Drama | USA 2024 | 99 Minuten

Regie: Dean Israelite

Eine 13-Jährige aus Portland, Oregon, hadert mit der Pubertät, der Scheidung ihrer Eltern und dem drohenden Verlust ihres Hauses. Als sie eher zufällig zwei Brieftauben geschenkt bekommt, taucht sie in die Welt des Taubenrennens ein, freundet sich mit einem alten Taubenzüchter an und beginnt, ihr Leben in einem neuen Licht zu sehen. Der sympathische Film ist auf ein jugendliches Publikum ausgerichtet, bietet anrührende Figuren und vermeidet naheliegenden Kitsch. Narrativ erschließt er durch seine zahlreichen Klischees allerdings kein Neuland und strapaziert mitunter auch die Glaubwürdigkeit, wenn er Konflikten aus dem Weg geht. - Ab 12.
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Filmdaten

Originaltitel
LITTLE WING
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2024
Produktionsfirma
Awesomeness Films
Regie
Dean Israelite
Buch
John Gatins
Kamera
Jeff Cutter
Musik
Anne Nikitin
Schnitt
Martin Bernfeld
Darsteller
Brooklynn Prince (Kaitlyn McKay) · Che Tafari (Adam King) · Brian Cox (Jaan Vari) · Kelly Reilly (Maddie McKay) · Simon Khan (Matt McKay)
Länge
99 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 12.
Genre
Drama | Sportfilm
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Coming-of-Age-Story über eine 13-Jährige, die mit einer schwierigen Familiensituation zu kämpfen hat, bis sie unerwartet in die Welt des Taubenrennens eingeführt wird.

Diskussion

Was macht eine Jugendliche, die sich in ihrer Haut nicht wohl fühlt und zudem die Scheidung ihrer Eltern verkraften muss? Die 13-jährige Kaitlyn (Brooklynn Prince) optiert in „Little Wing“ für Rebellion. Während die Klassenstreberin Tessa Lu einen brillanten Vortrag über Shakespeare als „inspirierenden Künstler“ hält, skandiert Kaitlyn „Free Britney“. Natürlich steht das intelligente Mädchen in keiner Weise auf die aus der Bahn geratene Pop-Sängerin Britney Spears, sondern hört lieber Punk und New Wave aus den 1980er-Jahren. Doch Kaitlyns Schmerz über die Trennung ihrer Eltern muss heraus – in Form einer „Mir-doch-egal“-Attitüde und viel Sarkasmus.

So lebt die Teenagerin mit ihrem Bruder Matt, der vor Kummer über die familiäre Situation fast vollständig verstummt ist, und ihrer Mutter Maddie (Kelly Reilly) in einem Einfamilienhaus am Rande von Portland in Oregon. Da Maddie sich die Immobilie als Polizistin nicht alleine leisten kann, läuft Kaitlyn zudem Gefahr, das Haus zu verlieren, in dem sie ihr gesamtes Leben verbracht hat. Das lässt sie endgültig verzweifeln.

Als Maddies Vorgesetzter dem Mädchen zum Trost einen Käfig mit zwei Brieftauben darin schenkt, glaubt Kaitlyn zunächst an einen schlechten Scherz. Doch dann erzählt ihr bester Freund Adam (Che Tafari) dass Brieftauben teilweise über 100.000 Dollar wert sind. Ein Taubenzüchter in Portland namens Jaan Vari (Brian Cox) besitzt so eine Taube. Sie heißt „The Granger“ und hat bisher alle Rennen gewonnen, in denen sie angetreten ist.

Kaitlyn will Vari den Vogel stehlen und mit seinem Erlös ihr Haus retten. In einer chaotischen nächtlichen Aktion erbeuten Kaitlyn und Adam den Vogel. Doch der Besitzer kommt ihnen auf die Spur und zeigt sich zu allem bereit, um sein geliebtes Tier zurückzubekommen.

Ein undankbares Alter

Der Film von Dean Israelite nimmt die Perspektive Kaitlyns ein, die im Off auch als Erzählerin fungiert und klug, bisweilen aber auch altklug, über sich und die Welt philosophiert. Sie befindet sich in einem undankbaren Alter, ist kein Kind mehr, auch wenn ihre Schuluniform – kurzer Rock, Bluse mit Schlips und Strickjacke – diesen Eindruck vermittelt. Doch mit ihrem Status als Pubertierende hadert die 13-Jährige ebenfalls. Und als ob die Veränderungen ihres Körpers und die sich wandelnde Beziehung zu ihrem besten Freund nicht genug wären, muss sie sich seit neun Monaten zusätzlich mit dem emotionalen Stress ihrer veränderten Familiensituation herumschlagen.

Echte Gefühle zeigt das junge Mädchen dabei selten. Doch eine vollkommene Entwurzelung würde sie nicht verkraften. Das vermittelt der Film, der sich einen bewusst beschwingten Anstrich gibt, klar und deutlich.

Mit der Erweiterung der Perspektive in die Welt des Taubenrennens erschließt sich „Little Wing“ neues Terrain und bestärkt dennoch die Gefühlswelt der Protagonistin. Denn auch „Brieftauben haben ein festes, tiefes und nahezu unumstößliches Gefühl für ihr Zuhause“, heißt es bereits im Vorspann des Films. Er basiert auf einem „New Yorker“-Artikel von Susan Orlean über Brieftauben und ihre Züchter.

Außer dem Verbundensein mit dem eigenen Zuhause, das Kaitlyn mit den Vögeln gemein hat, findet sie in Jaan Vari einen großväterlichen Beschützer, der ihr die Trauer über den Auszug ihres eigenen Vaters leichter macht. Vari, den Brian Cox als gutmütigen Grantler spielt, steht am Ende seines Lebens, Kaitlyn dagegen hat das Leben noch vor sich. Die Szenen zwischen den beiden, in denen sie ihre Zuneigung zueinander entdecken, sind dezent gefilmt, gehen aber zu Herzen und fungieren damit als die gelungensten Sequenzen des Films. Auch die innerfamiliäre Situation zwischen Kaitlyn, ihrem Bruder und der Mutter verändert sich zusehends und entwickelt im Laufe des Films eine komplexere und anwachsende Gefühlsdichte.

Die Tauben als analoge Komponente

Kitschig ist das zum Glück nie, und die Welt der Tauben bringt auch eine angenehme analoge Komponente in den Film. Beides entschädigt für zahlreiche Klischees in der Story. Diese geht Konflikten, die Gewalt verheißen würden, sorgsam aus dem Weg, was nicht immer glaubwürdig ist, etwa wenn Kaitlyn und ihre Freunde es mit einer sogenannten russischen Vogelmafia zu tun bekommen, die sich aber als harmloser Haufen von Dilettanten entpuppt. „Little Wing“ ist eindeutig für ein sehr junges Publikum gedacht. Dafür wartet die Coming-of-Age-Story mit einer widerspenstigen und irgendwie doch charmanten Hauptfigur auf und bietet neben dem Einblick in eine besondere Sparte der Vogelkunde auch hübsche Bilder, nicht zuletzt von der stets verregneten Großstadt Portland.

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