucht einen einflussreichen Gangsterboss um sein Geld erleichtern. Auch 50 Jahre nach der Premiere von „Der Clou“ von George Roy Hill lassen die beiden Hauptdarsteller Robert Redford und Paul Newman keinen Zweifel daran, dass sie zu den größten Stars der Hollywood-Geschichte gehören.


Im Chicago der 1930er-Jahre, mitten während der Großen Depression, muss ein Gangster ein Bündel Geld durch die Stadt transportieren. Einige Zeit später sitzt er im Taxi und kann sich vor Lachen kaum noch halten. Die unglaublichen Zufälle auf seinem Weg haben ihn reich gemacht! Doch als er nach den Scheinen greift, schwant ihm plötzlich Böses. Sein Lachen gefriert und wandert in einem Augenblick purer Kinomagie auf die Gesichter des Publikums. Während er in Schockstarre zusammensinkt, bekommt man einen wohligen Energieschub, und als der Ragtime-Soundtrack den Moment der Erkenntnis zusätzlich akzentuiert, fühlt es sich beinahe so an, als hätte man selbst jemandem einen Streich gespielt. Der Film erwacht zum Leben und flüstert heimlich: „Hast du Lust auf etwas Schabernack? Dann sei mein Komplize!“


Alte Freunde mit neuen Tricks

In „Der Clou“ von George Roy Hill geht es ums Lügen und Betrügen, aber auch darum, währenddessen jede Menge Spaß zu haben. Weil sich der Kleinganove Hooker (Robert Redford) das falsche Ziel ausgesucht hat, steht er plötzlich auf der Abschussliste des Gangsterbosses Lonnegan (Robert Shaw). Doch als statt ihm sein Mentor Luther dran glauben muss, schwört er Rache. Da er aber kein Killer, sondern ein Trickser ist, besteht seine einzige Idee darin, Lonnegans Börse zu erleichtern. Damit dem Gangster das richtig weh tut, braucht es einen unglaublichen Trick, den nur der legendäre Betrüger Henry Gondorff (Paul Newman) ausführen kann – doch der ist mittlerweile ein zynischer Alkoholiker.

Großartiges Duo: Robert Redford, Paul Newman in "Der Clou" (imago/United Archvies)
Großartiges Duo: Robert Redford, Paul Newman in "Der Clou" ( © imago/United Archvies)

Der alte Meister Gondorff, der noch einmal aus der Reserve gelockt werden muss, und der junge Heißsporn Hooker, der seine Grenzen noch nicht kennt, sind die ideale Kombination für ein turbulentes Abenteuer. Und Robert Redford und Paul Newman genau das Team, das es braucht, um die Stimmung und das Tempo des Films über die gesamte Laufzeit aufrechtzuerhalten. Die beiden waren schon in „Butch Cassidy and the Sundance Kid“ ein großartiges Duo, was sie hier erneut unter Beweis stellen. Wenn Newmans blaue Augen verschwörerisch funkeln und Redford ein verschmitztes Lächeln über sein Gesicht huscht, fühlt sich das verschwörerisch-gut an.


Wie eine wilde Theatertruppe

Die Welt, in die „Der Clou“ eintaucht, ist wunderbar wuselig. Casinos, Spelunken und Bordelle sind die Etablissements, in denen die kleinen und großen Gauner gerne verkehren; fahrende Züge und falsche Wettbüros die Locations, an denen sie ihre Tricks abziehen. Jeder Ort hat dabei seine eigenen Regeln, die Hill mit hinreißender Selbstverständlichkeit etabliert: ein Spielsalon nutzt kleine Kniffe, um das Roulette-Rad zu bändigen, ein Freudenhaus besondere Verbindungen zur Polizei, und ein kleiner Stupser an die Nase sorgt dafür, dass ein vermeintlicher Bankier plötzlich seine Koffer packt und sich als Schwindler zu erkennen gibt.

