Der Kommandant - Entscheidung im Atlantik

Drama | Italen/Belgien 2023 | 117 Minuten

Regie: Edoardo De Angelis

Im Herbst 1940 versenkt ein italienisches U-Boot im Atlantik einen belgischen Frachter. Der eigensinnige U-Boot-Kommandant ordnet entgegen den militärischen Vorschriften an, 26 belgische Schiffbrüchige an Bord zu nehmen, um sie zu den neutralen Azoren zu bringen. Da das Boot dadurch so gefüllt ist, dass es nicht mehr tauchen kann, ohne dass es Tote geben würde, bringt er die gesamte Besatzung in Lebensgefahr. Das Kriegsdrama nach einem realen Fall stilisiert den Marine-Offizier durch charismatische Darstellung zum humanistischen Helden. Während der politische Hintergrund weitgehend ausgeblendet wird, sind die solide inszenierten Action-Szenen mit pathetischen Parolen und sentimentalen Rückblenden verbrämt. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
COMANDANTE
Produktionsland
Italen/Belgien
Produktionsjahr
2023
Produktionsfirma
Indigo Film/O'Groove/Tramp Ltd./VGroove/Wise Pict./Rai Cinema
Regie
Edoardo De Angelis
Buch
Edoardo De Angelis · Sandro Veronesi
Kamera
Ferran Paredes
Musik
Robert Del Naja · Euan Dickinson
Schnitt
Lorenzo Peluso
Darsteller
Pierfrancesco Favino (Salvatore Todaro) · Johan Heldenbergh (Georges Vogels) · Giuseppe Brunetti (Gigino Magnifico) · Massimiliano Rossi (Vittorio Marcon) · Arturo Muselli (Danilo Stiepovich)
Länge
117 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama | Historienfilm | Kriegsfilm
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Heimkino

Verleih DVD
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Kriegsdrama über einen italienischen U-Boot-Kommandanten, der im Zweiten Weltkrieg das Leben seiner Besatzung riskiert, um 26 schiffbrüchige Belgier zu retten.

Diskussion

Der U-Boot-Kommandant Salvatore Todaro (Pierfrancesco Favino) wurde bei einem Flugzeugabsturz so schwer verletzt, dass er seitdem ein Korsett mit schweren Gurten tragen muss. Obwohl der Korvettenkapitän nun in Rente gehen könnte und seine schöne Frau Rina schwanger ist, bricht er im September 1940 erneut zu einem Kampfeinsatz in den Atlantik auf. Nur mit großer Mühe gelingt es, die „Comandante Cappellini“ durch die Meerenge von Gibraltar zu manövrieren. Dabei opfert sich ein tapferer Matrose, der bei einem Taucheinsatz das Kabel einer Seemine durchtrennt, die das U-Boot an der Weiterfahrt hindert. Nach langer Fahrt stößt das Boot im Oktober 1940 auf das bewaffnete belgische Handelsschiff „Kabalo“, das unter britischer Flagge fährt und militärische Güter für Großbritannien transportiert. Bei einem Gefecht wird die „Kabalo“ so schwer getroffen, dass sie sinkt. 26 belgische Seeleute können sich in ein Rettungsboot flüchten.

Entgegen den militärischen Vorschriften befiehlt der eigensinnige Kommandant, die gegnerischen Schiffbrüchigen mit Wasser und Proviant zu versorgen und das Rettungsboot in Schlepptau zu nehmen. Todaro will die Nusschale bis zum nächsten Hafen auf der Azoren-Insel Santa Maria schleppen, die zum neutralen Portugal gehört. Unterwegs zerbricht das Rettungsboot jedoch – und er lässt die Belgier an Bord des U-Boots holen. Weil die „Cappellini“ nun überladen ist, dauert die Fahrt länger als geplant. Außerdem muss ein Teil der Geretteten im Kommandoturm bleiben, weil nicht alle in der engen Röhre Platz finden. Dadurch kann das U-Boot nicht mehr tauchen und könnte so zu einer leichten Beute für feindliche Flugzeuge oder Kriegsschiffe werden. Es sei denn, der Kommandant würde den Tauchbefehl geben und alle Männer im Turm ertrinken lassen.

