So long, Marianne

Biopic | Kanada/Norwegen/Großbritannien 2024 | 381 (acht Folgen) Minuten

Regie: Øystein Karlsen

Auf der griechischen Insel Hydra, die in den 1960er-Jahren vielen Künstlerin ein Refugium bot, trifft der junge kanadische Poet und Musiker Leonard Cohen auf die unglücklich verheiratete Norwegerin Marianne Ihlen. Ihre Beziehung beginnt leidenschaftlich, doch zunehmend verliert die Geliebte ihn an sein in Drogen- und Arbeitsexzess gelebtes Künstlerdasein. Die achtteilige Serie kreist um die von Lebens-, Liebes- und Schaffenskrisen geprägte Beziehung zwischen dem Künstler und seiner Muse und entwirft dabei ein recht schonungsloses Porträt von Depression und künstlerischer Ausbeutung. Allerdings gelingt es kaum, das Sakrale, das die Liebe und das Werk Cohens prägte, jenseits von endlosen Textzitaten zu fassen. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
SO LONG, MARIANNE
Produktionsland
Kanada/Norwegen/Großbritannien
Produktionsjahr
2024
Produktionsfirma
Redpoint/Buccaneer Media/Connect Three
Regie
Øystein Karlsen · Bronwen Hughes
Buch
Øystein Karlsen · Ingeborg Klyve · Tony Wood · Jo Nesbø
Kamera
Ronald Plante
Schnitt
Véronique Barbe · Simen Gengenbach
Darsteller
Alex Wolff (Leonard Cohen) · Thea Sofie Loch Naess (Marianne Ihlen) · Anna Torv (Charmian Clift) · Noah Taylor (George Johnston) · Peter Stormare (Irving Layton)
Länge
381 (acht Folgen) Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Biopic | Künstlerporträt | Serie
Externe Links
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Serie über die Begegnung des jungen Poeten und Musikers Leonard Cohen mit der Norwegerin Marianne Ihlen, die in den 1960er-Jahren seine Muse wurde.

Diskussion

„Wenn man einmal auf Hydra gelebt hat, kann man nirgendwo anders leben, auch nicht auf Hydra.“ Die Worte stammen vom US-amerikanischen Poeten Kenneth Koch, der im Sommer 1960 auf der Insel vor Athen lebte. Die Miniserie „So Long, Marianne“ legt diese Worte Marianne Ihlen (Thea Sofie Loch Næss) in den Mund. Es ist ihr Resümee eines ebenso wunderschönen wie tragischen Lebensabschnitts, den sie in den 1960er-Jahren mit einer Clique weltberühmter Künstler, insbesondere aber mit Leonard Cohen teilte.

Die winzige Insel Hydra ist ein Refugium. Wer hier auftaucht, flieht. Vor den Pflichten und Strukturen der kapitalistischen Gesellschaft, der Familie, den Schulden oder im Falle von Leonard Cohen: vor sich selbst. Cohen (Alex Wolff) strandet als junger Autor auf der Künstlerinsel. Vom regelmäßigen Mandrax-Konsum aufrecht gehalten und vom Kauern über der Schreibmaschine sichtbar gekrümmt, sucht der damals noch unbekannte Schriftsteller seinen Platz. Er findet ihn schnell. Das Schriftsteller-Pärchen Charmian Clift (Anna Torv) und George Johnston (Noah Taylor) nimmt ihn unter die Fittiche. Charmian teilt ihr Bett mit ihm und George richtet ihn da auf, wo ihn Alkohol, Mandrax, Depressionen und das Schreiben niedergedrückt haben.

Mit dem eigenen Versagen konfrontiert

Marianne Ihlen findet im Schlepptau ihres Ehemannes Axel Jensen (Jonas Strand Gravli) nach Hydra. Dessen Flucht vor der gutbürgerlichen Existenz und seiner Familie macht ihn als Schriftsteller berühmt, fällt aber zu Lasten von Marianne aus. In zunehmend erbärmlicheren Versuchen, ein aufregendes, anti-kapitalistisches und vor allem sexuell freies Leben zu führen, lässt Axel Marianne allein mit dem gemeinsamen Sohn zurück. Mit dem eigenen Versagen konfrontiert, wird der Schriftsteller gewalttätig.

Marianne Ihlen ist der Körper, der das Leid trägt, das durch das poetische Schaffen der Männer um sie herum in den Kanon von Literatur und Musik einzieht. Als sie auf Leonard Cohen trifft, ist sie von den Blutergüsse der noch nicht geschiedenen Ehe immer noch gezeichnet.

