Drama | Frankreich 2024 | 101 Minuten

Regie: Audrey Diwan

Eine Frau, die als Qualitätsmanagerin einer Luxushotel-Kette arbeitet, wird für einen Auftrag nach Hongkong geschickt. In einem Hotel soll sie Mängel aufdecken, um die Entlassung der Managerin zu rechtfertigen. Ihre Hauptaufgabe besteht dann aber darin, ihre unterdrückten sinnlichen Sehnsüchte neu zu entdecken. Das Erotikdrama versucht sich an einer Aktualisierung des gleichnamigen, für die Leinwand mehrfach adaptierten erotischen Kultromans von Emmanuelle Arsan aus feministischer Perspektive. Der Film gerät jedoch mehr zu einer freudlosen softsexuellen Neuauflage als zu einer Revision und schleppt sich durch seichte Dialoge und zähe Szenen. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
EMMANUELLE
Produktionsland
Frankreich
Produktionsjahr
2024
Produktionsfirma
Chantelouve/Goodfellas/Rectangle Prod./Wild Bunch
Regie
Audrey Diwan
Buch
Audrey Diwan · Rebecca Zlotowski
Kamera
Laurent Tangy
Musik
Evgueni Galperine · Sacha Galperine
Schnitt
Pauline Gaillard
Darsteller
Noémie Merlant (Emmanuelle) · Will Sharpe (Kei Shinohara) · Naomi Watts (Margot Parson) · Jamie Campbell Bower (Sir John) · Chacha Huang (Zelda)
Länge
101 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama | Erotikfilm | Literaturverfilmung
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Leonine
Verleih Blu-ray
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Ein Erotikdrama nach dem gleichnamigen, für die Leinwand mehrfach adaptierten Kultromans von Emmanuelle Arsan.

Aktualisiert am
22.01.2025 - 15:17:34
Diskussion

Der erste Blick gilt einem Paar nackten Beinen, das dünne Kleidchen schafft es gerade noch so in den Bildrahmen. Es ist ein Blick, der sich offensiv als „Male Gaze“ ausstellt und zugleich ein Bewusstsein dafür schafft, dass das Schauobjekt diesen nicht nur registriert, sondern auch lenkt. Die Frau, deren Gesicht nun erkennbar ist, legt ihre Strickjacke ab und holt ein Kondom aus ihrer Handtasche, bevor sie langsam zur Bordtoilette schreitet. Beim Sex mit dem fremden Passagier gehört der Blick ihr. Er fällt in den Spiegel, wo sie ihr eigenes Gesicht teilnahmslos betrachtet. Die Eskapade „Sex im Flugzeug“ gerät zu einer unterkühlten und ziemlich mechanisch aussehenden Angelegenheit.

Das Begehren an die Titelheldin zurückgeben

Die erste Szene des Films deutet an, was die Regisseurin Audrey Diwan, die das Drehbuch gemeinsam mit Rebecca Zlotowski, einer Spezialistin für die Ambivalenzen von Tauschgeschäften und Blickökonomien, mit ihrer wohl feministisch gemeinten Verfilmung des erotischen Kultromans von Emmanuelle Arsan im Sinn gehabt haben mochte: das Begehren an die Protagonistin zurückgeben, sie aus dem Zugriff einer männlichen Fantasie befreien, mit der sie bis dahin eng verhaftet war. In Just Jaeckins kommerziell erfolgreicher Softsex-Verfilmung von 1974, die zahlreiche Fortsetzungen nach sich zog, musste Emmanuelle noch in die Schule gehen („Die Schule der Lust“, so der Untertitel der deutschen Verleihfassung). Zu den Unterrichtsmethoden zählte dabei unter anderem auch eine Vergewaltigung in einer Opium-Höhle.

Bei Diwan, die mit der Annie-Ernaux-Adaption „Das Ereignis“ eine gewisse Sensitivität in der Inszenierung weiblicher Erfahrungen bewiesen hat, ist Emmanuelle eine arbeitende Frau – und nicht mehr die gelangweilte Diplomatengattin. Als Qualitätsmanagerin für ein Luxushotel-Unternehmen wird sie nach Hongkong ins renommierte Rosefield Palace Hotel geschickt. Sie soll dort Mängel aufdecken, notfalls auch erfinden, um die geplante Entlassung der Managerin Margot zu rechtfertigen. Auf die Rolle der aufmerksamen Beobachterin getrimmt, registriert Emmanuelle Abläufe, Oberflächen, Handgriffe und Gesten, dabei entgehen ihr weder die Anwerbungen einer Escort-Frau am hoteleigenen Swimmingpool noch die Blicke des geheimnisvollen Reisenden Kei. Die ultimative Kontrollposition nimmt sie indes vor der Monitorwand der Überwachungszentrale ein.

Die erotische Aufladung bleibt Behauptung

Diese an sich nicht uninteressanten Anlagen verplätschern jedoch in einer völlig spannungslosen Inszenierung, die weder eine Sprache findet für den Ennui einer dekadenten, nach außen luftdicht abgeschlossenen Luxuswelt, noch für Emmanuelles Regungen, ihr Interesse oder gar ihr Problem, das möglicherweise eine Déformation professionelle ist. Mit einem Paar hat sie Sex zu dritt. Sie beobachtet Zelda, die Escort-Frau, beim Sex in einer Hütte. Dem enigmatischen Ingenieur Kei, der sich die hochpreisigen Nächte im Rosefield Palace Hotel von seinem Unternehmen bezahlen lässt, ohne jemals dort zu übernachten, kommt sie in verbalerotischen Gesprächen noch am nächsten. Er ist asexuell (geworden) und bietet sich in der finalen Sexszene des Films als Kantonesisch-Übersetzer an.

Bis Emmanuelle den Kontakt zu ihrem Begehren (wieder)findet, schleppt sich der Film durch seichte Dialoge und zähe Szenen, in denen die erotische Aufladung weitgehend Behauptung bleibt. Und falls in den glatten, nach Werbeprospekt aussehenden Bildern eine Kritik formuliert sein sollte: Sie vermittelt sich nicht. Eine Parallelmontage, in der Emmanuelles Gesichtspflege-Routine mit Reinigungsarbeiten der Hotelangestellten kontrastiert wird, wirkt ebenso pflichtschuldig wie die Bilder massenhaft in Mülleimer wandernder Essensreste.

Über die Neukonfigurierung der Protagonistin, ihre Anpassung an eine Gegenwart, die sensibilisiert ist für Geschlechterstereotypen und emanzipative Handlungsräume, kommt der Film nicht hinaus. Diwan fehlt mehr als nur eine Idee, den Stoff zu aktualisieren oder auch nur interessant zu machen. So bleibt „Emmanuelle“ eine weitgehend freudlose softsexuelle Abarbeitung am Original.

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