Horror | USA 2024 | 94 Minuten

Regie: Max Eggers

Eine Frau ist nach der Totgeburt ihres ersten Kindes wieder schwanger. Alles sieht gut aus, doch dann geraten ihr Mann und sie in finanzielle Schwierigkeiten. Das Paar sieht sich gezwungen, die pflegebedürftige Stiefmutter des Mannes bei sich aufzunehmen. Das aber verlangt der werdenden Mutter, die zunehmend allein für die garstige, ultrafromme Frau zuständig ist, ebenso viel ab wie die zunehmende Angst um ihr ungeborenes Baby. Das Drama tastet sich auf einen in Pflegebeziehung und Familiendynamik verborgenen Horrorfilm zu, kommt aber dramaturgisch kaum voran. Auch zwei gute Hauptdarstellerinnen täuschen nicht darüber hinweg, dass der Film seinem angedeuteten Grauen keine Form zu geben vermag. - Ab 16.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
THE FRONT ROOM
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2024
Produktionsfirma
Two & Two Pic./2AM/A24
Regie
Max Eggers · Sam Eggers
Buch
Max Eggers · Sam Eggers
Kamera
Ava Berkofsky
Musik
Marcelo Zarvos
Schnitt
Eric Kissack · Benjamin Rodriguez Jr.
Darsteller
Brandy Norwood (Belinda) · Kathryn Hunter (Solange) · Andrew Burnap (Norman) · Neal Huff (Pastor Lewis) · David Manis (Alter Mann)
Länge
94 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Horror | Thriller
Externe Links
IMDb | TMDB

Psychothriller um eine werdende Mutter, die sich um die Stiefmutter ihres Mannes kümmert und von der garstigen Frau in einen unheimlichen Machtkampf gezogen wird.

Diskussion

Der „Front Room“ ist das Babyzimmer. Das junge Paar hat es schon vor Jahren für Wallace hergerichtet. Doch das erste Kind von Belinda (Brandy Norwood) und Norman Irwin (Andrew Burnap) wurde tot geboren. Die Eltern bewahren seine Sachen noch immer auf; sein Zimmer wurde nie aus- oder umgeräumt. Nun ist Belinda wieder schwanger. Das Baby ist gesund, doch ein bedrückendes Gefühl lässt sich dennoch nicht abschütteln. Belinda tut ihr Bestes. Zu ihrer in Albträumen oder bei Routineuntersuchungen dennoch wiederkehrenden Angst gesellen sich zusätzliche Probleme. Die Universität bietet der Anthropologin keine Aussicht auf eine Festanstellung; jeder Gesprächsversuch wird vertagt und Belinda weiterhin wie eine Assistenzkraft behandelt und bezahlt.

Das ist alles nicht ganz so schlimm, auch wenn das Paar finanzielle Sorgen eigentlich nicht gebrauchen kann. Eine weitere Sorge kommt hinzu, als Normans Vater stirbt: die Schwiegermutter Solange (Kathryn Hunter). Norman hatte seit Jahren keinen Kontakt mehr zu der Frau, die ihn in seiner Kindheit schikanierte. Doch die Beerdigung und Belindas guter Wille bringen die mittlerweile pflegebedürftige Stiefmutter zurück ins Leben des Paares.

Biblische Heimsuchung für das Paar

Die Situation ist klar: Solange braucht ein Zuhause, die werdenden Eltern brauchen Geld. Zunächst kommt Belinda gut mit dem brüsken Charme der ultrafrommen Dame zurecht. Doch schon der Einzug ist schwierig. Solange verlangt das Zimmer für sich, das Wallace gehörte und bald der ungeborenen Tochter Laurie gehören soll.

Damit ist „The Front Room“ von der Brüder Max und Sam Eggers gewissermaßen im Horrorfilm angekommen. Denn die zerbrechliche Greisin erweist sich zunehmend als biblische Heimsuchung für die Irwins. Ihre Fragilität verwandelt sich immer dort, wo sie nicht ihren Willen bekommt, in eine Waffe. Ihre Gehstöcke stanzen in die Holzdielen, als wären sie der Huf Luzifers, ihre Gebete übermannen die Harmonie am Esstisch und wandeln sich zur unheimlichen Trance, die mit Segenswünschen beginnt und sich in manische Ausbrüche in fremde Sprachen und Gesänge steigert. Norman hat dem nicht viel entgegenzusetzen. Er fühlt sich immer noch wie der von der Stiefmutter eingeschüchterte kleine Junge, der sich wegduckt oder zur Arbeit flüchtet.

Der Machtkampf um das Haus, die Familie und das noch ungeborene Kind findet deshalb zwischen Solange und Belinda statt. Brandy Norwood glänzt als hochgebildete wie kultivierte Schwiegertochter, die alle Register von Verständnis, Nachsicht und Selbstaufgabe zieht, bevor sie die darunter verborgene Toughness und damit ihr altes, fast vergessenes Ich auspackt. Kathryn Hunter hält als garstige Stief-/Schwiegermutter mit allem dagegen, was ein alter Körper hergibt. Ihre Fragilität und Inkontinenz wird zum vergifteten Werkzeug, wenn sie sich auf den Boden schmeißt, sich einkotet und grinsend dabei zusieht, wie Belinda mit der Übelkeit ringt, während sie Betten abziehen, Böden reinigen und die Schwiegermutter baden muss.

In häuslicher Überforderung

Die Pflegebedürftigkeit besitzt als Horrorszenario einiges an Potenzial. Doch Der Film schafft es nicht, den häuslichen Schrecken zwischen Wehen, Albträumen und den im Haus verschmierten Fäkalien zu modulieren. „The Front Room“ steckt mit den Irwins in der häuslichen Überforderung fest, rotiert zwischen vollen Hosen und vollen Windeln, versichert ein ums andere Mal, dass die Belastungsgrenze nun erreicht sei, wagt es aber nie, diese zu überschreiten. Der Horrorfilm, der im Familiendrama steckt, wird auf Solanges Albträume und die Saiteninstrumente ausgelagert, die das melancholische Streichen immer wieder für gruseliges Getrippel unterbrechen. Eine Klimax finden diese Andeutungen aber nie.

Auch die Geburt von Belindas Baby Laurie bringt nur scheinbar eine Dynamik in den Film. Als Belinda aus dem Krankenhaus zurückkehrt, hat Solange ihre religiösen Bekannten in das Haus eingeladen. Alle berühren ihren Bauch, säuseln Gebete, reden wie Solange in fremden Zungen, überwältigen die noch von der Entbindung gezeichnete Mutter mit Gebeten, Wunder-Zeremonien und Schabernack. Am nächsten Tag ist die Kaiserschnitt-Narbe fast gänzlich verschwunden. Der Glaube wirkt plötzlich Wunder. Solanges Fisch-Anhänger scheint das einzige Mittel zu sein, um das permanent schreiende Baby zu beruhigen.

Aber ähnlich wie die Familiendynamik findet der Glaube keinen wirklichen Platz im Film. Die Motive, die der gleichnamigen Kurzgeschichte von Susan Hill entstammen, bleiben in „The Front Room“ ewig kreisende Exposition eines Horrorfilms, der sich nie wirklich manifestiert.

Kommentar verfassen

Kommentieren