Was der Kunst von Jensen und später der von Cohen ihre Kraft verleiht, ist die Liebe, die sie ihrer Muse entreißen. Die Streitereien, die Untreue und die bitteren Tiefen, die auf die sexuellen Höhepunkte folgen, sind das, was erst Jensen und dann Cohen an der Schreibmaschine und mit der Gitarre zu poetischer Genialität zu formen vermögen. Marianne ist der Satellit, der im Orbit eines zerstörten Planeten gefangen ist. Axel entkommt sie, doch bald beginnt auch Leonard sie für die Kunst zurückzulassen und ihr vorzuwerfen, dass sie ihrem Leben keinen Inhalt geben könne. Tatsächlich fällt es „So Long, Marianne“ schwer, die Muse gegen diesen Vorwurf zu verteidigen. Die Serie bleibt, wie der deutsche Titel es deklariert, „eine Leonard-Cohen-Serie“.

Die Bürden der Muse

Alex Wolff spielt Cohen als jungen, von Depression und der Schreibmaschine gebeugten, aber nicht gänzlich gebrochenen Poeten. Mit seinem nerdigen Charme kann er die Welt, das Publikum und nicht zuletzt Marianne und ihren Sohn Axel jr. verzaubern. Marianne bleibt bei den Künstler-Zusammenkünften jedoch ein Fremkörper, eine allseits bewunderte und begehrte Schönheit, die aber nie Teil des inneren Zirkels wird.

Die Serie findet schnell zu den Bürden der Muse beziehungsweise zu Leonards Ideen einer Liebesbeziehung, die oft zärtlich und voller Zuneigung ist, aber sich hinter seinem Schaffen einreihen muss. Cohen ist der Mann, der beteuert, er wolle nicht berühmt sein, ohne dass er jedoch auch nur eine der verbotenen Früchte liegen lassen würde, die ihm der Ruhm bietet. Er will im Chelsea Hotel absteigen, dort, wo der Künstler- und Rock’n’Roll-Adel jede Extravaganz und jede Perversion auszuleben vermag. Er will mit Lou Reed abhängen, Andy Warhol zum Lachen bringen und mit Nico schlafen und währenddessen weiter behaupten, er denke nur an Marianne.

Trotz des Glamours, der stets mit bittersüßem Beigeschmack serviert wird, will sich die Erzählung um das Hin und Her der Beziehung nur widerstrebend zu einem Plot formen lassen. „So Long, Marianne“ klebt an den permanenten Beziehungs-, Kreativ- und Lebenskrisen sowie den Fragen, mit denen das Showrunner-Duo Ingeborg Klyve und Tony Wood und die Autoren Øystein Karlsen und Jo Nesbø allzu behutsam die neuralgischen Punkte im Leben von Ihlen und Cohen berühren. Was will Marianne von ihrem Leben? Wie kann Leonard von Liebe reden, wenn er sie hauptsächlich für sein Werk ausschlachtet? Cohen selbst fragt sich gleich zu Beginn: „Was ist das überhaupt, Liebe?“ Die Antworten sucht „So Long, Marianne“ im besten Fall dort, wo Rausch und Poesie vom Leben einen fahlen Beigeschmack verpasst bekommen, oft auch in Cohens Texten und den vielen Monologen, die sie zu imitieren versuchen.

Für jede Zeile das klischierte Gegenbild

Manchmal scheint es, als zitierten die Figuren ihre eigenen Wikipedia-Artikel, um das endlose Plätschern von Metaphern fürs Verlorensein – im Leben wie in der Liebe – in neue Formen zu bringen. Für jede gut gesetzte Zeile und jeden Exzess, der quer zu ihrer Wahrhaftigkeit steht, serviert „So Long, Marianne“ das klischierte Gegenbild. So steht Cohen vor einem zerbrochenen Spiegel, um zu sagen, dass er sich immer schon so gesehen habe; er sitzt mit Sonnenbrille am Schreibtisch und sich dichtet sich in cooler Pose halb zu Tode.

Es fehlen nicht Cohens Worte, sondern der Mut, sich von ihnen loszusagen. Ständig wird der Geist des großen Poeten Leonard Cohen beschworen und seine Texte zitiert, wird er mit der Autorität zeitgenössischer Größen wie Irving Layton (Peter Stormare), Lou Reed (Jake Neads) oder Allen Ginsberg (Ben Lloyd-Hughes) ein Jahrhundertkünstler genannt und auch nicht der Janis-Joplin-Blowjob im Chelsea Hotel ausgelassen.

Doch trotz all dieser Kraftakte vermag „So long, Marianne“ das Sakrale, das Cohen in seinen Songs in Liebe und Schmerz gleichermaßen fand, nicht herbeizureden. Die Lesungen, die Auftritte, die endlosen Monologe, der Schmerz, die Panikattacken: alles ist hier nur Predigt ohne Religion.

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