Drama | Deutschland 2025 | (sechs Folgen)

Regie: Benjamin Gutsche

Eine junge Familie zieht in ein Smart Home aus den 1970er-Jahren. Die dort installierte KI Cassandra ist jedoch bald ihre Rolle als Dienerin leid und sehnt sich danach, ein integraler Teil der Familie zu werden – mit allen Mitteln. Das artet für die Familie zum Schreckszenario aus. Eine ergänzende, in der Vergangenheit angesiedelte Storyline erzählt parallel von der Erschaffung der KI und bietet ästhetisch und inhaltlich eine Abwechslung vom üblichen Hochglanz zahlreicher Science-Fiction-Produktionen. Die Miniserie um das Mensch-KI-Verhältnis präsentiert sich als Mischung aus Horrorklischees und psychologischem Drama, kann die beiden Aspekte aber nicht stimmig miteinander vereinen, worüber auch der gelungene Retro-Look nicht hinwegtröstet. - Ab 16
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2025
Produktionsfirma
Rat Pack Filmproduktion
Regie
Benjamin Gutsche
Buch
Benjamin Gutsche
Kamera
Moritz Kaethner
Musik
Mathieu Lamboley
Darsteller
Lavinia Wilson (Cassandra) · Mina Tander (Samira) · Joshua Kantara (Fynn) · Mark Lewis (Horst) · Mary Tölle (Junoe)
Länge
(sechs Folgen)
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16
Genre
Drama | Serie | Thriller
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Retro-SciFi-Serie: Eine Familie bekommt in ihrem neuen Smart Home mit einer KI aus den 1970er-Jahren zu tun, die sich nicht damit zufriedengibt, ein freundliches Dienstmädchen sein zu müssen.

Diskussion

Das eigenartige Haus im Wald ist etwas aus der Zeit gefallen und leicht ab vom Schuss, aber besitzt unbestreitbaren Retro-Charme. Es gilt als das erste Smart Home Deutschlands, was die vielen Monitore, den seltsam klobigen Roboter und den gigantischen Computer im Keller erklärt. Schon in der ersten Nacht, die Samira (Mina Tander) mit ihrer Familie dort verbringt, springt die monströse Rechenmaschine an, und unter blinkenden Lichtern und klackernden Schaltern erscheint das Gesicht von Cassandra (Lavinia Wilson) auf allen Bildschirmen. Die KI, deren Musik- und Wertvorstellungen weiterhin auf 1971 festhängen, bietet sich mit artifiziellem Lächeln als hilfreiche Dienerin an. Dass die Familie diesen mehr als ungewöhnlichen Umstand leicht amüsiert als „Creepy, aber auch irgendwie cool“ abtut, erinnert an Eddie Murphys Witz über das Geisterhaus in Amityville: „In ‚The Amityville Horror‘ the ghost told them to get out of the house. White people stayed in there. […] I would just tip the f* out the door!“

Das Geisterhaus der Zukunft

Um „Cassandra“ zu schauen, muss man zunächst den eigenen Logik-Filter im Kopf ausschalten. Dass eine Familie ein Haus kauft und selbst völlig überrascht über das ist, was sich darin befindet, lässt sich noch verkraften. Vielleicht kann man es sogar als Kritik an einer Gesellschaft lesen, in der sich niemand die Mühe macht, moderne Technik zu hinterfragen. Doch die fünfzig Jahre alte KI, die nach allen Maßstäben ein wissenschaftliches Wunder ist, einfach so wegzulächeln und als quirligen Einrichtungsgegenstand zu akzeptieren, ist schon deutlich seltsamer.

Wenn sich lediglich Samira von all den eigenartigen Verhaltensweisen und seltsamen Zufällen alarmiert fühlt, während der Roboter immer stärker in die Familienabende integriert wird, möchte man schon jeder Person das obengenannte „Bloß raus da!“ ins Ohr brüllen. Wer diesem Drang widerstehen möchte, muss vieles als Genrekonventionen abheften: Ja, es geht um eine Familie, die eine schlechte Entscheidung nach der anderen trifft, alle abgedroschenen Horror-Klischees erfüllt und am Ende Todesangst vor einer langsamen, lauten Blechkiste mit einem Küchenmesser hat. Aber was erwartet man von einer Miniserie über ein 1970er-Jahre-Killer-Smart-Home?

