Erica Jong - Breaking the Wall
Dokumentarfilm | Schweiz 2022 | 95 Minuten
Regie: Kaspar Kasics
Filmdaten
- Originaltitel
- ERICA JONG - BREAKING THE WALL
- Produktionsland
- Schweiz
- Produktionsjahr
- 2022
- Produktionsfirma
- Distant Lights/Dschoint Ventschr Filmprod./SRF
- Regie
- Kaspar Kasics
- Buch
- Kaspar Kasics
- Kamera
- Isabelle Casez · Gabriel Lobos · Christine A. Maier · James Carman
- Schnitt
- Christiane Schniebel
- Länge
- 95 Minuten
- Kinostart
- 23.03.2023
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Dokumentarisches Porträt über die US-Schriftstellerin Erica Jong, die mit ihrem Debütroman „Angst vorm Fliegen“ berühmt wurde und bis heute als Leitfigur des Feminismus gilt.
Gähnende Leere herrscht auf den nassen Straßen von New York. Wo sonst unzählige Autos die Schluchten zwischen den Häusern verstopfen, kann man während der Pandemie die Zahl der Wagen an einer Hand abzählen. Nur ein paar einsame Gestalten bewegen sich auf den leeren Bürgersteigen. „Noch nie habe ich das erlebt, dieses Gefühl der Isolation“, sagt die US-Schriftstellerin Erica Jong zu Beginn des dokumentarischen Porträts aus dem Off. Und fragt den Schweizer Regisseur Kaspar Kasics: „Wie können wir den Film zu Ende drehen?“ Denn wegen der Corona-Pandemie sind keine Reisen mehr möglich.
Haben sich die beiden mit dem Virus infiziert? Haben sie die Pandemie physisch und psychisch unbeschadet überstanden? Wie konnte „Erica Jong – Breaking the Wall“ dennoch abgeschlossen werden? Solche Fragen liegen nahe, doch sie bleiben ohne Antwort. Der seltsame Einstieg ist symptomatisch für eine filmische Arbeit, die durchaus bedeutsame Sujets anschneidet, dann aber nicht vertieft.
Ein anderes Beispiel für vergeudete Gelegenheiten ist ein Aufenthalt Jongs im nebeligen Venedig. Sie hat die Stadt häufig besucht und dort 1987 ihren Roman „Shylock’s Daughter“ angesiedelt. Man verfolgt mit, wie sie sich auf ein Video-Interview vorbereitet, wie sie durch leere Kanäle fährt und mit einem weiblichen Gondoliere parliert. Aber was die 81-jährige Schriftstellerin an der Lagunenstadt so fasziniert und warum sie immer wieder dorthin reist, erfährt man nicht.
Im Schlepptau von „Angst vorm Fliegen“
Der Dokumentarist Kaspar Kasics konzentriert sich in der Filmbiografie vor allem auf den autobiografisch geprägten Roman „Angst vorm Fliegen“ (1973) und seine Folgen, mit dem die Autorin schlagartig weltberühmt wurde. Mit ihrem Debütroman, der mit seiner freizügigen Darstellung weiblicher Sexualität großes Aufsehen erregte und in den damals noch recht prüden Vereinigten Staaten für viele einen provokanten Tabubruch darstellte, etablierte sich die damals 31-jährige Jong als Leitfigur des Feminismus. Inzwischen hat sich der Roman weltweit rund 40 Millionen Mal verkauft. 1977 und 1984 folgten mit „Rette sich wer kann“ und „Fallschirme und Küsse“ zwei Fortsetzungen um die Hauptfigur Isadora Wing.
Erica Jong wurde 1942 in New York geboren. Ihr Vater war Musiker mit polnisch-jüdischen Wurzeln, ihre Mutter stammte aus einer jüdisch-russischen Familie und arbeitete als Malerin und Designerin. Schon als Kind beschloss Jong, eine erfolgreiche Schriftstellerin zu werden. Sie kann auf ein ereignisreiches Privatleben zurückschauen: Jong ist zum vierten Mal verheiratet. 1989 ehelichte sie den Scheidungsanwalt Kenneth David Burrows, mit dem sie abwechselnd in New York City und Weston, Connecticut, lebt. Auch für Burrows ist es die vierte Eheschließung.
Das dokumentarische Porträt kombiniert Statements der Protagonistin, Ausschnitte aus US-Fernsehshows, Telefonate mit dem Regisseur, Impressionen aus ihrem Alltagsleben und ein längeres Gespräch mit einer ihrer Schwestern zu einem abwechslungsreichen filmischen Mosaik. Breiten Raum nimmt darin die Beschreibung von Kindheit und Jugend ein, insbesondere das spannungsreiche Verhältnis zur dominanten Mutter, die offenkundig ihre Tochter um den Ruhm beneidete, der ihr verwehrt blieb.
Die prüde US-Gesellschaft
Ebenfalls ausführlich werden Jongs Erfahrungen mit den Vorurteilen der US-Gesellschaft gegenüber Frauen, die über Sex reden, dargestellt. Dabei wird deutlich, dass ihre literarische Rebellion nur partiell erfolgreich war: Die emanzipatorischen Fortschritte halten sich in den USA in Grenzen und beschränken sich oft auf wohlhabende Frauen. Dass noch immer Handlungsbedarf besteht, zeigt eine Sequenz, in der Jong ein von ihr unterstütztes New Yorker Schreibzentrum besucht und sich mit drei Nachwuchsautorinnen austauscht.
Kasics ist es gelungen, ein solides Vertrauensverhältnis zu Jong aufzubauen. Denn vor der Kamera gibt sie sich mitteilsam bis auskunftsfreudig. Sie spricht auch selbstkritisch über Fehlentscheidungen und Widersprüche. So räumt sie etwas ein: „Ich habe zu offen über meine Familie geschrieben. Ich war wütend.“ Und räumt im Gedankenaustausch mit ihrer Schwester ein, dass ausgerechnet sie als das aufmüpfigste Mitglied ihrer Familie gleich vier Mal ganz konventionell geheiratet habe: „Unbewusst habe auch ich die Männer wohl lange Zeit als Macher gesehen.“
Obwohl die vielfach ausgezeichnete Autorin bis heute mehr als zwei Dutzend Romane, Sachbücher und Gedichtbände veröffentlicht hat, konnte sie an ihren Welterfolg nie mehr anknüpfen. Ihre anderen Werke kommen im Film nur sporadisch vor; so erörtert sie mit ihrer Tochter Molly Jong-Fast, die ebenfalls Schriftstellerin ist, in ihrem eleganten Appartement in New York City die Reihenfolge der Kapitel in einem Manuskript namens „Selfie“. Nicht nur Literaturfreunde hätten gerne mehr über ihre sonstigen literarischen Produktionen erfahren.