Hello Hemingway

- | Kuba 1990 | 90 Minuten

Regie: Fernando Pérez

In der unmittelbaren Nähe von Ernest Hemingways kolonialer Villa auf Kuba versucht eine Heranwachsende, durch das Abitur der Enge ihrer familiären Verhältnisse zu entfliehen, und hofft auf ein Stipendium in Amerika. Gesellschaftlich formiert sich der Widerstand gegen das Batista-Regime im Jahr 1956. Die intensive Schilderung eines Reifeprozesses, in der Privates und Politisches zu einer glaubhaften Einheit verschmilzt. Überzeugend durch die natürlichen Darsteller, liebevoll gezeichnete Nebenfiguren und die Schilderung der familiären Situation zwischen Tragik und Galgenhumor. (O.m.d.U.) - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
HELLO HEMINGWAY
Produktionsland
Kuba
Produktionsjahr
1990
Produktionsfirma
ICAIC
Regie
Fernando Pérez
Buch
Mayda Royero
Kamera
Julio Valdés
Musik
Edesio Alejandro
Schnitt
Jorge Abello
Darsteller
Laura de la Uz (Larita) · Raúl Paz (Victor) · Herminia Sánchez (Josefa) · José Antonio Rodríguez (Viejo Tomás) · Marta del Rio
Länge
90 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
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Diskussion
Am Anfang ist es wie ein tropisches Märchen: Zwei Mädchen tummeln sich ausgelassen im Swimming Pool eines tropischen Gartens. Durch den Schleier feiner Wassertropfen bildet das Sonnenlicht einen Regenbogen, und hinter den Fenstern schaut Ernest Hemingway auf die beiden Mädchen, die mit weißen, durchnäßten Kleidern lachend durch den Park seiner kolonialen Villa tollen. Die beiden Heranwachsenden sehen ihn, stürzen lachend fort. Hinter dem Zaun beginnt eine andere Welt. 1956, San Francisco de Paula, unweit von Havanna. Kuba, drei Jahre vor der Revolution. Hilaria und ihre Cousine leben mit ihrer großen Familie in einem kleinen Haus direkt neben La Vigia, dem kubanischen Domizil Hemingways. Hilaria, Larita genannt, ist die einzige ihrer Familie, die Abitur machen wird; sie will hinaus aus der Enge der familiären Verhältnisse, will Kuba verlassen und bewirbt sich um eines der begehrten High-School-Stipendien der amerikanischen Botschaft. In der literarischen Welt Hemingways hat Larita eine poetische Gegenwelt gefunden, besonders in der Geschichte vom alten Fischer, der den größten Fang seines Lebens macht, um ihn dann Stück für Stück an die Haifische zu verlieren. Während Larita die Träume von Nordamerika ihrem Tagebuch anvertraut, entwickelt sich an ihrer Schule der politsche Widerstand gegen das Batista-Regime, deutet sich der gesellschaftliche Umbruch selbst in der homogenen Welt ihrer Familie an.

Fernando Pérez hat häufig die Situation und die Träume von Mädchen am Anfang ihres Erwachsenseins ins Zentrum seiner Filme gestellt; bekanntestes Beispiel dafür ist "Madagaskar" (1994). "Hello Hemingway" bezieht sich im Gegensatz zu "Madagaskar" nicht auf die Realität des sozialistischen Kubas. Pérez hat die Geschichte seiner Protagonistin in die Zeit vor der Revolution gelegt, aber ähnlich wie die jugendliche Protagonistin in "Madagaskar" erträumt sich Larita eine andere Insel, eine andere Zukunft. "Hello Hemingway" entstand auch vor dem innenpolitischen Hintergrund der massiven Auswanderungswelle in die USA, und der Film kontrastiert zwei Formen des .American way of life": die Literatur und die Selektionsrituale der US-Botschaft für das Stipendium, in der Kubanerinnen aus einem sozialen Milieu wie Larita von vornherein keine Chancen haben. Im Gegensatz zu der scharfen Satire, zur fast grotesken Schilderung des kubanischen Alltags, die Kennzeichen für andere kubanische Filmemacher seiner Generation sind, etwa Juan Carlos Tabío und Daniel Diaz Torres, ist Pérez ruhiger, stärker auf Zwischentöne bedacht. "Hello Hemingway" zeigt die Entwicklung, die unterschiedlichen Lebensbereiche Laritas auf sehr einfühlsame Weise. Die Bücher: Das geheimnisvolle, verstaubte Antiquariat - ein Traumland jenseits von Raum und Zeit, die Zitate aus "Der alte Mann und das Meer", ihr Tagebuch und der Nachbar Hemingway, unsichtbar, fern wie eine Märchenfigur. Die Schule: Die erste Liebe, der Kampf der Schüler um Mitbestimmung, der sich immer mehr zu einem politischen Protest gegen das Batista-Regime ausweitet, dem sich Larita zunächst trotzig verweigert. Die Familie: Der Konflikt mit der Mutter und dem Onkel, die enge, aber lebhafte Atmosphäre; und die Vorbereitung auf die Stipendiumsauswahl, bei der sie als Angehörige der Unterschicht von Anfang an ein Fremdkörper ist. Die Atmosphäre ist fremd, kalt, bis zu einem gewissen Maße heuchlerisch - auch hier erliegt Pérez nicht der Versuchung einer karikaturhaften Überzeichnung der Situation.

Die Stärke des Films liegt in der natürlichen Darstellung seiner Protagonisten, der familiären Situation zwischen Tragik und Galgenhumor, in der einfühlsamen Konstruktion der Momente sowie der liebenswerten Zeichnung der Nebenfiguren. Leider unterstreicht Peréz zu häufig die poetischen Momente mit einer redundanten, überbetonenden Musik, wie sie aus manchen lateinamerikanischen telenovelas bekannt ist. Das schmälert die subtile Wirkung vieler Momente. Nichtsdestotrotz zeigt "Hello Hemingway" intensiv einen Reifeprozeß ohne falsches Happy-End. Larita kämpft und scheitert wie der alte Mann und das Meer. Doch erst als sie den Schluß des Romans nicht mehr als Niederlage begreift, hat sie durch ihr Scheitern gewonnen. Sie ist erwachsener, selbständiger geworden, akzeptiert ihre Situation, ohne zu resignieren. Kein Happy-End, und wenn am Ende der Nachbar Hemingway freundlich über den Zaun winkt, hat diese Geste für sie an Bedeutung verloren, sie hat die Träume ihrer Mädchenzeit überwunden und in Selbstbewußtsein umgewandelt.
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