A Better Place

Drama | Deutschland 2025 | 360 (acht Folgen) Minuten

Regie: Anne Zohra Berrached

Im Rahmen des Pilotprojektes TRUST, das weltweit für Aufsehen sorgt, schafft die fiktive deutsche Gemeinde Rheinstadt die Gefängnisstrafe ab und setzt stattdessen auf Integration und Mediation, Therapie und Begleitung, Vertrauen und Zukunftsperspektiven für die Straftäter. Eine gelebte Utopie, die anfangs viel Unterstützung erfährt, jedoch bald an der Realität zu scheitern droht. Die in internationaler Koproduktion entstandene achtteilige Fernsehserie entfaltet ihr reizvolles Szenario handwerklich ebenso routiniert wie bieder als mitreißenden, meist überzeugend dargestellten Unterhaltungsstoff, der sein Publikum sieben Episoden lang zum Nachdenken einlädt, um es ihm am Ende doch lieber wieder abzunehmen. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2025
Produktionsfirma
Komplizen Serien/Studiocanal Series/The Post Republic/Film AG/WDR
Regie
Anne Zohra Berrached · Konstantin Bock
Buch
Alexander Lindh · Laurent Mercier · Karin Kaçi · Bahar Bektas · Nora Gantenbrink
Kamera
Matthias Fleischer
Musik
Martin Glos · Jasmin Reuter · Christian Ziegler
Schnitt
Denys Darahan · Barbara Gies · Julia Karg
Darsteller
Maria Hofstätter (Petra Schach) · Steven Sowah (Amir Kaan) · Katharina Schüttler (Eva Blum) · Johannes Kienast (Mark Blum) · Sandra Borgmann
Länge
360 (acht Folgen) Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama | Serie
Externe Links
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Kann es eine Welt ohne Gefängnisse geben? In der Dramaserie erprobt das eine deutsche Gemeinde in Form eines innovativen Strafvollzugsprojekts.

Diskussion

Eine Welt ohne Gefängnisse: Im fiktiven Rheinstadt wird diese Utopie in Form eines Pilotprojekts Wirklichkeit. Alle Gefangenen werden aus der Haftanstalt entlassen, erhalten eine Unterkunft, Arbeit, werden sozial und psychologisch betreut, müssen Wiedergutmachung leisten und erklären sich bereit, an Opfer-Täter-Mediationen teilzunehmen. Die Stadt dürfen sie nicht verlassen. Das ist das reizvolle Ausgangsszenario der achtteiligen Near-Future-Serie „A Better Place“.

Ist Vertrauen besser als Strafe und Kontrolle?

Über 70 Prozent der rheinstädtischen Bevölkerung haben dem Vorzeigeprojekt zugestimmt, das vom jungen, ambitionierten Bürgermeister Amir Kaan (Steven Sowah) und der renommierten Kriminologin Petra Schach (Maria Hofstätter) getragen wird und weltweit für Schlagzeilen sorgt. Wie das Konzept im Detail aussieht, bleibt lange unklar und leuchtet bis zum Schluss nicht ganz ein. Klar aber ist, statt auf Strafe, Zwang und Kontrolle basiert es auf gegenseitigem Vertrauen. „TRUST“ lautet denn auch der Name des Programms.

Nachdem die Tore der Strafvollzugsanstalt geöffnet wurden, sind es vor allem vier Erzählstränge, die „A Better Place“ miteinander verknüpft. Der 20-jährige Nader Massad (Youness Aabbaz), der wegen eines bewaffneten Raubüberfalls einsaß, hat sich fest vorgenommen, diese einmalige Chance zu nutzen und mit seiner kriminellen Vergangenheit zu brechen. Die aber holt ihn in Gestalt seiner leichtfertigen Schwester Yara und ihrer gemeinsamen „Freunde“ immer wieder ein.

