Die Zukunft in unseren Händen
Drama | Frankreich 2022 | 98 Minuten
Regie: Léa Fehner
Filmdaten
- Originaltitel
- SAGES-FEMMES
- Produktionsland
- Frankreich
- Produktionsjahr
- 2022
- Produktionsfirma
- Geko Films/Arte France
- Regie
- Léa Fehner
- Buch
- Léa Fehner · Catherine Paillé
- Kamera
- Jacques Girault
- Musik
- José Fehner
- Schnitt
- Julien Chigot
- Darsteller
- Héloïse Janjaud (Louise) · Khadija Kouyaté (Sofia) · Quentin Vernede (Valentin) · Tarik Kariouh (Reda) · Myriem Akheddiou (Bénédicte)
- Länge
- 98 Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 14.
- Genre
- Drama
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Fast dokumentarisch anmutendes Drama über zwei junge Hebammen, die auf einer Entbindungsstation mit den Freuden und Strapazen ihres Berufs konfrontiert werden.
Schon am ersten Tag auf der Entbindungsstation ist die Stimmung am Limit. Die Freundinnen Sofia (Khadija Kouyaté) und Louise (Héloïse Janjaud) tauchen unmittelbar in ein hektisches Gewusel ein, in dem jeder gereizt ist und niemand für die Neuen verantwortlich sein will. Eine unüberlegte Frage oder ein kurzes Zögern reichen aus, um die erfahrenen Kolleginnen zu einer Standpauke zu provozieren. Ordnung in diesem Chaos schafft lediglich eine Schreibtafel an der Wand, auf die noch schnell gekritzelt wird, wer gerade für was zuständig ist.
Neben dem rauen und gestressten Ton unter den Mitarbeiterinnen gibt es allerdings noch eine weitere Ebene der Kommunikation. Mitleidslos staucht etwa die Stations-Älteste Bénédicte (Myriem Akheddiou) die unbedarfte Louise zusammen, um in der nächsten Sekunde mit ruhiger Stimme auf eine Patientin einzugehen. Als Louise gegenüber dem besorgten Elternpaar eines Frühgeborenen in Tränen ausbricht, folgt die nächste Schimpftirade der Vorgesetzten. Einfühlsam soll man sein, aber professionell bleiben.
Unterbezahlt und notorisch überlastet
„Die Zukunft in unseren Händen“ von Léa Fehner ist unübersehbar von der aktuellen Debatte über überlastetes Pflegepersonal geprägt. Der Film macht betroffen angesichts solcher Arbeitsbedingungen, bei der Menschen regelrecht verschlissen werden. Er zeigt die unterbezahlten und notorisch überlasteten Hebammen ebenso wie die ohnehin oft gebeutelten Patientinnen, denen kaum jemand Aufmerksamkeit schenken kann. Als sich im Pausenraum ein hitziges Streitgespräch über vermeidbare Fehler entwickelt, geht es nicht um Schuld, weil alle wissen, dass die Ursache ein ungenügendes Gesundheitssystem ist. Doch dann muss die Diskussion unterbrochen werden, weil selbst dafür die Zeit fehlt.
Obwohl der Film aktivistisch mit dokumentarischen Aufnahmen von einer Demonstration endet, ist er mehr als ein bloßer Debattenbeitrag. Statt den Film von einem Thema her zu denken, entwickelt ihn die Regisseurin aus den Figuren, die diese Strapazen erleiden müssen. Als sensible Neulinge sind die beiden Protagonistinnen zunächst der Schlüssel für den Mikrokosmos der Station. Sie offenbaren aber auch unterschiedliche Strategien, mit der Ausnahmesituation umzugehen. Louise hat den Job zwar lediglich aus pragmatischen Gründen angenommen und macht zunächst alles falsch, findet mit ihrer sanften und geduldigen Art aber einen eigenen Zugang zu den Patientinnen. Sofia dagegen sieht die Arbeit als Bestimmung, macht sich durch ihren aggressiven Perfektionismus sowie durch ihre Unfähigkeit, emotional Abstand zu halten, aber zunehmend selbst kaputt.
Ständiges Wechselbad der Gefühle
Mit Handkamera, schnellen Schnitten und sparsam eingesetzter Klaviermusik fängt „Die Zukunft in unseren Händen“ den kräftezehrenden Arbeitsalltag ein und lebt von einem ständigen Wechselbad der Gefühle. Spannend ist der Film, wenn die Hebammen um das Leben eines Neugeborenen kämpfen; traurig, wenn ein Elternpaar mit dem quälenden Verlust seines Kindes konfrontiert wird. Und lustig, wenn eine überfürsorgliche, unaufhaltsam plappernde Großmutter in spe die Nerven der Belegschaft strapaziert.
Gekonnt wechselt die Regisseurin zwischen diesen Registern und schafft eine konsequent fragile Atmosphäre, in der die Stimmung jederzeit kippen kann. Weil es vor allem um die Arbeit geht, bekommt man nur am Rand mit, was die Protagonistinnen außerhalb treiben. Dass sich zwischen Louise und dem Pfleger Reda (Tarik Kariouh) vermutlich eine Beziehung entspinnt, verrät lediglich eine kurze, zärtliche Handbewegung und der wissende Blick einer Kollegin.
Sehr wohl erzählt Léa Fehner allerdings davon, wie die Arbeit sich ins Privatleben drängt oder es sogar völlig auslöscht. Für die eigenen Kinder bleibt kaum Zeit, und für einen verdienten Urlaub fehlt das Geld. Und doch wollen sich die Nachwuchs-Hebammen nicht mit dem täglichen Unrecht abfinden und lassen etwa eine obdachlose Mutter gegen alle Ratschläge bei sich einziehen. Am Ende sind Sofia und Louise zwar eingearbeitet; sie ringen aber noch mit der schwierigen Erkenntnis, dass ihr Handlungsspielraum begrenzt ist.