If I Had Legs I'd Kick You

Romain Antony | 25.02.2025

"If I Had Legs I'd Kick You" (2025) von Mary Bronstein Den nächste Film, nach Marielle, den wir im Anschluss und nach einer kurzen Pause gesehen haben, fanden wir bemerkenswert. In eindrucksvollen, über einen hinein brechenden Bildern, jagt im Leben der Psychotherapeutin Linda (Rose Byrne - hervorragend) eine Katastrophe die andere. Ihre Tochter ist an einer Essstörung erkrankt, wird über einen Schlauch künstlich ernährt, muss an Gewicht zulegen, was das Behandlungsteam als Aufgabe der Mutter ansieht. Der Vater ist berufsbedingt abwesend, meldet sich, Linda Druck machend, per Telefon. Linda muss alles selbst regeln. Mit erschreckendem Knall fällt ein großes Stück der Zimmerdecke herunter, alles steht in der Wohnung unter Wasser, Mutter und Tochter müssen ins Hotel umziehen. Weitere kleinere Umstände und die Belastung durch ihre psychotischen und neurotischen PatientInnen will ich nicht weiter im Detail aufzählen, die Linda zur Verzweiflung und an den Rand des Burnout bringen. Die Kamera ist dabei meist auf ihr Gesicht gerichtet. Man sieht dabei meist Detailaufnahmen ihres Gesichtes, die Antagonisten sprechen aus dem Off. Auch ihre Tochter sieht man nicht, hört ihre meist ängstliche, fordernde, fragende Stimme, auf die Linda beruhigend einwirken will, wobei sie meist gleichzeitig eine andere Aufgabe zu erlegen hat. Unterstützung hat Linda keine. Auch der psychoanalytische Kollege hilft nicht weiter. Durch fehlende Erfolge bei der Gewichtszunahme, die man Linda als elterliches Versagen anlastet, ist die finanzielle Unterstützung der Behandlung gefährdet. Wir Zuschauenden fragen uns, ob wir vielleicht helfen könnten, grübeln, denken mit ob es eine zündende Idee gäbe, um das Chaos zu beenden. Hiob, Sisyphos, Mission impossible!! Der Film ist eine Hommage an alle Mütter, alle Alleinerziehenden, die unter meist ungünstigen Alltagsbedingungen, zwischen beruflichem Broterwerb, meist schwieriger institutioneller Kinderbetreuung, die Versorgung und Erziehung ihres oder ihrer Kinder gewährleisten müssen. Mütter fühlen sich verantwortlich, Mütter geben sich die Schuld, wenn es hakt, wenn etwas nicht funktioniert, Mütter betrachten sich als Rabenmütter, wenn sie sich mal kurz eine Auszeit nehmen - denn gerade dann passiert - wie im Film - oft wieder eine Katastrophe. An Unterstützung durch Institutionen, Umgebung, Partner fehlt es oft, sofern man nicht gerade das Glück hat, helfende Großeltern oder eine gute Freundin zu haben. Ein weiteres Thema des Films besteht darin, dass der Film uns mitnimmt in die Welt der Verrückten, der Problembelasteten. Mit Linda kämpfen wir uns durch den psychischen Müll, der ihr und uns als Zuschauenden aufgebürdet wird. Wir identifizieren uns mit ihren Problemen. Vielleicht gewinnen wir dabei die Überzeugung, dass wir in der Welt außerhalb des Films, des Kinos, mehr Unterstützung leisten sollten, jeder, jede in ihrem Bereich. Der Film, eine sehenswert Mischung aus sanftem Horror und gemäßigtem Psychotrip, erzählt seine Geschichte vielleicht etwas zu lang durch Wiederholungen von Szenen, die man bereits kennt und durch zahlreiche Ortswechsel, die den Rhythmus und Fluss des ansonsten flotten Films abbremsen. Rose Byrne verdient einen Bären! Ebenso Ethan Hawke für seine Darstellung in "Blue Moon", dazu später. Aber leider gibt es bei der Berlinale Preisverteilung nur noch einen DarstellerInnenpreis, wo eigentlich mehrere hingehörten. cf. auch den Filmblog unter: www.filmekommentieren.wordpress.com u.a. mit dem Berlinale Tagebuch 2025