Auch der pädophile Sexualstraftäter Jens Föhl (Ulrich Brandhoff) möchte mit Hilfe einer hormonell unterstützten Therapie ein neues Leben beginnen. Er leidet jedoch unter den Nebenwirkungen der Behandlung und darunter, dass sein Vater den Kontakt zu ihm abgebrochen hat. Mark Blum (Johannes Kienast) dagegen, dessen Frau Eva (Katharina Schüttler) als Betreuerin für TRUST arbeitet, tut sich schwer, in das alte Leben zurückzufinden, das er führte, bevor er betrunken eine Frau totfuhr und anschließend Fahrerflucht beging. Er ringt mit Schuldgefühlen, Selbsthass, seinen Aggressionen und um die Zuneigung Evas und ihrer beiden gemeinsamen Kinder.

Auch die Opferperspektive bekommt Raum

Der vierte Erzählstrang rückt schließlich die Opferperspektive in den Fokus. Nesrin Gül (Alev Irmak), deren Sohn von einem Rassisten ermordet wurde, kämpft gegen das TRUST-Projekt an, weil sie es nicht ertragen kann, dass der Mörder ihres Kindes frei herumläuft. Dabei verhärtet sie innerlich und radikalisiert sich immer mehr.

Überhaupt spitzt sich die Lage in Rheinstadt von Folge zu Folge zu. Was vielversprechend anfing, droht schnell außer Kontrolle zu geraten. Die Adressen der Teilnehmenden geraten in die Sozialen Medien, Jens Föhl taucht unter, und nach einem Überfall auf ein Juweliergeschäft prahlt die Bande, von der sich Nader Massad nicht lösen zu können scheint, im Netz mit ihren Taten. Das TRUST-Projekt stößt in der Bevölkerung zunehmend auf Ablehnung, immer mehr distanzieren sich. Die Proteste werden lauter, schriller und gefährlicher. Zugleich aber gibt es auch positive Entwicklungen, zaghafte Schritte zur Resozialisation, zur Verarbeitung von Schuld und Trauer. Kleine, hoffnungsvolle, berührende Begegnungen.

Das Drehbuch-Team unter der Leitung von Head-Autor Alexander Lindh verknüpft die diversen Erzählfäden zu einem abwechslungsreichen, multiperspektivischen Plot, der nie Langeweile aufkommen lässt, sich aber auch nur selten Zeit nimmt, eine tiefere emotionale Wirkung zu entfalten. Die Glaubwürdigkeit der durchgängig hart am Klischee gezeichneten Figuren steht und fällt mit der Strahlkraft des Schauspiels. Der eindimensional angelegte Nazi erscheint in der eindringlichen Darstellung Richard Sammels authentischer als die deutlich ausdifferenziertere, von Alev Irmak aber oftmals überspielte Nesrin.

„Die Idee ist gut, doch die Welt noch nicht bereit.“

Insbesondere im Gangmilieu, aber auch in einigen hölzern gespielten Neben- und Kleinstrollen verrutschen die Charaktere mitunter ins Klamaukige. Naders Schwester Yara (Aysima Ergün) irrlichtert über weite Strecken wie Chantals („Fack ju Göhte“) böser Zwilling durch die Serie. Die meisten Darstellerinnen und Darsteller überzeugen jedoch.

Trotz der oberflächlich biederen Inszenierung durch das Regieduo Anne Zohra Berrached und Konstantin Bock, die keinerlei Poesie atmet, keine ästhetische Kraft verströmt, keinen eigenen Beat findet und sich zudem mitunter haarsträubender Zufälle bedient, entspinnt sich aus der moralischen Fragilität auf allen Seiten eine mitreißende Dramaturgie, bei der die Cliffhanger sitzen. Ausgerechnet dieser Stärke beraubt sich die deutsch-österreichisch-französische Koproduktion jedoch in ihrer letzten Folge, in der sie den Kapitolsturm reißerisch nachinszeniert und vielleicht aus Angst, falsch verstanden zu werden, mutlos Stellung bezieht. Mit Hilfe des Kunstgriffs einer reichlich unrealistisch wirkenden Talkshow ordnet die Projektleiterin Schach die Geschehnisse am Ende wortreich in ihr Weltbild ein. Ein altes „Tocotronic“-Zitat hätte es da stattdessen auch getan: „Die Idee ist gut, doch die Welt noch nicht bereit.“

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