Ausgehend von den ethnischen Konflikten auf dem Balkan, werden drei in Albanien, England und Mazedonien angesiedelte Episoden zu einer blutigen Tragödie um einen Kriegsberichterstatter verbunden. Zwar sichtlich konstruiert und gelegentlich unsicher in der Dosierung der Effekte, bezieht der dennoch bemerkenswerte Erstlingsfilm eindeutig Stellung gegen Gewalt als Mittel der Konfliktlösung. Er zeugt ebenso vom erzählerischen wie vom inszenatorischen Talent seines jungen Regisseurs. (O.m.d.U.)
- Sehenswert.
Vor dem Regen
Drama | Großbritannien/Frankreich/Mazedonien 1994 | 113 Minuten
Regie: Milcho Manchevski
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Filmdaten
- Originaltitel
- BEFORE THE RAIN
- Produktionsland
- Großbritannien/Frankreich/Mazedonien
- Produktionsjahr
- 1994
- Produktionsfirma
- Ami/Noé/Vardar
- Regie
- Milcho Manchevski
- Buch
- Milcho Manchevski
- Kamera
- Manuel Teran
- Musik
- Anastasia
- Schnitt
- Nicolas Gaster
- Darsteller
- Katrin Cartlidge (Anne) · Rade Serbedzija (Aleksander) · Grégoire Colin (Kiril) · Labina Mitevska (Zamira) · Jay Villiers (Nick)
- Länge
- 113 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert.
- Genre
- Drama
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Diskussion
"Krieg ist, wenn der Bruder den Bruder tötet", hieß es sinngemäß übereinstimmend in den beiden großen Filmen des diesjährigen Filmfestivals in Cannes, Emir Kusturicas "Underground" und "Der Blick des Odysseus" von Theo Angelopoulos. Sowohl der Bosnier als auch der Grieche haben die Konflikte auf dem Balkan ins Zentrum ihrer bildmächtigen Filme gerückt und auf sehr unterschiedliche Weise versucht, die Kriegsursachen zu analysieren und Friedensperspektiven aufzuzeigen. Bereits 1994 stellte der in Skopje geborene junge Amerikaner Milcho Manchevski in Venedig sein thematisch vergleichbar gelagertes Regiedebüt "Vor dem Regen" vor und erhielt dafür (ex aequo) den "Goldenen Löwen". Auch sein Film befaßt sich mit der "grenzenlosen" Tragödie auf dem Balkan, exemplarisch dargestellt am Schicksal zweier Menschen, die durch die Hand ihrer nächsten Angehörigen fallen. Da ist zunächst das Mädchen Zamira, eine moslemische Albanerin, die gegen die strengen Regeln ihrer Familie aufbegehrt und sich vor den Nachstellungen ihrer Verwandten in ein orthodoxes Kloster auf mazedonischem Boden flüchtet. Zum anderen geht es um den Fotografen Aleksander, einen preisgekrönten Kriegsberichterstatter, der in Bosnien fahrlässig "mit der Kamera getötet" hat und sich aus seinem zwiespältigen Beruf nun in sein mazedonisches Heimatdorf zurückzieht. Hier begegnet er der jungen Zamira und bezahlt den Versuch, sie vor seinem rachsüchtigen Vetter zu schützen mit seinem Leben. Dritte Hauptperson der tragischen (Liebes-)Geschichte, als Rondo angelegt und in drei durch die Charaktere und Ereignisse verbundenen Episoden erzählt, ist die Engländerin Anne. Sie hat Aleksander m ihrer Londoner Bildagentur kennen- und liebengelernt, kann sich jedoch nicht zwischen dem impulsiven Fotografen und ihrem zögerlichen Ehemann entscheiden, was letztlich beiden zum Verhängnis wird.Der auf mehreren Ebenen formulierte Appell des Films an den Betrachter, Partei zu ergreifen und Stellung zu beziehen, wird noch an einer vierten Figur verdeutlicht, mit der die Geschichte beginnt und endet: Der junge Mönch Kiril, der Zamira in seiner Klosterzelle versteckt, handelt "unbegründet" menschlich - ohne Kenntnis der Zusammenhänge oder der persönlichen Schuld der Beteiligten tut er das Richtige aus Intuition und stellt sich schützend vor die Verfolgte, obwohl er weiß, daß seine Entscheidung ihn Opfer kosten wird. Über weite Strecken ist Manchevskis Erstling gelungen: die Charakterisierung der Personen und der Verhältnisse, unter denen sie leben, ist überzeugend und glaubwürdig, und auch die formale Anlage der Erzählung als (nicht ganz runder) Kreis ist interessant und originell. Störend macht sich nur gelegentlich der ästhetisch-technische Hintergrund des jungen Filmemachers bemerkbar. Manchevski hat seine bisherige Regieerfahrung bei der Herstellung von Videoclips für die Musikindustrie gemacht, und das sieht man seiner Arbeit hin und wieder an der(Über-)Dosierung der Effekte an. Dennoch ist das erzählerische und inszenatorische Talent Manchevskis, auch für die große Leinwand, offensichtlich.
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