- | Österreich/Deutschland/Luxemburg/Polen 2009 | 100 Minuten

Regie: Michael Glawogger

Zwei österreichische Tagediebe reisen nach Polen, um eine Tasche mit mysteriösem Inhalt abzuholen, wobei sie von anderen Ganoven verfolgt und überwacht werden. Als einer Drogen nimmt und andere per „Contact High“, also platonisch, daran teilhaben lässt, entfaltet sich dem Zuschauer ein „hippiesker“ Reigen psychedelisch-schräger Erlebnisse und Begegnungen. Mit stimmig ausgewählter Musik, einem gut aufgelegtem Darsteller-Ensemble und aberwitzig-surrealen Exkursen entwirft der Film ein ästhetisch heterogenes, aber durchweg reizvolles filmisches Pendant zum utopischen Modell des geteilten "High". Dem Österreicher Michael Glawogger gelingt ein cineastisches Abenteuer, das es geradezu darauf anlegt, von den einen geliebt und den anderen gehasst zu werden. - Sehenswert.
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Filmdaten

Originaltitel
CONTACT HIGH
Produktionsland
Österreich/Deutschland/Luxemburg/Polen
Produktionsjahr
2009
Produktionsfirma
Iris Prod./Lotus Film/Ozumi Films/Boje Buck Prod.
Regie
Michael Glawogger
Buch
Michael Glawogger · Michael Ostrowski
Kamera
Attila Boa · Wolfgang Thaler
Schnitt
Monika Willi
Darsteller
Michael Ostrowski (Max Durst) · Raimund Wallisch (Johann "Hans" Wurst) · Detlev Buck (Harry) · Georg Friedrich (Schorsch) · Pia Hierzegger (Mao)
Länge
100 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert.
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Eurovideo (16:9, 2.35:1, DD5.1 dt.)
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Diskussion
„Contact High“ ist ein utopischer Begriff aus der hohen Hippiezeit, der davon spricht, dass man ohne Drogen „high“ werden kann, wenn man jemandem begegnet, der seinerseits psychedelische Drogen genommen hat. Funktioniert natürlich nur bei Empathie und sensibler Aufmerksamkeit fürs Gegenüber, besser noch beim expliziten Gleichklang der Seelen. Deshalb auch die revolutionäre Botschaft der Rockband „Fugs“: „Turn on, tune in, drop out!“ Der Filmemacher Michael Glawogger wurde hierzulande durch spektakuläre (Semi-)Dokumentarfilme wie „Megacities“ (fd 33 726) und „Workingman’s Death“ (37 581) bekannt, hat aber auch eine Reihe nicht minder beeindruckender Spielfilme wie „Nacktschnecken“ (2002) oder „Slumming“ (fd 38 120) gedreht. „Contact High“ ist nun gewissermaßen das Sequel zum famosen „Nacktschnecken“, der es hierzulande nicht in den regulären Verleih schaffte. „Nacktschnecken“ erzählte die groteske Geschichte einer Gruppe von Ex-Studenten und Tagedieben aus Graz, die von einem Drogendealer auf die Idee gebracht werden, es doch bitteschön einmal mit der Porno-Produktion zu versuchen, wenn sie doch eh den lieben langen Tag an wenig Anderes als ans „Pudern“ denken. Einigen der Protagonisten aus „Nacktschnecken“ begegnet man jetzt wieder. Allein, man hat das Gewerbe gewechselt. Worum geht es also in „Contact High“? Die Antwort auf diese Frage ist gar nicht so einfach. Die beiden erfolglosen Imbissbuden-Besitzer Hans Wurst und Max Durst bekommen von ihrer Chefin Mao den Auftrag, eine mysteriöse Tasche aus Polen zu holen. Mao wiederum hatte diesen Auftrag vom Kleinkriminellen Schorschi erhalten, dem sie einen Gefallen schuldet. Schorschi wiederum bekam den Auftrag von Harry, der Kontakt zu Carlos hält, dem Boss of it all, der offenbar in Mexiko sitzt und blinde Albino-Mulatten zu seinen Beratern zählt, die angeblich Schwertfische regnen lassen können (wenn es denn gewünscht wird). Weil aber allgemein bekannt ist, dass Wurst & Durst nur in raren Glücksmomenten einen Durchblick haben, werden sie von den auch nicht gerade intelligenten Gangstern Schorschi und Harry nach Polen