Die junge, emphatische Ärztin (Adèle Haenel) arbeitet in einer Hausarztpraxis in einem sozial prekären Viertel der Stadt Seraing in Belgien. Eines Abends klingelt es weit nach Ende der Sprechstunde an der Praxistür. Die Ärztin macht nicht auf; wäre es ein Notfall, hätte die Person mehrmals geklingelt. Am nächsten Tag aber wird in der Nähe der Praxis eine junge schwarzafrikanische Frau tot aufgefunden. Ein Mord ist nicht auszuschließen.
Die Aufzeichnungen der Überwachungskamera in der Praxis zeigen, dass es sich bei dem Opfer um jene Person handelt, die am Vorabend geklingelt hat. Das Mädchen hatte keine Ausweispapiere bei sich; eine Identifizierung ist nicht möglich. Die Ärztin fühlt sich für ihren Tod mitverantwortlich. Hätte sie die Tür geöffnet, wäre das Mädchen vielleicht noch am Leben. Sie beginnt auf eigene Faust Nachforschungen über die Identität des Opfers anzustellen, in deren Verlauf ihr Weltbild auf eine harte Probe gestellt wird.
Das Sozialdrama von Jean-Pierre und Luc Dardenne setzt sich mit den Themen Schuld und Verantwortung auseinander, wobei der für die belgischen Brüder typische Sozialrealismus mit einer thrillerartigen Handlung kombiniert wird. Mit großer Meisterschaft verknüpft das hochkonzentrierte, in der Hauptrolle glänzend gespielte Drama die individuelle Geschichte mit der Erkundung eines sozialen Panoramas. Dabei aktualisiert der Film die Instanz des Gewissens und erzählt exemplarisch von moralischer Integrität und der schwierigen Suche nach gesellschaftlicher Gerechtigkeit. – Sehenswert ab 14.