Das Mädchen deiner Träume

Drama | Spanien 1998 | 121 Minuten

Regie: Fernando Trueba

Im Herbst 1938 wird ein spanisches Filmteam mitten im Bürgerkrieg nach Nazideutschland ins Studio Babelsberg geschickt, um dort einen andalusischen Folklorefilm in einer deutschen und spanischen Sprachfassung zu drehen. Propagandaminister Josef Goebbels ist wie besessen von der jungen andalusischen Hauptdarstellerin und stellt ihr zusehends brutaler nach. Erst langsam wird den Filmemachern klar, in welch einer gefährlichen Lage sie sich befinden. Eine Tragikomödie zwischen der Welt des Films und dem nationalsozialistischen Terror. Trotz einiger Klischees entwickelt sie als Satire übers Verhältnis von Film und Faschismus beträchtlichen Biss. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
LA NIÑA DE TUS OJOS
Produktionsland
Spanien
Produktionsjahr
1998
Produktionsfirma
Creativos Asociados de Radio y Televisión/Fernando Trueba Producciones Cinematográficas/Lolafilms
Regie
Fernando Trueba
Buch
Rafael Azcona · Manuel Ángel Egea · Carlos López · David Trueba
Kamera
Javier Aguirresarobe
Musik
Antoine Duhamel
Schnitt
Carmen Frías
Darsteller
Penélope Cruz (Macarena Granada) · Antonio Resines (Blas Fontiveros) · Jorge Sanz (Julián Torralba) · Rosa Maria Sardà (Rosa Rosales) · Santiago Segura (Castillo)
Länge
121 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama | Historienfilm | Tragikomödie
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Eine bissig-absurde Tragikomödie ums Verhältnis von Film und Faschismus, festgemacht an einem spanischen Filmteam, das mitten im spanischen Bürgerkrieg vom Franco-System nach Hitler-Deutschland geschickt wird, um dort ein Folklore-Drama in zwei Sprachversionen zu drehen.

Diskussion

1938: Geschäftiges Treiben auf dem Ufa-Gelände in Babelsberg. Römische Legionäre warten in voller Montur auf ihren Einsatz. Techniker, Statisten und Schauspieler stehen vor den Studios herum. Hier werden Historien- und Heimatfilme, Krimis und Liebesgeschichten gedreht, der deutsche Film boomt. Dann kommt der Reichsminister selbst in einer schwarzen Limousine. Alle heben den Arm zum Hitlergruß, sogar ein wohldressierter schwarzer Hund. Aber Josef Goebbels (Johannes Silberschneider) interessieren die Ehrenbezeugungen wenig. Er starrt lüstern auf die junge Schauspielerin Macarena Granada (Penélope Cruz) aus Spanien. Wenig später singt sie vor der Kamera in gebrochenem Deutsch auf eine spanische Melodie: „Wenn du mich heute nicht küsst, tut es dir morgen schon leid ...“

Faschistische Folklore

Die 1998 erschienene Tragikomödie „La niña de tus ojos – Das Mädchen deiner Träume“ kreist um die NS-Diktatur in Deutschland und die ihr willig dienende Filmkunst, um Staatsterrorismus, antisemitischen Terror und Konzentrationslager. Regisseur Fernando Trueba erzählt aus der Perspektive eines Filmteams, das direkt aus dem Spanischen Bürgerkrieg ins mit den Francisten befreundete „Dritte Reich“ gekommen ist. In den Ufa-Studios soll Macarena die Hauptrolle in einem Folklorefilm mit vagen Anklängen an Merimeés „Carmen“ spielen. Die deutsch-spanische Koproduktion wird mit viel Musik und rhythmischem Klatschen in zwei Sprachversionen gedreht.

Aber die Kulissen im märkischen Sand haben wenig andalusisches Flair, und die Statisten der Flamencoszenen sind zu blond und zu blauäugig. Minister Goebbels lässt sich nicht lumpen und schafft Roma- und Juden-Häftlinge in die Studios, die KZ-Statisten sollen ethnische Exotik in den Film bringen. Ähnliches geschah realiter Anfang der 1940er-Jahre, als Leni Riefenstahls Produktionsfirma für den Film „Tiefland“ „Zigeuner-Komparsen“ aus dem Konzentrationslager anforderte, die nach Ende der Dreharbeiten wieder ins KZ zurückgeschickt wurden.

