Im Wettbewerb von Cannes kann man in diesem Jahr die alten
von den nicht ganz so alten Filmemachern leicht dadurch unterscheiden, wie sehr
sie ihren eigenen lange etablierten Filmpfaden folgen oder Neues wagen. Zu den „Jüngsten“
in diesem Sinne zählt dabei der 77-jährige Wim Wenders, der auf den Spuren von Yasujirō
Ozu mit „Perfect Days“ eine meisterliche Meditation über das Geheimnis des
Lebens gedreht hat, das man nur an der Musikauswahl als Wenders-Film erkennen
könnte.
Wenn draußen der alte Straßenkehrer mit dem Reisigbesen über
die Steinplatten fegt, schlägt Hirayama (Kôji Yakusho) die Augen
auf; nur sonntags schläft er etwas länger. Doch auch dann sind die Handgriffe fast
immer die gleichen: Bettdecke und Matratze werden in der Ecke verstaut, der Bart
wird getrimmt, werktags ein weißes Schweißtuch unter den Kragen des Overalls
geschlagen. Dann tritt der mittelalte Mann vor die Tür, blinzelt verschmitzt in
den morgendlichen Himmel, setzt sich ans Lenkrad seines klapprigen Minibusses
und fährt los; wenn der Fernsehturm von Tokio in Sicht kommt, schiebt er eine
Kassette in den Rekorder und lauscht den Songs von Patti Smith, Lou Reed oder
Velvet Underground.