Eine Lavalampe, in der träge rote Blubber auf- und absteigen; eine Troll-Puppe aus Plastik auf dem Sideboard; die Makramee-Sammlung der Hausherrin im Geheimzimmer: Als der Vampir Barnabas Collins nach rund 200 Jahren aus dem Sarg entkommt, in den man ihn Ende des 18. Jahrhunderts eingesperrt hatte, hat eine Reihe seltsamer Objekte und Sitten Einzug in sein altehrwürdiges Familienanwesen gehalten.
Der Untote sieht sich allerdings nicht nur mit den Geschmacks-Gräueln der 1970er-Jahre konfrontiert, sondern auch mit der traurigen Tatsache, dass es mit seiner Sippschaft, der Familie Collins, in den Jahrhunderten seiner unfreiwilligen Sargruhe stetig bergab gegangen ist: Aus dem reichen Clan, der dem Fischer-Städtchen Collinsport den Namen gab, ist ein Häufchen trauriger Gestalten geworden, das in dem verwahrlosten neogotischen Herrenhaus auf dem Hügel ein Schattendasein führt. Zwar hält die Matriarchin Elizabeth große Stücke auf die Familientradition, gegen die Tatsache, dass die ehrgeizige Unternehmerin Angel längst die Nummer 1 in Collinsport ist und sie wirtschaftlich ausgebootet hat, kann sie aber auch nichts tun. Bis sich Barnabas, gerade auferstanden und mit frischem Bauarbeiter-Blut gestärkt, seiner Nachfahrin zu erkennen gibt und seine Hilfe dabei anbietet, der Familie wieder zu altem Glanz zu verhelfen.
Dabei gibt es ein Hindernis: Angel, hinter der sich niemand anders verbirgt als die Hexe Angelique, die einst Barnabas aus verschmähter Liebe zum Vampir-Dasein verfluchte und dafür sorgte, dass er untot begraben wurde. Auch 200 Jahre später noch ist sie wild entschlossen, Barnabas entweder für sich zu gewinnen oder ihn und alles, was er liebt, zu vernichten.
Funken fliegen dank Eva Green und Johnny Depp dabei kräftig. Der offensichtliche Spaß, mit dem die beiden Stars die Figuren der Kultserie aus den 1960er-Jahren zum Leinwand-Leben erwecken, trägt viel dazu bei, dass Burtons knallig-skurrile Hommage an die Serie bestens unterhält. Allerdings ist „Dark Shadows“ wie auch schon „Alice im Wunderland“ (fd 39 777) und „Sweeney Todd“ (fd 38 582) keiner von Burtons substanzielleren, hintergründigeren Filmen und investiert eher wenig Ehrgeiz in eine originelle Story. Aus den über 1.000 Folgen der alten „Gothic Soap“ mit ihren vielen Figuren und Verwicklungen destillierten die Drehbuchautoren einen eher schlichten Plot, in dessen Zentrum Barnabas’ Versuche stehen, die Familie zu retten und die junge Gouvernante des kleinsten Collins-Sprösslings für sich zu gewinnen. In dieser erkennt der Vampir seine einst von Angelique ermordete große Liebe wieder.
Dies wird ein bisschen dadurch unterlaufen, dass sich Burtons Inszenierung weit mehr für die von Eva Green mit Gusto verkörperte, feurig-glamouröse Hexe interessiert als für die großäugig-fragile Naive, sodass deren „Love Story“ mit dem hüftsteif-hochnäsigen Vampir relativ anämisch bleibt. Die glühende Hassliebe von Hexe und Vampir wird dagegen zum eigentlichen Herzstück des Films. Damit karikiert „Dark Shadows“, ob freiwillig oder unfreiwillig, auch die verklemmte Romantik des derzeitigen Vampir-Hypes à la „Twilight“ – kulminierend in einem köstlichen übernatürlichen Liebesakt, bei dem der widerwillige Barnabas der fleischlichen Versuchung seiner Nemesis nachgibt und die beiden im Rausch der Leidenschaft Angels gesamte Inneneinrichtung inklusive der Glasbausteine in den Wänden demolieren. Solch gelungenen Szenen, die Fülle an schrägen Details in den prachtvollen und anspielungsreichen Sets, Masken und Kostümen sowie der von Danny Elfman und Song-Klassikern wie „Nights in White Satin“, „Superfly“ und „Crocodile Rock“ bestückte Soundtrack sind es denn auch, die den Film liebenswert machen.
Zusammengehalten wird die zwischen Schauerromantik und Disco-Ära wildernde Revue von Johnny Depps Figur, einer herrlichen Fusion von Jonathan Frids Serienheld, Michael Jackson und der melancholisch-freakigen Attitüde der deutschen „Nosferatus“ Schreck und Kinski. Trotz eines ganzen Reigens hochkarätig besetzter Nebenfiguren und Cameo-Auftritten von Alice Cooper und Christopher Lee ist „Dark Shadows“ weniger ein Ensemble-Film, eine Burton-Version der „Royal Tenenbaums“ (fd 35 300), als eine weitere Spielwiese des Gespanns Burton-Depp für die von beiden immer wieder in unterschiedlichsten Gewändern heraufbeschworenen Gestalt des lächerlichen, aber auch tragischen Sonderlings, die hier in Eva Greens Hexe ein „spiegelverkehrtes“ weibliches Gegenstück findet.
Die Verbindung von Horror und Komödie fällt im Vergleich zu „Sleepy Hollow“ (fd 34 116) und „Sweeney Todd“ deutlich humorvoller und harmloser aus – der Travestie-Charakter, der schon in der Serie deutlich anklang, wird hier noch einmal ein gutes Stück forciert. Dabei übertrifft sich Burtons sicher nicht selbst, schafft es aber locker, dem zeitgenössischen Vampir-Kitsch breit lächelnd die Zähne zu zeigen.