Serie | Deutschland 2024 | 270 (sechs Folgen) Minuten

Regie: Hannu Salonen

Nachdem die Adoptivtochter eines Holocaust-Überlebenden und ehemaligen Mossad-Agenten von Neonazis getötet wurde, hält der ältere Mann die Täter in einem alten Bunker gefangen, der dank modernster Technologie wie eine Festung abgesichert ist. Während die Bevölkerung im Internet über Leben und Tod der Geiseln abstimmen soll und ein Fernsehsender das Geschehen live verfolgt, versucht die Polizei den Bunker zu stürmen. Die Thriller-Serie über rechtsextreme Terroristen und die Suche nach Gerechtigkeit ist vor allem auf Spannung und dramatische Intensität ausgerichtet. Auch wenn die politischen Bezüge schablonenhaft bleiben und nicht jede Figur angemessen zur Geltung kommt, erzählt die Serie auf dichte, kurzweilige Art von einem gespaltenen Land im Ausnahmezustand. - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2024
Produktionsfirma
The Amazing Film Company
Regie
Hannu Salonen
Buch
Christian Limmer · Peter Grandl
Kamera
Felix Cramer
Musik
Martina Eisenreich · Michael Kadelbach
Schnitt
Ronny Mattas · Simon Gutknecht · Petra Scherer
Darsteller
Heiner Lauterbach (Ephraim Zamir) · Klaus Steinbacher (Karl Rieger) · Désirée Nosbusch (Kleinfeld) · Milena Tscharntke (Marie) · Anja Herden (Kriminalkommissarin Koch)
Länge
270 (sechs Folgen) Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Serie | Thriller
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IMDb | JustWatch

Thriller-Serie um einen Holocaust-Überlebenden, der die Bevölkerung über das Schicksal zwei Männer abstimmen lässt, die seine Adoptivtochter getötet haben.

Diskussion

Träume sind für die Jungen, Erinnerungen für die Alten. So heißt es einmal sinngemäß in einem der Leitsätze, die jeder Folge der Serie „Turmschatten“ vorangestellt sind. Ephraim (Heiner Lauterbach), der mit seinen 70 Jahren eindeutig zu den Älteren zählt, blickt auf ein ebenso bewegtes wie qualvolles Leben zurück. Immer wieder flackern kurze Momente aus seiner Vergangenheit auf. Sie zeigen ihn mal als Jungen im Konzentrationslager, mal als Mossad-Agenten in tödlicher Mission. Solche Erfahrungen haben ihn zu einem harten, wortkargen Hund gemacht, der sich lediglich von seiner gehörlosen Adoptivtochter Esther erweichen lässt.

Als Ephraim jedoch wegen einer großzügigen Spende an eine Synagoge von Neonazis eingeschüchtert werden soll und Esther dabei erschossen wird, bleibt ihm nichts als Wut und Vergeltung.

Die Öffentlichkeit soll richten

Nach dem gleichnamigen, ursprünglich auch in serieller Form erschienenen Roman von Peter Grandl handelt „Turmschatten“ zunächst von der Suche nach Gerechtigkeit. Ephraim lebt in einem turmartigen Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg, der dank modernster Technologie wie eine Festung abgesichert ist. Die beiden rechtsradikalen Gewalttäter, die er am Tatort findet, nimmt er gefangen und lässt die Öffentlichkeit über sie richten. Während er Aufnahmen der gefesselten Männer ins Internet überträgt, kann das Volk per Mausklick darüber abstimmen, ob die Täter leben oder sterben sollen.

Während das ganze Land auf den Turm oder zumindest auf die Live-Übertragung im Fernsehen blickt, teilt sich die Handlung in verschiedene Erzählstränge. Vor dem Grundstück versucht eine Kriminalkommissarin (Anja Herden) mit ihrem machohaften Einsatzleiter (Murathan Muslu), die Geiseln zu befreien. Dabei müssen sie aber zunächst die mit dickem Pinsel gezeichneten Neonazis und Linken in Schach halten, die vor Ort randalieren.

