Eigentlich hat der New Yorker Journalist Ben (B.J. Novak) die Texanerin Abilene gar nicht richtig gekannt. Sie hatten ein kurzes Techtelmechtel miteinander. Sie war nur „ein Mädchen in meinem Telefonverzeichnis“, wie Ben später sagt. Doch nach ihrem tragischen Tod durch eine Überdosis insistiert ihr Bruder Ty am Telefon dermaßen, dass sich Ben ins ländliche Texas aufmacht, um ihr bei der Beerdigung die letzte Ehre zu erweisen. Abilenes Familie hält ihn für den rechtmäßigen Ex der Verstorbenen und empfängt Ben nach seiner improvisierten Grabrede, die eigentlich peinlich ist, was aufgrund der allgemeinen Trauer aber nicht auffällt, mit offenen Armen.
Die Familie bestätigt jedes Klischee von beschränkten texanischen Provinzlern: Die verbliebenen Töchter Paris und Kansas City wollen berühmt werden, die Oma liebt Waffen und die Südstaaten-Armee, der kleine Bruder wird nur „El Stupido“ genannt und auch die warmherzige Mama Sharon verfügt über ein wenig komplexes Weltbild.
Alternative Fakten in Texas
Abilenes Bruder Ty (Boyd Holbrook), ein Redneck, wie er im Buche steht, mutmaßt, dass Abilene eines gewaltsamen Todes gestorben sei. Er will sich an dem vermeintlichen Mörder seiner Schwester rächen, ohne irgendwelche Beweise zu haben; Ben soll mitmachen. Der reagiert verständlicherweise zurückhaltend, kommt aber auf eine andere Idee. Für eine renommierte Redakteurin will er einen Podcast produzieren. Das Thema: alternative Fakten in Texas und die Verblendung der Menschen, die nicht mit der Realität umgehen können und einen Schuldigen brauchen.
Die Redakteurin beißt prompt an, und so begibt sich Ben auf eine ausufernde Spurensuche. Er interviewt etliche Menschen, die Abilene gekannt haben oder auch nicht, darunter einen dubiosen, aber hochphilosophischen Musikproduzenten (Ashton Kutcher), einen Latino-Drogenboss und Polizisten, die den Tod nicht untersucht haben, weil sie die Zuständigkeit für den Fall bei anderen Ordnungshütern sahen. Auf diese Weise lernt Ben einiges über die Mentalität der Menschen in West-Texas und legt sie in seinem Podcast dar, der sich, sehr zur Zufriedenheit der Redakteurin, großer Beliebtheit erfreut.
Zunächst präsentiert sich „Rache auf Texanisch“ als simple Geschichte, in der ein arroganter Ostküsten-Städtler auf einfach gestrickte Hillbillies trifft. Um bei den Einheimischen besser anzukommen, kauft sich Ben karierte Cowboy-Hemden und besucht sogar eine Rodeo-Veranstaltung. Dort aber jubelt er dummerweise für die falsche Texas-Universität und macht sich auch in anderen Situationen anfangs zum Deppen. Die Codes des alltäglichen Umgangs funktionieren hier anders. Ironie, popkulturelle Anspielungen oder einfache Schmeicheleien werden nicht verstanden. Auch Kaffee gibt es nicht in 15 Ausführungen, weshalb Bens Frage, wie der Kaffee getrunken werde, mit einem verständnislosen „Im Mund!“ quittiert wird. In West-Texas ist man direkt, regelt Angelegenheiten unter Männern, lässt die Polizei aus dem Spiel und ist nicht so empfindlich oder politisch korrekt wie ein vermeintlich aufgeklärter Metropolen-Bewohner.
Ein erfrischender Solitär
Doch allmählich fühlt sich Ben in die Denkweise der Menschen vor Ort ein und entdeckt, wie es das Genre des „Fish out of water“ will, ungeahnte Wärme, Weisheit und die Kraft des positiven Festhaltens an Traditionen. Das ist nicht unerwartet, wird von Hauptdarsteller, Drehbuchautor und Regisseur B.J. Novak aber durchaus unterhaltsam und humorvoll geschildert. So ganz für einen Ton entscheiden kann sich Novak aber dennoch nicht. Der Film wagt keine Übertreibungen oder wirkliche Provokationen, weil er im Herzen dann doch zu sehr um Ausgewogenheit bemüht ist und sowohl der eingebildete New Yorker als auch die bodenständigen Texaner karikiert werden.
Narrativ schlägt der Film allerdings immer interessantere Volten und lässt Ben nicht nur in Soziologie, sondern auch in Kriminologie dazulernen und zu einem wahren Ermittler reifen. Das Ende wartet mit ein paar echten Überraschungen auf, die Bens investigative Prämisse ad absurdum führen. Der Film steigert sich dann jedoch in eine Auflösung, die seinem Geist widerspricht und – im wahrsten Sinne des Wortes – über das Ziel hinausschießt.
Trotzdem kommt „Rache auf Texanisch“ als recht erfrischender Solitär unter den aktuellen US-Produktionen daher, der sich in seiner Machart nicht ohne weiteres einordnen lässt. Es handelt sich weder um eine typische dialoglastige Indie-Produktion noch um nach Schema X durchgetakteten Mainstream. Zudem punktet „Rache auf Texanisch“ sowohl mit unverbrauchten Schauplätzen als auch mit einem freudig aufspielenden Ensemble.