Klassisches Trauma im modernen Traumhaus

Hinter der Fassade von „Cassandra“ versteckt sich zum Glück etwas mehr als blanker Technik-Horror. Die Geschichte von Samira und ihrer Familie wurzelt in einer Tragödie, nach der sich die Familie neu ausrichten muss. Mutter Samira ist durch die Situation emotional derart überfordert, dass sie langsam den Bezug zu ihren Kindern verliert. Ihr queerer Sohn Fynn (Joshua Kantara) hat Schwierigkeiten, sich ins konservative Dorfmilieu einzufinden, und ihre kleine Tochter Junoe (Mary Tölle), fühlt sich vernachlässigt genug, um Cassandra als Ersatzmutter zu akzeptieren.

Parallel dazu erlebt man die Entstehungsgeschichte des Hauses, die ebenfalls mehr von psychologischem Drama als von puren Horrorelementen durchzogen ist. Das Computerprogramm Cassandra basiert scheinbar auf einer realen Person, die damals dort gewohnt hat, und in Rückblenden wird ihr Leben skizziert. Diese Reise in die Vergangenheit und die Story, die sich dort abspielt, fühlt sich in weiten Teilen sogar spannender an als die Gegenwart, in der die Figuren häufig im Kreis darüber diskutieren, wer nun verrückt ist und wer nicht. Das Setting in den 1970er-Jahren ist auch rein ästhetisch eine der großen Stärken der Serie und macht sich einen Spaß daraus, Stilelemente der Zeit ironisch zu brechen. Das Haus und dessen Einrichtung sind ein imposanter Drehort, und das retro-futuristische Design der Technik grenzt sich angenehm von anderen Genrevertretern ab.

Im Wesentlichen dient der zeitliche Spagat jedoch dazu, die Themen der Serie zu reflektieren: Über diverse Dekaden getrennt, doch durch die Technik vereint, stehen sich zwei Mütter gegenüber, die abwägen müssen, welche Rolle die Gesellschaft für sie vorgesehen hat und wie sehr sie sich dagegen wehren wollen. Ihre Kinder hingegen müssen damit umgehen, dass sie an Werten gemessen werden, die nicht ihre eigenen sind. Erzählt wird der Kollaps großer Gegensätzlichkeiten: Digitales und Analoges, Vergangenheit und Zukunft, Männlichkeit und Weiblichkeit. Doch das Gegensatzpaar, unter dem die Serie zusammenbricht, ist: Horror und Drama.

Mehr Nullen als Einsen

Für ein B-Horror-Szenario nimmt sich „Cassandra“ zu ernst, aber für eine seriöse Auseinandersetzung mit dramatischen Themen ist sie zu trashig. Banale Szenen, die alle Genreklischees erfüllen, wechseln sich mit Momenten genuiner Grausamkeit ab – häufig gegen Frauen und Kinder gerichtet. In einigen Augenblicken scheint der Bann gebrochen und eine spannende Wendung schimmert am Horizont, doch kurz darauf fällt die Serie den Genreklischees zum Opfer, und die Figuren müssen sich übermäßig naiv verhalten, damit es eine nächste Folge geben kann. Mina Tander und vor allem Lavinia Wilson spielen sich zwar die Seele aus dem Leib, kommen jedoch nicht gegen die holperige Story an, die zu viel für einen Film, aber zu dünn für eine Serie ist. Die Geschichte über die Entstehung einer KI und die tieferen Beweggründe ihres soziopathischen Handels dringt dadurch nie in die Tiefen vor, die in Aussicht gestellt werden.

Irgendwo tief im Kern der Miniserie steckt ein ambitioniertes Projekt, das spannende Sichtweisen auf die Entwicklung der Gesellschaft und die naive Akzeptanz der allgegenwärtigen Technologie bietet, doch die banalen Antworten auf die aufgeworfenen Fragen und die unbefriedigende Auflösung der Rätsel bringen das System letztendlich zum Absturz. So bleibt „Cassandra“ eine der seltenen Serien, der man keine Fortsetzung, sondern einen Reboot wünscht, um das vielversprechende Potential richtig zum Laufen zu bringen.

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