Eine italienische Prestige-Produktion nach realen Ereignissen

Dem italienischen Kriegsdrama von Edoardo De Angelis wurde 2023 die Ehre zuteil, die Filmfestspiele von Venedig zu eröffnen. De Angelis’ Werk beruht auf einem realen Fall: Den italienischen U-Boot-Kommandanten Salvatore Todaro und die Rettung der Schiffbrüchigen des feindlichen Frachters als Akt der Humanität gab es wirklich. Todaro wurde im Dezember 1942 schließlich bei einem Angriff eines britischen Fliegers in der Nähe der tunesischen Galite-Inseln getötet. Nur 19 der 112 U-Boote der italienischen Marine überstanden den Zweiten Weltkrieg. Die „Cappelini“ gehört dazu: Sie fiel nach der Kapitulation Italiens 1943 erst an Japan, das sie dann an die deutsche Marine übergab. Für die Dreharbeiten wurde eine 73 Meter lange Kopie des U-Bootes in Originalgröße gebaut, die rund 70 Tonnen wog. Der Kameramann Ferran Paredes nutzt den Koloss für eindrucksvolle Action-Aufnahmen auf und unter Wasser.

Die Regiearbeit von Edoardo De Angelis erinnert vor allem in den Kampfszenen und den Aufnahmen aus der klaustrophobischen Enge der Stahlröhre an Wolfgang Petersens Kriegsfilmklassiker „Das Boot“, reicht aber nicht an dessen Intensität und Wucht heran. Dafür stellen sich bei einer Laufzeit von knapp zwei Stunden deutliche Längen ein. Der 1978 in Neapel geborene Drehbuchautor, Regisseur und Produzent stilisiert Todaro mit allzu plakativen Instrumenten zum Helden, der bei aller seemännischen Härte Humanität und Erbarmen zeigt und dafür mögliche disziplinarische Strafmaßnahmen in Kauf nimmt.

Der politische Kontext wird weitgehend ausgeblendet

Allerdings blendet De Angelis den politischen Kontext weitgehend aus. Einmal lässt der Kommandant nur wenig Sympathie für das Regime von Benito Mussolini erkennen; ansonsten wird der faschistische Hintergrund nur in einer weiteren Szene thematisiert, in der zwei wutentbrannte Belgier ihren Hass auf die Faschisten bekunden und in einer verzweifelten Sabotageaktion Stromkabel im U-Boot herausreißen.

Getragen wird die Inszenierung vor allem vom charismatischen Hauptdarsteller Pierfrancesco Favino, der es versteht, das Ethos eines patriotischen Berufsoffiziers ebenso glaubhaft zu verkörpern wie die Melancholie eines Soldaten, der ahnt, dass er von dem lebensgefährlichen Kampfeinsatz nicht lebend zurückkehren wird. Nicht umsonst hat ihm die Besatzung einen passenden Spitznamen verpasst, weil er angeblich hellseherische Fähigkeiten hat. Passend dazu sagt Todaro einmal: „Ich sehe auch, dass ich im Krieg streben werde.“

Die größte Schwäche des Films liegt darin, dass De Angelis und sein Ko-Autor Sandro Veronesi dem Kommandanten und anderen Kombattanten allerlei prätentiös-pathetische Aussagen in den Mund legen, die sie aus dem Off aufsagen müssen. So wendet sich Todaro mehrmals mit wehmütigen Mitteilungen an seine Frau, von denen unklar bleibt, ob sie die Adressatin erreichen. Von ähnlichem Pathos sind auch die gelegentlichen Rückblenden zum Abschied Todaros von seiner Frau geprägt, in der diese elegische Klaviermelodien spielt oder mit ihm bekleidet in der Badewanne liegt.

Aber trotzdem kann man dem Film zugutehalten, dass diese vom Tonfall her nicht gerade zeitgemäße Heldenfabel inhaltlich eine durchaus aktuelle Stoßrichtung hat. Angesichts der drastischen Abschottungspolitik der derzeitigen italienischen Rechtsregierung gegenüber Bootsflüchtlingen fällt es nicht schwer, einen Bogen von der moralischen Herausforderung, die sich Todaro damals gegenüber den in Seenot geratenen Kriegsgegnern stellte, zur bedrückenden Gegenwart zu schlagen, in der so viele Migranten auf dem Mittelmeer ertrinken. Die humanistische Gesinnung und mutige Tat des Kommandanten lassen sich als Gegenentwurf zur gegenwärtigen politischen Haltung deuten.

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