Eine Fernsehmanagerin (Désirée Nosbusch) versucht unterdessen, nicht nur die brisantesten Aufnahmen zu senden, sondern muss sich in einem Live-Gespräch auch einen einflussreichen rechten Politiker (Michael Roll) vorknöpfen, der heimlich terroristische Zellen aufbaut und in Wahrheit für den Überfall im Turm verantwortlich ist.

Mehr Genre-Stoff als politischer Kommentar

Ausgeklügelte Psychogramme, tiefergehende moralische Fragen oder einen Kommentar zur politischen Gegenwart bietet „Turmschatten“ eher nicht. Die Bauernfängerei der Rechten, die Gier der Medien nach exklusiven Bildern oder die Gewissenskonflikte der Polizeichefin docken zwar an die Realität an, bleiben jedoch möglichst universell und schablonenhaft.

Das fällt aber gar nicht so sehr ins Gewicht, weil sich die Serie in erster Linie als Genre-Stoff versteht, der auf Spannung und emotionale Intensität ausgerichtet ist. Regisseur Hannu Salonen erweist sich dafür als geeignete Wahl. Die Countdowns, die regelmäßig eingeblendet werden und an die Serie „24“ erinnern, sind zwar eher dekorativ eingesetzt, doch Salonen besitzt ein gutes Händchen für Action und sich verdichtende Situationen.

Bei all den Zuspitzungen und Wendungen ist auch die ein oder andere abenteuerliche Volte mit dabei. Der wenig ehrfürchtige Umgang mit dem Thema Rechtsextremismus wirkt recht erfrischend. Im Gegensatz zur oft betont vorsichtigen bis pädagogischen Herangehensweise seriöserer Produktionen hat „Turmschatten“ manchmal fast etwas Reißerisches. Etwa wenn Ephraim die Geiseln mit dem in NS-Vernichtungslagern eingesetzten Zyklon B hinrichten will oder die Beziehung zwischen einem Neonazi und einer Jüdin ans Tageslicht kommt. Allerdings sichert sich die Serie am Ende mit einem unnötigen Twist doch wieder moralisch ab.

Die Unsicherheit ausreizen

Dennoch zählt der ambivalente Umgang mit den Rechtsradikalen zu den Eigenheiten von „Turmschatten“. Das zeigt sich insbesondere bei Karl (Klaus Steinbacher), der gerade aus dem Gefängnis entlassen wurde und sich nun in Ephraims Gewalt befindet. Steinbacher spielt den Nazi rhetorisch geschickt, mit einnehmendem Charisma und als deutlichen Gegenpol zu seinem prolligen Kollegen (Paul Wollin).

Trotz wuchtigem Hakenkreuz-Tattoo auf dem Rücken sieht man in Karls mildem Blick von Anfang an das Gute. Ein Flashback zeigt, wie ihm sein sudetendeutscher Großvater schon als Kind beigebracht hat, dass die Juden an allem schuld seien. Wie fast alle Rückblenden ist auch diese so kurz, dass sie zwangsläufig etwas zu simpel wirkt. Und doch tut „Turmschatten“ gut daran, lieber Karls Unsicherheit auszureizen, als ihm eine unglaubwürdige politische Kehrtwende anzudichten.

Nicht alle Figuren und Erzählstränge funktionieren so gut wie das angespannte Duell zwischen Karl und Ephraim, die konfliktgeladene Talkshow oder der Versuch, den Turm zu stürmen. Die Handlung um Karls stets mit großen traurigen Augen dreinschauender Bewährungshelferin (Milena Tschantke) oder um eine kaltblütige Reporterin (Sina Reiß) bleiben so blass, dass man sie auch hätte weglassen können. An der Kurzweiligkeit der durchaus dystopischen Serie ändert das aber wenig.

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