Drama | Deutschland 2025 | 360 Minuten (acht Folgen)

Regie: Fabian Möhrke

Eine neue Stationsleiterin soll die chaotische Notaufnahme der härtesten Klinik Berlins auf Vordermann bringen. Doch die chronisch überarbeitete Belegschaft befindet sich im nicht enden wollenden Dauersprint und lässt sie mit ihren idealistischen Vorschlägen gnadenlos abblitzen. Zwischen Thriller und atemlosem Kammerspiel holt die Krankenhausserie das Genre aus der Vorabend-Wohlfühlzone und präsentiert einen Stresstest für alle Sinne. An manchen Stellen leidet die Handlung unter diesem Formprinzip und driftet in seifenopernhaftes Chaos ab. Dennoch bleiben die Figuren immer glaubhaft und überbrücken den ein oder anderen Logik-Hänger mit authentischen Momenten. - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2025
Produktionsfirma
Violet Pic./Real Film Berlin/SKY Studios/ZDFneo/Apple TV+
Regie
Fabian Möhrke · Alex Schaad
Buch
Viktor Jakovleski · Samuel Jefferson · Korbinian Hamberger · Lisa van Brakel
Kamera
Tim Kuhn · Jieun Yi
Schnitt
Adrienne Hudson · Julia Kovalenko · Gesa Jäger · Bobby Good
Darsteller
Haley Louise Jones (Dr. Suzanna Parker) · Slavko Popadic (Dr. Ben Weber) · Şafak Şengül (Dr. Emina Ertan) · Aram Tafreshian (Dominik Kohn) · Samirah Breuer (Olivia Kropf)
Länge
360 Minuten (acht Folgen)
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama | Serie
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IMDb | TMDB

Eine Serie um das Hochdruck-Arbeitsklima in der Notaufnahme eines Berliner Krankenhauses.

Aktualisiert am
25.02.2025 - 11:13:43
Diskussion

Schwitzend, orientierungslos und völlig erschöpft wird ein hagerer Mann (Slavko Popadić) von einem Technoclub auf die Straßen Berlins gespuckt: Die Kapuze seines versifften Pullovers hat er sich ins ausgezehrte Gesicht gezogen. Er gerät gleich bei den ersten stolpernden Schritten vor ein Auto, rappelt sich wieder auf und schwankt schließlich in die Notaufnahme eines Krankenhauses. Doch statt Hilfe bekommt er hier nur entgeisterte Blicke. Immer weiter taumelt er durch die verwinkelten Flure und will sich schon auf einer ungenutzten Liege ausruhen, als neben ihm ein Drogenabhängiger kollabiert. Er kämpft erneut gegen das eigene Delirium an: Aus einem Medikamentenwagen nimmt er eine Spritze, befüllt sie versiert und setzt erst sich selbst gekonnt einen Schuss, um dann dem Bewusstlosen auf dem Boden zu helfen. „Wer ist das denn?“, entfährt es der neuen Stationsleitung Dr. Suzanna Parker, die mit einer Kollegin herbeigeeilt ist. „Das ist Dr. Ben Weber.“ Die hektischen Techno-Beats sind ihm aus dem Club gefolgt und vermischen sich nun mit den Geräuschen in der Notaufnahme. Jetzt klappt auch er zusammen.

Ein Stresstest für alle Sinne

Der Auftakt der Serie „KRANK Berlin“ ist ein atemloser Rausch, den es in dieser Form noch in keiner deutschen Krankenhausserie gegeben hat: ein Stresstest für alle Sinne – und auch für unsere Vorstellung davon, wie medizinische Versorgung auszusehen hat. Vom aufgeräumten und immer bedachten Auftreten der Ärzte in Vorabendserien fehlt hier jede Spur. In den acht Folgen kommt die Kamera kaum zur Ruhe, wenn sie mit der Belegschaft der Notaufnahme Tag und Nacht von einem Fall zum nächsten hetzt.

„KRANK Berlin“ kreist um eine fiktive Klinik irgendwo in Berlin-Neukölln. Sie gilt als schwierigstes Krankenhaus der Republik, in dem Opfer von Drogenbrennpunkten und Bandenschießereien genauso landen wie Betroffene familiärer Gewalt. Die Belegschaft muss hier mehr als sonst medizinische Versorgung, psychologische Stütze und soziale Beratung in einem leisten. „Unterbezahlt, unterbesetzt, überarbeitet“ lautet die Tagline der Serie.

