Der Spielfilm von Nate Parker über den Sklavenaufstand von Virginia im August 1831 hat bereits eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Nach seiner höchst erfolgreichen Premiere beim Sundance Festival 2016 galt „The Birth of a Nation“ als Film der Stunde und heißer „Oscar“-Favorit. Bis publik wurde, dass der Regisseur und sein Drehbuch-Co-Autor Jean McGianni Celestin 1999 als College-Studenten der Vergewaltigung einer Kommilitonin beschuldigt wurden. Celestin wurde in erster Instanz zu einer Haftstrafe verurteilt. Er legte Berufung ein, was dazu führte, dass der Prozess unter undurchsichtigen Umständen fallengelassen wurde.
In der US-amerikanischen Öffentlichkeit geriet „The Birth of a Nation“ darüber zum paradoxen Politikum; der zunächst gefeierte Film blieb bei den „Oscars“ gänzlich außen vor. Was wohl eine politische Entscheidung war, die man allerdings auch künstlerisch hätte rechtfertigen können, denn „The Birth of a Nation“ ist ein äußerst gradliniges und mitunter auch triviales Heldenepos, das in bester „Blaxploitation“-Tradition zwischen Kitsch und Gewalt changiert, bis die forcierte Ohnmacht der Sklaven ausgerechnet dann nicht länger zu ertragen ist, als gleich zwei Sklavinnen von Weißen vergewaltigt werden. Einmal als offensichtlicher Gewaltakt, einmal als kalkuliertes Gastgeschenk des Plantagenbesitzers, der damit seine Anpassung an die Verhältnisse signalisiert.
In diese „Antebellum“-Welt, die auch Gegenstand von „12 Years A Slave“
(fd 42 151) und „Django Unchained“
(fd 41 500) war, wird Nat Turner hineingeboren, der früh als etwas Besonderes „entdeckt“ wird. Ähnlich wie der Film später immer spektakulärere Gewaltakte zeigt, findet Turners Kindheit in einer Art Sklaverei-Idylle statt, wo schwarze und weiße Kinder lachend miteinander spielen, bis ihre jeweiligen Mütter zum Abendbrot rufen. Als Turners Vater sich einmal handgreiflich gegen die Willkür von sadistischen Sklavenjägern wehrt, wächst der Junge künftig ohne Vater auf. Er bringt sich selbst das Lesen bei, wird von der tiefgläubigen Ehefrau des Plantagenbesitzers gefördert und wächst zum Mustersklaven heran, der sogar beim Gottesdienst mitwirken darf.
Allerdings sind diese Privilegien nur von kurzer Dauer. Jahre später, der Zeitsprung wird durch eine Kamerafahrt über blühende Baumwollfelder, unterlegt von einem Spiritual, angedeutet, ist Nat ein attraktiver junger Mann, charismatischer Prediger und ein hingebungsvoll Liebender, der die schwer misshandelte Sklavin Cherry freikaufen lässt, um sie selbst zu heiraten. Als die Zeiten härter werden, begründet Nats Besitzer Sam, einstiger Spielkamerad in Kindheitstagen und mittlerweile ein ambivalenter Charakter, ein neues Geschäftsmodell: als „negro preacher“ soll Nat im Bezirk zu den Sklaven sprechen und sie mit den Worten der Bibel dazu anhalten, ihr Schicksal als gottgewollt hinzunehmen. Bei diesen Reisen lernt Nat ganz andere Formen der Sklaverei kennen als diejenige, unter deren Bedingungen er aufwuchs.
Mit dem provokanten Titel „The Birth of a Nation“ macht Parker unmissverständlich klar, dass die USA historisch auf rassistischer und sexistischer Gewalt basieren, was gerne mit religiöser Camouflage übertüncht wird, wobei die Sklavenhalter hier eine ausgesuchte Galerie von degenerierten, ungebildeten und sadistischen Mistkerlen abgeben. Lange Zeit versucht Nat, den Zwiespalt zwischen dem Elend und der Gewalt, die er erfährt, und der frohen Botschaft, die er zu verkünden hat, auszuhalten. Ihm bleibt Zeit für ein weiteres Bibelstudium. Dieses Mal liest Nat den kompletten Text, wobei er viele Stellen findet, die einen Kampf gegen die Unterdrückung legitimieren.
Eine Sonnenfinsternis interpretiert er schließlich als Zeichen Gottes, organisiert einen blutigen Aufstand, der nur 36 Stunden dauert, aber hunderte Opfer fordert, darunter 60 Weiße. Ein paar Wochen später wird Nat hingerichtet, sein Körper geschändet. Sein letzter Blick geht gen Himmel, wo er die Vision eines Engels hat. In einer finalen Montage weist dann eine Träne den Weg in den Sezessionskrieg, als ein Regiment von Afro-Amerikanern – „Glory“
(fd 28 218) von Edward Zwick ist nicht weit – mit Waffengewalt gegen die Sklaverei kämpft – und direkt in den Zuschauerraum feuert.
Die Geschichte von Nat Turner ist bekannt und war für die Black-Power-Bewegung schon einmal von großer Bedeutung, als ein umstrittener Film wie „Addio, Onkel Tom!“
(fd 17 737) Turners Revolte in die Gegenwart verlegte und ein Hohelied auf den bewaffneten Widerstand sang. Ganz so eindeutig ist „The Birth of a Nation“ nicht. Parker zeigt den Zwiespalt seines Protagonisten, der gleichsam Duldung und Widerstand zu predigen weiß. Er zeigt auch ein paar ambivalente weiße Figuren, die ihrerseits gezwungen sind, die Regeln der Sklaverei zu befolgen. Und er konfrontiert die Selbstermächtigung mit der Trauer über die Unerträglichkeit der Verhältnisse, die viel mit religiös unterfütterter Bigotterie zu tun haben.