Der große Plan, der Lonnegan ruinieren soll, ist eine vertrackte Schummelei rund um Pferdewetten, bei der fast jeder Betrüger der Stadt mithelfen muss. Das Ganze erinnert in seiner Umsetzung auf erstaunliche Weise an die Film- oder Theaterwelt. Es gibt für jedes Kapitel eine Titelkarte, die als Aktüberschrift auch im Drehbuch stehen könnte. Während in dem einen Zimmer große Kulissen gebaut und Requisiten eingerichtet werden, castet man im Nebenraum Ganoven in speziellen Rollen und stattet sie mit Kostümen aus. Alles ausschließlich dafür, um bei der einzigen Galavorstellung glaubhaft zu sein. Und wie Lonnegan muss auch das Kinopublikum am Ende so berauscht sein, dass die Erkenntnis, dass es alles nur eine Illusion war, zu spät einsetzt.

Vielleicht fällt es George Roy Hill deshalb so leicht, diese Welt zu inszenieren, weil ihre Wurzeln in einer Sphäre gründen, die er wie seine Westentasche kennt. Denn trotz aller akribischen Vorbereitung der großen Täuschung entfaltet der Film einen Großteil seines Charmes gerade dann, wenn etwas schiefgeht. Die Schwindler sind cool, aber nicht unfehlbar, die Tricks sind clever, aber nicht wasserdicht, und wenn der gerissene Lonnegan immer wieder mit voller Wucht gegen das sorgsam aufgebaute Kartenhaus pustet, trägt dies zu den vergnüglichsten Szenen des Films bei. Der unerwartete Besuch bei einem Informanten oder eine überraschend platzierte Wette müssen mit cleverer Improvisation aufgefangen werden.

"Der Clou" von George Roy Hill (imago/United Archives)
"Der Clou" von George Roy Hill (© imago/United Archives)

Ein absolutes Highlight ist eine Pokerszene, in der Newman nicht nur unglaubliche Kartentricks zeigt, sondern auch eine schreiend komische Darbietung als betrunkener Rüpel abgibt. Statt lediglich auf die große Wendung im Finale zu vertrauen, ist es bei „Der Clou“ der kurvige Weg dorthin, der dem Film seinen unverwechselbaren Charakter gibt.


Ein Meilenstein der 1970er-Jahre

Die 1970er-Jahre waren eine Dekade, in der das US-amerikanische Mainstreamkino von Gegensätzen geprägt war. Nur in dieser Zeit konnten zwei so unterschiedliche Filme wie „Der Exorzist“ und „Der Clou“ sich ein Rennen um das höchste Einspielergebnis (Gewinner: „Der Exorzist“) und die meisten „Oscars“ (Gewinner: „Der Clou“) liefern. Das Jahrzehnt begann mit epischem Autorenkino wie Der Pate“, brachte „Taxi Driver“ hervor und schuf mit „Der weiße Hai“ und „Star Wars“ das Blockbuster-Kino.

„Der Clou“ ist leichter als „Der Pate“ oder „Taxi Driver“ und bescheidener als „Der weiße Hai“ und „Star Wars“. Doch genau an diesem Schnittpunkt hat er seinen perfekten Ort gefunden: ein Autorenfilm ohne Autorenfilmer, ein Blockbuster mit Kammerspiel-Charakter, ein leuchtendes Beispiel dafür, wie ambitioniertes Unterhaltungskino mit viel Liebe zum Detail gelingen kann. Was in „Der Clou“ geschafft wird, erinnert selbst an einen guten Kartentrick: Das Publikum bleibt bezaubert zurück und bemerkt erst viel später, wie viel minutiöses Timing und professionelles Können in jeder einzelnen Handbewegung stecken musste, damit alles mit solcher scheinbaren Leichtigkeit über die Bühne geht.



Der Clou. USA 1973. Regie: George Roy Hill. Mit Paul Newman, Robert Redford, Robert Shaw. 129 Min. Der Film ist als DVD, Blu-Ray und in einer 4k UHD-Version erhältlich. Im Oktober 2023 erschien überdies eine Deluxe Edition mit einem 44-seitigen Booklet im Schuber (Anbieter: Universal). Der Film ist auch über viele gängige Streamingdienste zu sehen.

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