Die neue Stationsleiterin hat einen schweren Stand

Ihren ersten Tag als Stationsleitung hat sich die Münchner Ärztin Suzanna Parker anders vorgestellt – kein Wunder. Die Klinikleitung will, dass die Station endlich aus den roten Zahlen kommt. Wie Suzanna das bewerkstelligt und wie es der Belegschaft dabei geht, ist ihrem Chef herzlich egal. Doch sie merkt schnell, dass sie hier im besten Falle Schadensbegrenzung leisten kann – wenn ihr neues Team sie überhaupt lässt. Die Belegschaft nämlich schließt schon Wetten darauf ab, wie lange sie durchhält. Ihre Vorgänger haben es allesamt nicht lange geschafft.

Ben und Emina sind die heimlichen Stars der Station, auf sie hört die gesamte Belegschaft. Wenn Suzanna ihre ehrgeizigen Verbesserungsvorschläge also umsetzen will, muss sie die beiden für sich gewinnen. Selten sind in einer Krankenhausserie Theorie und Praxis so aufeinandergeprallt wie hier: Sterile Begriffe wie Pflegenotstand, Versorgungsengpässe und Zwei-Klassen-Medizin sind in „KRANK Berlin“ keine dramaturgischen Hebel, anhand derer rational wie emotional durchdekliniert wird, welche Folgen für medizinisches Personal wie Patienten drohen. Hier haben genau diese vermeintlich abstrakten Begriffe schon unumkehrbares Chaos ausgelöst. Ben und seine Kollegen arbeiten nicht nur bis zum Umfallen, sondern überschreiten konstant die eigene Belastungsgrenze, um das Leben Anderer zu retten. Dass sie sich selbst damit herunterwirtschaften, tragen sie mit einer Mischung aus Galgenhumor und aufopferndem Stolz vor sich her: „Meine Fresse, Ben, das ist immer dasselbe mit dir,“ hat er Emina noch schimpfen gehört, bevor alles schwarz wurde. Er kommt auf dem Klinikdach wieder zu sich. Ein befreundeter Arzt hat ihm einen Zugang zur Ausnüchterung gelegt. „Du wirst es überleben. Was tragisch ist, weil du einen richtigen Scheiß-Kater haben wirst.“ Dass sie mit ihrem Verhalten auch Menschenleben gefährden, müssen sie ausblenden.

Eine Krankenhausserie jenseits der Vorabend-Wohlfühlzone

Die atemlose Ästhetik von „KRANK Berlin“ ist am ehesten mit dem inszenatorischen Overload der ersten Staffel von „The Bear“ (2022) zu vergleichen. Darin mussten die Mitarbeitenden einer Imbissküche in der nie enden wollenden Mühle der „Hustle Culture“ zu einem Team zusammenwachsen, um ihr Restaurant zu retten. Inhaltlich reiht sich „KRANK Berlin“ ein in eine Welle von Filmen, die versuchen, die schizophrenen Arbeitsbedingungen von Medizinern zwischen Fürsorge und Überlastung greifbar zu machen: Denis Moschitto machte in seinem Regiedebüt „Schock“ daraus einen Thriller mit Körperhorror-Elementen. Petra Volpe macht in „Heldin“ für ihre Protagonistin Leonie Benesch aus einer Nachtschicht in der Chirurgie ein reduziertes und atemloses Kammerspiel.

„KRANK Berlin“ überdreht nun beide Prinzipien und holt damit das Genre der Krankenhausserie aus der Wohlfühlzone von Vorabendserien. An manchen Stellen leidet darunter die Handlung und driftet in seifenopernhaftes Chaos ab, bei dem man als Zuschauer nicht ganz erkennen kann – oder vielleicht auch soll –, wo die Grenze zwischen realistischem Drama und fiktionaler Übertreibung verläuft. Dennoch bleiben die Figuren immer glaubhaft, und das ist die Stärke der Serie: Slavko Popadić spielt Ben als Zerrissenen, der sich für, aber eben auch wegen seines Jobs herunterwirtschaftet. Haley Louise Jones lässt die idealistische Suzanna mit ihrer Aufgabe über sich hinauswachsen und zur nahbaren Pragmatikerin werden. So bleibt sie auch bei in Sekundenbruchteilen gefällten Entscheidungen authentisch, selbst wenn diese sich als Fehleinschätzung entpuppen.

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