All the Long Nights
Drama | Japan 2024 | 119 Minuten
Regie: Sho Miyake
Filmdaten
- Originaltitel
- YOAKE NO SUBETE
- Produktionsland
- Japan
- Produktionsjahr
- 2024
- Produktionsfirma
- Bandai Namco Filmworks/Horipro/The Fool
- Regie
- Sho Miyake
- Buch
- Kiyoto Wada · Sho Miyake
- Kamera
- Yuta Tsukinaga
- Musik
- Hi'Spec
- Schnitt
- Keiko Okawa
- Darsteller
- Mone Kamishiraishi (Misa Fujisawa) · Hokuto Matsumura (Takatoshi Yamazoe) · Kiyohiko Shibukawa (Norihiko Tsujimoto) · Ryo (Noriko Fujisawa) · Ken Mitsuishi (Kazuo Kurita)
- Länge
- 119 Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 14.
- Genre
- Drama
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Stilles Drama um eine Frau und einen Mann, die beide unter plötzlichen Panikattacken leiden.
Misa (Mone Kamishiraishi) leidet an einer heftigen Form des prämenstruellen Syndroms (PMS). Ein paar Tage vor ihrer Regelblutung verliert sie plötzlich die Kontrolle über sich, wird aggressiv und hyperemotional, bevor sie vor Erschöpfung zusammensackt. Nachdem sie ihre Kollegen in Büro mehrmals mit diesem Verhalten irritiert hat, kündigt sie aus Scham.
Der japanische Film „All the Long Nights“ erzählt von empfindsamen Menschen, die in einer auf Druck und Anpassung beruhenden Leistungsgesellschaft unter die Räder kommen. Ein Tapetenwechsel ist für Misa ein erster Ausweg aus diesem zerstörerischen System. In einer kleinen Firma, die Astronomie-Sets für Kinder herstellt, findet sie einen neuen Arbeitsplatz. Kleidung und Umgangston sind hier weniger formell, die Atmosphäre familiär und entspannt. Als freundschaftliche Geste bringt Misa ihren Kollegen öfters Süßigkeiten mit.
Das Problem ist damit aber noch nicht aus der Welt. Denn auch hier wird Misa von PMS-Ausbrüchen überwältigt, die sich nicht selten gegen ihren verschlossenen Kollegen Takatoshi (Hokuto Matsumura) richten. Der wirkt auf den ersten Blick ein wenig überheblich, musste wegen Panikattacken der „normalen“ Geschäftswelt aber selbst den Rücken kehren.
Die Scheu, anderen zur Last zu fallen
Auch die meisten anderen Figuren haben in dem feinfühligen Drama von Shô Miyake ihr Päckchen zu tragen. Der Firmenchef ist immer noch nicht über den Tod seines Bruders hinweg, und auch Takatoshis ehemaliger Arbeitgeber nagt an einem Verlust. Beide treffen sich in einer nachbarschaftlichen Selbsthilfegruppe, wo sich die Anspannung schnell löst.
In diesem Moment der Gemeinschaft liegt der Knackpunkt von „All the Long Nights“: Es gibt Erfahrungen und Probleme, die man nicht mit sich allein austragen kann. In Japan, wo die Scheu, seinen Mitmenschen zur Last zu fallen, noch ein wenig ausgeprägter ist, dürfte der Film noch dringlicher wirken. So will auch Takatoshi, dem Misa nach einer seiner Panikattacken etwas zu Essen vorbeibringt, vorerst seine Ruhe haben. Während Misa die Parallelen zwischen ihren Leiden erkennt, besteht Takatoshi auf den Unterschieden; auch weil er das „Frauenproblem“ seiner Kollegin nicht ganz so ernst nimmt.
Zu Beginn des Films sieht man, wie Misa daran scheitert, sich in ihrem Alltag einzugliedern, während sie aus dem Off nüchtern von ihren Problemen berichtet. Wie „All the Long Nights“ hier Außen- und Innenperspektive zusammenbringt, legt bereits die Erkenntnis offen, die einigen Figuren noch bevorsteht. Denn während die Menschen meist darum bemüht sind, in Gesellschaft höflich, zurückhaltend und diszipliniert zu sein, beharrt der Film auf der Notwendigkeit, besser hinzuschauen und zuzuhören.
Anteilnahme kann harte Arbeit sein
An Takatoshis Entwicklung zeigt sich, dass das durchaus harte Arbeit sein kann. Er lenkt seinen Blick stärker auf seine Mitmenschen, leiht sich von seiner exzentrischen Psychiaterin ein Buch über PMS und beginnt Misa im Arbeitsalltag aufmerksam zu beobachten, um bei einem aufkommenden Anfall schnell mit einem Schluck Wasser oder ein wenig frischer Luft gegenzusteuern. Entscheidend an dieser immer engeren Beziehung zwischen den beiden ist, dass sie nicht ins Romantische kippt. Dabei spielt der Film auch ein wenig mit dieser Erwartungshaltung, wenn etwa Takatoshis Freundin das Feld räumt, weil sie für einen Job ins Ausland muss. Fürsorge legt hier aber nicht den Grundstein für eine leicht austauschbare Liebesbeziehung, sondern ist die eigentliche Sensation.
Mit seinem unerschütterlichen Glauben ans Gute und an die therapeutische Kraft eines achtsamen Miteinanders ist der Film in seiner Sanftheit manchmal etwas offensiv, rettet sich aber immer wieder durch seine nuancierte Inszenierung. Immer dann, wenn es zu niedlich zu werden droht, fängt Miyake das mit einem dramatisch dichten Moment auf, in dem die Figuren so hilflos und allein wirken, dass sie nur noch eine helfende Hand zu retten vermag. Die besondere Wirkung eines Weggefährten, der trösten, aber nicht heilen kann, bringt der Film am Ende mit einer astrologischen Metapher auf den Punkt: Ein Stern, der so hell leuchtet, dass er in der dunklen Nacht Orientierung schenkt.