verfolgt und dabei manchmal auch überholt. Als Max schließlich Drogen nimmt, kommt es zum besagten Contact High mit relativ vielen anderen Menschen, was den ohnehin schon ausgemacht schönen, schrägen Film vollends aus der Bahn wirft. Es folgt eine atemlose Reihe von Begegnungen der dritten Art: Anthropomorphe Hunde tanzen in der Disco, auf Hendlfarmen kommt es zu psychotischen Massakern, Albinos lächeln auf polnischen Traktoren in sich hinein, mit Trash handelnde Pakistanis werden zu Reisegefährten oder Geiseln, in die man sich vielleicht auch verliebt, Ledertaschen voller Wurst gesellen sich hinzu, polnischen Polizisten wachsen Schweinerüssel, bis man mit Fug und Recht von Polizisten als „Pigs“ sprechen darf, melodramatische Liebesgeschichten werden vom Zaun gebrochen, Züge scheinen rückwärts zu fahren, aber schließlich kann man sich ja auch umsetzen. Wurst und Durst können kein Polnisch, aber vielleicht kommt man in Polen ja auch mit Englisch durch, selbst, wenn einem nicht immer zur rechten Zeit die passenden Worte einfallen und man multilingual, aber mit einem starken Wiener (?) Akzent geradezu rappen muss, zumal, wenn man an der Hotelrezeption auf eine wortkarge Phillipina trifft, die verstört fragt: „Are you the two funny men?“ Michael Ostrowski, Raimund Wallisch, Detlev Buck, Georg Friedrich, Pia Hierzegger und all die anderen Darsteller spielen so „verstrahlt“ und outragiert, wie es sich in einem Film gehört, der vom Contact High nicht nur fabuliert, sondern diesen gewissermaßen in den Kinosaal transportieren will. Einzigartig geschmeidige Dialoge grooven auf unterschiedlichstem Niveau – zwischen Carlos Castaneda, Jerry Rubin und pubertären Cheech & Chong-Witzchen – am Ohr vorbei und verschwinden auf Nimmerwiedersehen durch den Notausgang des Kinos. Je weiter die Reise gen Osten geht, desto kruder und/oder fantastischer gerät die Handlung. Aber es gilt auch umgekehrt: Der Film hält zwar nicht allzu lange das brillante Niveau seines Anfangs, hat aber immer wieder große Momente im Klamauk – wobei auch diese lässige Unbekümmertheit über das Niveau, auf dem man sich amüsieren möchte, Teil bzw. Reflex des Versuchsaufbaus sein könnte. John Carpenter und sein Meisterwerk „Assault – Anschlag bei Nacht“ (fd 21 142) bekommen früh ein kleines Denkmal gesetzt, vielleicht auch, weil „Contact High“ so etwas wie ein ins Positive gewendetes Epidemie-B-Movie geworden ist, das die Dylan-Formel, „Everybody must get stoned“, wortwörtlich nimmt und die befreienden Drogen im Kino an den Mann und die Frau zu bringen versucht. Die Special Effects-Abteilung und auch die Maske hatten jedenfalls alle Hände voll zu tun, um den Trip-Fantasien visuell beizukommen. Jetzt sieht „Contact High“, der auch animierte Elemente lässig in seinen filmischen Diskurs zu integrieren weiß, so aus, als sei er direkt aus den späten 1960er- oder frühen 1970er-Jahren auf die Leinwand gespült worden: eine heterogene Mischung aus „Yellow Submarine“ (fd 33 861), dem Beatles-Videoclip zu „Strawberry Fields Forever“, „Dark Star“ (fd 21 122), „Kottan“ und „Alice im Wunderland“. Die geschmackssicher und kenntnisreich ausgewählte, thematisch passende Musik stammt von Devendra Banhart, Captain Beefheart, Roxy Music, The Sonics, Get Well Soon und Calexico. Für das Wort „Meisterwerk“ ist „Contact High“ vielleicht etwas zu nachlässig und entspannt, aber zum „Kultfilm“ sollte es allemal reichen. Ganz zum Schluss bekommt man dann noch die polnische Polizei-Version dessen präsentiert, warum es einst „Don’t Bogart that joint, my friend!“ hieß, aber so richtig plausibel erscheint sie nicht. War Bogart tatsächlich so asozial, beim Kiffen?
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