Mutter Mutter Kind
Dokumentarfilm | Deutschland 2022 | 97 Minuten
Regie: Annette Ernst
Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2022
- Produktionsfirma
- Stoked Film/JIP Film und Verleih
- Regie
- Annette Ernst
- Buch
- Annette Ernst
- Kamera
- Nina Werth
- Musik
- Nina Werth
- Schnitt
- Anja Lüdcke
- Länge
- 97 Minuten
- Kinostart
- 20.10.2022
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Dokumentarfilm | Dokumentarisches Porträt
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Doku über zwei Frauen, die glücklich zusammenleben und mit Hilfe eines Mannes, der als Samenspender fungiert, im Laufe der Jahre drei Kinder bekommen. Doch auch Regenbogenfamilien haben ihre Geheimnisse.
Zwei Frauen, die zusammenleben, wünschen sich ein Kind. Per Zeitungsannonce suchen Anny und Pedi einen Samenspender – und werden fündig. Eike ist ein freundlicher, beinahe schüchterner Mann, der sich mit allen Bedingungen einverstanden erklärt und keine Rechte aus seiner Vaterschaft geltend macht. Ohne medizinische Unterstützung und sozusagen in Heimarbeit führen die beiden Frauen mit einfachen Mitteln die Insemination durch. Bereits der erste Versuch klappt. Eike wird der biologische Vater der drei Söhne, die Anny und Pedi zur Welt bringen. Der Film beginnt 2009, als Anny mit dem jüngsten Sohn schwanger ist, und endet zwölf Jahre später, im Jahr 2021.
Drei fidele Kinder erobern die Welt
Im Vordergrund der Langzeitbeobachtung stehen die beiden Frauen: die fast immer gut gelaunte Anny mit ihrem offenen Lachen und die etwas zurückhaltendere, aber humorvolle Pedi, die als Chemielaborantin arbeitet. Anny ist ausgebildete Krankenschwester und ändert im Lauf des Films ihre berufliche Richtung. Die Kinder erfüllen ebenfalls eine wichtige Funktion im Film, abgesehen davon, dass es Spaß macht, ihnen zuzusehen und zuzuhören. Sie sind nicht nur für die einfallsreiche Gestaltung der jeweiligen Jahreszahlen zuständig, die den lockeren Rahmen der filmischen Chronologie bilden; ihr vollkommen selbstverständlicher Umgang mit dem eigenen Familienleben macht sie zu den wichtigsten Zeugen für den Erfolg dieser ungewöhnlichen Konstellation.
Für sie ist Eike, von dem sie wissen, dass er ihr biologischer Vater ist, eine Art Onkel, ein Freund der Familie, den sie ab und an gerne treffen. Er ist ein interessanter Mensch, von Beruf Heilpraktiker und Osteopath, der in seiner Freizeit japanische Kampfsportarten betreibt; ein sympathisch wirkender, introvertierter Mensch, der offenbar nicht gerne über sich spricht.
Neben Anny, Pedi, Eike und den drei Jungs ist auch Karsten, Annys jüngerer Bruder, eine wichtige Person im Film. Er geht sehr direkt und offen mit den Herausforderungen um, die sich für ihn aus Annys und Pedis Beziehung ergeben. An ihm lässt sich deutlich erkennen, wie sich Vorurteile und Klischees durch die Konfrontation mit der Realität mit der Zeit abbauen.
Eine unerwartete Enkelschaft
Eines Tages erfahren Pedi und Anny, dass Eike noch anderen Frauenpärchen auf die Sprünge geholfen hat. Er hat insgesamt acht Kinder. Das ist erst mal ein Schock für die beiden, denn aus irgendeinem Grund hatten sie geglaubt, dass er ihnen sein Sperma exklusiv zur Verfügung stellen würde. Dank Eikes einziger Tochter Linn, die sich als findige Detektivin und gute Diplomatin entpuppt, finden die unterschiedlichen Familien zueinander, sodass sich alle Geschwister kennenlernen. Eine große Party zum 80. Geburtstag von Eikes Mutter Elke bringt sie schließlich alle zusammen; die unerwartete Enkelschar wird von Elke mit offenen Armen aufgenommen.
Die Dokumentaristin Annette Ernst hat für „Mutter Mutter Kind“ eine abwechslungsreiche Struktur gewählt, die durch die Jahre und die Geschehnisse führt. Sie begleitet ihre Protagonistinnen und verknüpft Alltagsbilder aus dem Familienleben von Anny und Pedi mit Gesprächsszenen, in denen andere direkt oder indirekt Beteiligte zu Worte kommen, etwa Annys Eltern oder Karstens Freundin. Obwohl von einer Langzeitbeobachtung so keine klassische, dramaturgisch gebaute Handlung zu erwarten ist, ergeben sich einige Höhepunkte in Form von unerwarteten Wendungen, insbesondere durch die Entdeckung, dass Eike noch weitere Kinder gezeugt hat, wodurch sich der Kreis der Beteiligten erheblich erweitert. Mit ihrer unkomplizierten Art übernimmt Linn für kurze Zeit das Zepter und so etwas Ähnliches wie die Hauptrolle.
Zusätzlich zur Familiengeschichte, die eigentlich genügend Stoff bietet, liefert „Mutter Mutter Kind“ einen Überblick über die homosexuelle Emanzipationsbewegung in den letzten Jahrzehnten. Diese Entwicklung hat auch Auswirkungen auf Annys und Pedis Partnerschaft, die mittlerweile einem heterosexuellen Paar gleichgestellt und verheiratet sind, einschließlich kirchlicher Trauung durch einen schwulen Pfarrer.
Des Volkes Stimme
Doch Annette Ernst verschweigt auch die Probleme nicht. Sie thematisiert die Schwierigkeiten, denen Homosexuelle, vor allem Männer, ausgesetzt sind, und zeigt Bilder von Demonstrationen gegen die „Homo-Ehe“; neben dem historischen Rückblick beobachtet sie auch aktuelle Tendenzen. Denn auch wenn Anny und Pedi mit ihrer Familie in Harmonie leben, ist der Kampf um Gleichstellung und Anerkennung homosexueller Liebe noch lang nicht beendet; es muss noch viel passieren, damit die unterschiedlichen Familienmodelle akzeptiert werden.
Es ist dem Film hoch anzurechnen, dass er auch die Probleme aufzeigt, mit denen sich Homosexuelle, ob mit oder ohne Kinder, herumplagen müssen. Als einer Art Gegenpol zum fröhlichen Familienleben der immer größeren Regenbogenfamilie ist wohl eine Art Talkshow gedacht, in der zwei Schauspieler, die eine Mutter und einen Psychotherapeuten darstellen, das verkörpern, was man möglicherweise „Volkes Stimme“ nennen könnte. Die beiden sind sich grundsätzlich einig in ihren Bedenken gegenüber gleichgeschlechtlichen Eltern und bestätigen sich gegenseitig permanent, was dramaturgisch keine gute Idee ist und die eingestreuten Kommentare unbeholfen wirken lässt. Dass diese immer wieder eingeschobenen Szenen auch noch in Schwarz-weiß gezeigt werden, um sie vom übrigen Film abzusetzen, macht den didaktischen Hintergedanken allzu deutlich. Dabei erscheint der Zeigefinger komplett überflüssig, denn die kunterbunte Regenbogenfamilie ist der beste Beweis dafür, dass es Kindern egal ist, wen sie ihre Eltern nennen. Hauptsache, sie werden geliebt.