Herzog Ernst

Kinderfilm | Deutschland 1993 | 45 Minuten

Regie: Lutz Dammbeck

Die mittelalterliche Legende eines Ritters, der vom Kaiser in die Ferne getrieben wird, um einen sagenumwobenen Karfunkelstein zu holen. Er findet nicht nur exotische Welten und Wesen, sondern auch neue Ideale. Ein sorgfältig komponierter poetischer Zeichentrickfilm über das Ende des Ritterstandes und die utopische Hoffnung auf eine tolerantere Welt der Friedfertigkeit und Fantasie. Aus der kindgerechten, schlichten Fabel entwickelt sich mit fantasiereichen Bildern großes Welttheater, das ebenso amüsiert wie nachdenklich stimmt und belehrt. (Im Vorprogramm wird der Zeichentrickfilm "Als die Igel größer wurden" von Franz Winzentsen eingesetzt.) - Sehenswert ab 8.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
1993
Produktionsfirma
Lutz Dammbeck Filmprod./La Sept/arte/WDR
Regie
Lutz Dammbeck
Buch
Lutz Dammbeck
Kamera
Ernst Hammes · Katrin Magnitz
Musik
Manfred Schoof · J.U. Lensing
Schnitt
Margot Neubert-Maric
Länge
45 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 8.
Genre
Kinderfilm | Zeichentrick | Literaturverfilmung
Externe Links
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Diskussion
Herzog Ernst will ein guter Ritter werden, aber, so erklärt es der Erzähler der Geschichte, die Zeiten dafür sind nicht günstig. Es gibt viel zu viele Ritter und zu wenig Land, und die einst so glorreichen Vertreter des ritterlichen Standes warten träge und müde auf ein Zeichen, das sie aufbrechen läßt, um den sagenhaften Karfunkel-Zauberstein zu suchen. Für Ernst wird alles noch schlimmer, als sich der Kaiser in den Besitz seiner Burg bringen will und eine Intrige anzettelt. So landet der kleine Herzog im Kerker und vor dem Kaiser. der ihm zwar das Leben schenkt, ihn aber in die Ferne schickt, um endlich den Karfunkelstein zu bringen. Gemeinsam mit anderen Rittern zieht er übers Meer, durch Wüsten und bizarre Landschaften, wobei die Strapazen vielen Rittern das Leben kosten. Im Kampf gegen das mystische Kranich-Volk der Agrippiner, freundlich-gebildete Wesen mit Vogelkörper und menschlichem Kopf, schlägt sich Ernst auf die Seite ihrer ihn faszinierenden Prinzessin. Sie begleitet ihn auf den weiteren Stationen zum Reich des Kalifen, wobei sie neue Freunde finden, Prüfungen bestehen und gegen Ernsts eigene Standesgenossen antreten müssen. Herzog Ernst aber bleibt erfolgreich, um mit jedem neuen Freund, mit jeder Begegnung mit fremden und fantastischen Eindrücken immer mehr von seinem ritterlichen Eisenpanzer zu verlieren: und im Gegensatz zu den anderen Rittern, die nur noch aus der metallenen Hülle bestehen, wird hinter Ernsts Panzer der Mensch sichtbar.

Frei nach der Sage "Die Geschichte vom Herzog Ernst in Schwaben" aus dem 12. Jahrhundert erzählt Lutz Dammbeck in Form eines poetischen Zeichentrickfilms vom Ende einer Epoche und von der utopischen Hoffnung auf ein neues, ebenso friedfertiges wie fantasiereiches Zeitalter. In liebe- und mühevoller, sehr langwieriger Arbeit entstand eine aus 19 000 Einzelzeichnungen animierte eigentümlich-bizarre Welt, die vom Mittelalter erzählt, dabei stets aber modern und aktuell ist. Da sind die wortwörtlich leeren Ritter, die mit den Helmen auch gleich ihre Köpfe abzunehmen scheinen, sich regelrecht in ihren Rüstungen verstecken, um die epochale Ausweglosigkeit ihres überlebten Daseins zu verbergen: und da sind die vielen wundersamen Wesen des Orients- für die Daheimbleibenden, die in irrationaler Wundergläubigkeit auf Erlösung hoffen, bleiben sie ferne Exoten, für den reisenden Herzog Ernst, einen frühen Aussteiger, der sich dem Fremden öffnet, es akzeptiert und dadurch einen neuen Sinn für sein Dasein findet, sind sie abenteuerliche Entdeckungen. Man könnte große Worte für die Fabel finden, die von Irrationalismus und Mystizismus auf der einen, von interkultureller Begegnung, Toleranz und Akzeptanz auf der anderen Seite handelt; man kann sich aber auch eines solch interpretatorischen Balasts (zumindest vorübergehend) entledigen und in die wundersamen Bilderwelten eintauchen, die eigenwillig, hier und da Stilmittel aus verschiedenen Epochen der Kunstgeschichte zitierend, einen faszinierenden Kosmos bilden. Unspektakulär und sanft trägt Wolf-Dietrich Sprenger die Erzählung vor, die manchmal melancholisch, dann wieder fantasiereich und versponnen, gelegentlich auch von subversiver Komik unterwandert ist. Faszinierend daran ist vor allem auch, mit welch kindernaher (und kindertauglicher) Schlichtheit sich die kleine Fabel fürs große Welttheater eignet, wie sie amüsiert, erklärt und zugleich unaufdringlich belehrt.
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