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Passionen: Liebeserklärungen

Im Kino sind Liebeserklärungen an der Tagesordnung. Genau so sehen sie dann aber oft auch aus. Wie es anders geht, zeigt William Wyler in „Die besten Jahres unseres Lebens“. Eine Liebesklärung an den Film von Michael Ranze.

Veröffentlicht am
07. Januar 2021
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Gute Liebeserklärungen sind schwer – nicht nur im realen Leben, sondern auch im Film. Dort zählen sie zu den Standardsituationen von Melodramen und romantischen Komödien; sie folgen allerdings oft auch sehr standardisierten Mustern. Es geht allerdings auch anders, etwa in William Wylers Klassiker „Die besten Jahre unseres Lebens“ (1946). Eine Liebeserklärung an den Film von Michael Ranze.


Zu den schwierigsten Dingen im Leben gehören zweifelsohne Liebeserklärungen. Sie erfordern Mut, Charme und Selbstsicherheit, im Idealfall auch ein wenig Wortgewandtheit. Manchmal sind Liebeserklärungen auch notwendig, um sich der Gefühle des anderen rückzuversichern. Zu dumm nur, dass man nirgendwo lernen kann, wie man eine Liebeserklärung macht. Das Leben bereitet einen darauf nicht vor. Man muss sich auf sich selbst und seine Intuition verlassen. Im Alltag mag ein maulfaules „Ich habe mich in dich verliebt!“ reichen. Im Kino macht das allerdings wenig her. Es sei denn, man ist ein Meister der Lakonie wie Aki Kaurismäki. „Wollen wir zusammenbleiben?“ fragt der Mann die Politesse in „Ariel“. „Ja,“ antwortet sie. „Für immer?“ – „Ja.“ Es könnte so einfach sein.


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Manche romantischen Komödien übertreiben es mit ihren Liebeserklärungen. Vor allem, wenn sie der unseligen Genre-Konvention gehorchen, dass eine Liebeserklärung nur dann etwas taugt, wenn sie öffentlich vor Publikum gemacht wird, etwa in der Mall, im Restaurant, bei einer Feier oder mitten auf der Straße – als sollte die Rührung der Zuschauenden im Film den Zuschauern des Films vormachen, wie sie sich angesichts der Liebeserklärung gefälligst zu fühlen haben. Die Wahrheit der Gefühle bleibt dabei auf der Strecke, es geht nur um die laute Inszenierung.

Dann gibt es auch Liebeserklärungen, denen niemand widerstehen könnte: „Du bist die Erfüllung all meiner Gebete. Du bist ein Lied, ein Traum, ein Flüstern, und ich weiß nicht, wie ich so lange ohne dich habe leben können“, sagt Ryan Gosling zu Rachel McAdams in „Wie ein einziger Tag“. „Ich bin nur ein Mädchen, das vor einem Jungen steht und ihn bittet, es zu lieben“, überzeugte Julia Roberts den von Hugh Grant gespielten Buchhändler in „Notting Hill“ von der Aufrichtigkeit ihrer Gefühle. Und dann ist da noch Mr. Darcy aus „Stolz und Vorurteil“ (2005): „Falls sich Ihre Gefühle jedoch verändert haben sollten, so muss ich Ihnen sagen, dass Sie mich verzaubert haben, voll und ganz, und ich liebe, ich liebe, ich liebe Sie. Und ich wünsche mir, dass uns nie wieder etwas trennt.“


Als Prothese dienen unförmige Stahlklauen

Die schönste Liebeserklärung von allen ist aber jene, die Cathy O’Donnell als Wilma ihrem Freund Homer, dargestellt von Harold Russell, in William Wylers „Die besten Jahre unseres Lebens“ (1946) macht. „The Best Years of Our Lives“, so der Originaltitel, erzählt die Geschichte dreier Veteranen, die nach dem Zweiten Weltkrieg nach Hause zurückkehren und sich nun wieder im Zivilleben zurechtfinden müssen. Das ist schwer, besonders für Homer, der als Matrose auf einem Flugzeugträger beide Hände verloren hat. Als Prothese dienen ihm unförmige Stahlklauen. Er steigt als erstes aus dem Taxi, das die drei Männer nach Hause bringt, und so sehen ihm die beiden anderen (Dana Andrews, Fredric March) dabei zu, wie er auf das weiß gestrichene Heim zugeht und seine Eltern umarmt. Dann läuft Wilma, das Nachbarsmädchen, das er schon so lange kennt, auf ihn zu und umfasst ihn. Doch Homer erwidert die Umarmung nicht. „Alle Achtung vor der Marine – wie sie ihm den Gebrauch der Haken beigebracht haben!“, sagt Dana Andrews. „Sie konnten ihm nicht beibringen, die Arme um sein Mädchen zu legen und ihr Haar zu streicheln“, antwortet Fredric March, während sie weiterfahren. Darin liegt die Tragik Homers begründet: Er hält sich nicht für wert, mit Wilma zusammen zu sein. Er will ihr mit seiner Behinderung nicht zur Last fallen. Deshalb zieht er sich zurück, auch von seiner Familie.