Eine deutsch-spanische Filmgeschichte

Auch sonst basiert die Handlung lose auf filmgeschichtlichen Fakten: 1937 sang die sehr erfolgreiche spanische Schauspielerin Imperio Argentina für die Flamenco-Schnulze „Andalusische Nächte“, die für den Film-im-Film in Truebas Werk Pate stand, in zwei Sprachversionen, die unter der Regie von Florian Rey (spanisch) und Herbert Maisch (deutsch) entstanden. Das war Routine: Sieben Spielfilme produzierten die Filmemacher Francos in den Babelsberger Studios.

Vordergründig unpolitisch, reproduzierten diese andalusischen Folkloredramen die Vision der spanischen Faschisten einer antimodernen und pittoresken, vorindustriellen Agrargesellschaft. Filme, die auch das Bedürfnis des deutschen Publikums nach Exotik befriedigen sollten und von denen die Ufa sich einen Zugang zum spanischsprachigen Markt in Lateinamerika erhoffte. In „Das Mädchen deiner Träume“ wird daraus ein antifaschistisches Schelmenstück.

Kabale, Liebe, Flamenco und NS-Terror

Den 1955 geborenen spanischen Regisseur Fernando Trueba erinnert die Geschichte um die deutsch-spanischen Koproduktionen an Lubitschs „Sein oder Nichtsein“ oder Carlos Sauras „Ay, Carmela!“. In zwei Tragikomödien hatte er sich bereits mit spanischer Zeitgeschichte auseinandergesetzt: 1986 mit der Repression der frühen Franco-Zeit in „Das Jahr der Aufklärung“ („El año de las luces“) und 1992 mit dem freizügigen Lebensgefühl der spanischen Republik in „Belle Epoque – Saison der Liebe“.

Für „Das Mädchen deiner Träume“ arbeitete Trueba wieder mit dem 2006 verstorbenen Rafael Azcona zusammen, lange Jahre der bedeutendste spanische Drehbuchautor und ein Virtuose des schwarzen Humors. Die Komik des Films beruht zum einen auf den Liebeleien und Eifersüchteleien innerhalb des spanischen Filmteams und zum anderen auf dem Zusammenstoß zweier Kulturen. Das beginnt zunächst heiter, bei Missverständnissen auf dem Set und erotischen Avancen. Aber dann erleben die spanischen Filmschaffenden, von denen einige das NS-Regime zuvor verherrlichen, den Terror der Machthaber hautnah. Bei der sogenannten „Reichskristallnacht“ werden sie fast verprügelt, als SA-Schergen das jüdische Restaurant stürmen, in dem sie gerade zu Abend essen; sie erleben die immer brutaleren Annäherungsversuche Goebbels an Macarena und geraten nach der Flucht eines Roma-Statisten in eine Art Geiselhaft. Anhand der brüllenden Deutschen läutern sich selbst die hartgesottenen Franco-Anhänger: Der Hauptdarsteller, ein überzeugter Faschist, wird, nachdem er irrtümlich im KZ gelandet ist, zum Hitler-Gegner.

Das alles erzählt Trueba dynamisch, mit spritzigen Dialogen und guten Schauspielern – Penélope Cruz als hoffnungsvolle Nachwuchsdiva, die um ihren Vater im spanischen Gefängnis bangt, Jorge Sanz als faschistischer Galan und Antonio Resines als skeptischer Regisseur, der an seinem Handwerk zweifelt.

Satire übers Verhältnis von Film und Faschismus

Während der Rhythmus innerhalb der spanischen Truppe stimmt, wirkt die deutsche Seite mitunter sehr eindimensional. Auch wenn Johannes Silberschneider als Josef Goebbels eine großartige Leistung bringt und auch Hanna Schygulla als Magda Goebbels in einer sehr entscheidenden Nebenrolle überzeugt, bleibt der Gesamteindruck der deutschen Nebenfiguren oft holzschnittartig. Aber trotz aller Klischees und Stereotypen hat „Das Mädchen deiner Träume“ auch fünfundzwanzig Jahre nach seiner Entstehung immer noch Biss als Satire übers Verhältnis von Film und Faschismus. Die direkte Fortsetzung drehte Fernando Trueba erst rund 20 Jahre später: „Die Königin von Spanien“ spielt 1956 und erzählt von der Rückkehr der mittlerweile zum Hollywood-Star aufgestiegenen Macarena nach Spanien, in die Diktatur General Francos.

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