Dokumentarfilm | Deutschland 2023 | 93 Minuten

Regie: Sobo Swobodnik

Während der Proben zu dem Stück „Golem“ am RambaZamba-Theater in Berlin beobachtet der Dokumentarfilm ein halbes Jahr lang, wie die inklusive Zusammenarbeit von Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen funktioniert. Der Film springt mitten in die Probearbeit und montiert assoziativ viele Elemente aus der Genese einer Inszenierung, ergänzt um Camcorder-Aufnahmen der Mitwirkenden. Eine hinreißende Hommage ans Theater als Ermöglichungsraum für kollektiv erarbeitete Kunst, die jede gönnerhafte Haltung gegenüber den Porträtierten vermeidet. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2023
Produktionsfirma
welt|film Filmproduktion
Regie
Sobo Swobodnik
Buch
Sobo Swobodnik
Kamera
Sobo Swobodnik
Musik
Elias Gottstein
Schnitt
Manuel Stettner
Länge
93 Minuten
Kinostart
11.05.2023
Fsk
ab 6
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
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Ungewöhnlicher Dokumentarfilm über die Entstehung des Stücks „Golem“ am Ramba-Zamba-Theater in Berlin, in dem Menschen mit und ohne Beeinträchtigung zusammenarbeiten.

Diskussion

Mitunter sind es die kleinen Entscheidungen, die nicht nur über das Gelingen eines Projektes entscheiden, sondern auch etwas über die Haltung der Macher verraten. Zu Beginn des Dokumentarfilms „Ramba Zamba“ von Sobo Swobodnik erhalten einige der Mitwirkenden eine Einführung in die Bedienung eines Camcorders, um damit ihre Eindrücke während der Probenzeit am „RambaZamba-Theater“ zu dokumentieren. Dort entwickeln seit 1990 Menschen mit und ohne Beeinträchtigung gemeinsam Theaterprojekte, lange bevor der Begriff „Inklusion“ die Runde machte.

Aus unterschiedlichen Gründen zählen Theatermacher wie Heiner Müller, Frank Castorf oder Leander Haußmann zu den Fans dieser abenteuerlustigen Spielstätte. Auch der produktive Filmemacher Swobodnik gehört seit zwei Jahrzehnten zu den Zuschauern, die von den ungewöhnlichen Inszenierungen des Theaters regelrecht „geflasht“ sind. Genau davon erzählt der Film. Inspiriert durch persönliche Kontakte und den bevorstehenden 30. Geburtstag des Theaters entstand die Idee zu diesem Film. Doch dann kam die Pandemie und verzögerte die Realisierung. Die Dreharbeiten begannen erst im Frühjahr 2021 und begleiteten die Proben für die Inszenierung von „Golem“ von Bernd Freytag unter der Regie von Jacob Höhne.

Mitten hinein in die Probenarbeit

Swobonik spart sich die üblichen Konventionen einer Doku über Inklusion und Theaterarbeit. Statt dem gönnerhaft-pädagogischen Narrativ mit diversen Interviews und Kurzvorstellungen, ergänzt um einen Kommentar und angereichert mit Archivmaterial zur Geschichte des Hauses plus als Höhepunkt Ausschnitte aus der Premiere springt der Film gleich mitten in die Probenarbeit. Im Vertrauen darauf, dass sich Zusammenhänge allmählich wie von selbst ergeben. Gezeigt werden Ausschnitte aus Improvisationsübungen, die Entwicklung komplexer Tanzchoreografien, Gesangsübungen, Gespräche über mögliche andere inszenatorische Lösungen, immer erweitert um das Material, das die Mitwirkenden mit ihren Camcordern gedreht haben.

Auf diese Weise ist, mal suchend, mal routiniert, alles möglich: Filmische Notizen von kurzen Urlaubsreisen ebenso wie filmische Erkundungen privater Räume mit Blicken auf Bücherwände und Sammlungen von Matchbox-Autos, unterfüttert von mal humorvollen, mal resoluten Off-Kommentaren der mitwirkenden Schauspieler:innen, die durchaus auch als Aktivisten in Sachen Inklusion unterwegs sind.

Ein inkludierender Film

Swobodnik gelingt auf diese Weise scheinbar mühelos, was ihm für dieses Projekt vorschwebte: kein freundlich-pädagogischer Film über Inklusion, sondern – im Gegenteil – ein inkludierender Film. Beeindruckend der Enthusiasmus und die Zugewandtheit, mit dem die Mitwirkenden, ob mit oder ohne Beeinträchtigung(en), an der Inszenierung feilen. Mit unterschiedlichem Aplomb und je nach Temperament nutzen die mit Kameras versorgten Mitwirkenden die ihnen gebotene Plattform zur Selbstdarstellung. Mitunter müssen andere verbal etwas bremsen. Poster an der Wand erinnern an ältere Inszenierungen von Heiner Müller, Samuel Beckett oder Friedrich Schiller.

Das assoziative, kommentarlos beobachtende Erzählverfahren lässt „Ramba Zamba“ zunächst vielleicht etwas unübersichtlich und sprunghaft wirken, schärft aber nach einer kurzen Orientierungsphase die Konturen der Persönlichkeiten, die durchweg auf je eigene Weise als charismatisch bezeichnet werden können.

Kollektiv erarbeitete Kunst

Wenn sich dann gegen Ende die Puzzleteilchen aus den Proben zur Premieren-Aufführung fügen, wird deutlich, dass es sich bei „Golem“ um eine packende Inszenierung voller prägnanter Bilder, Choreografien und musikalischer Vignetten handelt. Ohne dass der Film es nötig hätte, den Sachverhalt gelungener Inklusion nochmals als etwas besonders Erwähnenswertes zu profilieren. Schlicht deshalb, weil das Publikum im Theater und jetzt auch im Kino reichlich Gelegenheit hat, dies als Qualität für sich zu würdigen. Außerdem: „Ramba Zamba“ ist nicht zuletzt eine hinreißende Hommage an das Theater als Ermöglichungsraum für kollektiv erarbeitete Kunst.

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