Die Verletzung von Homer macht auch ein neues Verhältnis mit seinem Vater nötig. (© imago images/Everett Collection)
Die Verletzung von Homer macht auch ein neues Verhältnis mit seinem Vater nötig. (© imago images/Everett Collection)

Doch Homer hat die Rechnung ohne Wilma gemacht. Sie hält an ihrer Liebe fest und muss Homer nur noch überzeugen. William Wyler bereitet ihre Liebeserklärung, die eine halbe Stunde vor Ende des Films den Konflikt löst, in zwei vorangehenden Szenen klug vor. Einmal, in der Mitte des Films, besucht sie ihn in der Garage, wo er mit dem Gewehr schießen übt. Sie erinnert ihn an sein Heiratsversprechen, das er vor dem Krieg gegeben hat. Er weist sie darauf hin, dass sich seitdem viel geändert habe. „Ich weiß nur, dass ich dich geliebt habe, als du weggingst, und dass ich dich jetzt liebe. Es mag sich viel geändert haben, nur das nicht.“ Die Unverbrüchlichkeit der Liebe, ihre Reinheit und Beständigkeit wird hier verhandelt. Doch Homer will kein Mitleid. „Ich muss allein damit fertigwerden“, ruft er mehrmals und erschreckt die Nachbarskinder, die am Fenster neugierig dem vermeintlichen Liebesgeflüster gelauscht haben, indem er die Scheibe mit seiner Prothese durchstößt. Ein bitterer Moment. Später zeigt Wyler, wie Homers Vater dem Sohn beim Zubettgehen hilft, in allen Schritten – etwas, was später Wilma wird übernehmen müssen.


„Ich werde dich nie verlassen. Niemals“

Und dann passiert es: Wilma besucht Homer spätabends; sie hat noch Licht in seinem Zimmer gesehen. Sie solle morgen zu Verwandten fahren, um ihren Geliebten zu vergessen. Ob er das auch wolle. Da zeigt Homer Wilma in seinem Zimmer, was es bedeutet, für ihn sorgen zu müssen. Den Hausmantel legt er noch selbst ab, auch die Prothese. Selbständig steigt er in den Pyjama, doch die Knöpfe kann er schon nicht mehr schließen. Wie selbstverständlich übernimmt Wilma das und richtet den Kragen auf. „Ich bin abhängig wie ein Säugling. Nun weißt du nicht, was du sagen sollst.“ Doch wieder hat Homer seine Freundin falsch eingeschätzt. Zur Liebe gehört auch immer die Blindheit, die vor allem die Männer trifft. „Ich weiß, was ich sage“, antwortet Wilma. „Ich liebe dich. Ich werde dich nie verlassen. Niemals.“ Was für eine Liebeserklärung. Sie ist ebenso romantisch wie pragmatisch, ebenso bewegend wie wahrhaftig, ebenso schön wie schlicht, herzzerreißend wie lebensklug. Wie Cathy O’Donnell an die Macht der Worte glaubt und dabei ihren Geliebten freundlich ansieht, ist bewundernswert gespielt. Dann küssen sich Mann und Frau, Wilma deckt Homer zu und wünscht ihm eine gute Nacht. Homer, allein gelassen, weint vor Glück.

Drei Heimkehrer und die Schwierigkeiten der Wiedereingliederung (© imago images/Everett Collection)
Drei Heimkehrer und die Schwierigkeiten der Wiedereingliederung (© imago images/Everett Collection)

„Jede Nacht wird ihn seine Frau zu Bett bringen müssen, und dann werden es ihre Hände sein, die tätig sind, wenn sie miteinander schlafen“, schreibt Robert Warshow in einem harschen Angriff auf den Film. Er kritisiert das Pathos und verurteilt die Untätigkeit des Helden: „Er muss passiv sein, und so kann er passiv sein ohne Schuldgefühl.“ Doch etwas hat Warshow übersehen. Homer ist durchaus fähig, zu handeln und zu lieben. In einer schönen Szene deckt er nachts mit seinen Stahlklauen geschickt seine kleine schlafende Schwester zu. „Eine heilige Geste, die darauf verweist, dass noch im tiefsten Elend die Sorge um einen, den man liebt, eine Herzenssache ist.“ (Norbert Grob) Homer ist endlich heimgekehrt.

Anmerkung: Harold Russell spielt sich in diesem Film ohne vorherige Schauspielerfahrung quasi selbst: Er hatte im Krieg beide Hände verloren. Für seine Leistung wurde er gleich mit zwei „Oscars“ bedacht, als „Bester Nebendarsteller“ und mit einem speziellen „Oscar“ für die Hoffnung und den Mut, den er anderen Veteranen gezeigt habe.


Lesetipp:

Konventionen eines Sternmoments – Die Liebeserklärung im Spielfilm. Von Philipp Brunner. Zürcher Filmstudien #19. Schüren Verlag, Marburg 2008. 240 S., 24,90 EUR. Bezug: in jeder Buchhandlung oder hier.

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