Wenn zwei deutsche Regisseure eine Komödie über einen orthodoxen Juden aus Brooklyn und einen ägyptischen Beduinen drehen, die nach tagelangen Streitereien in der Wüste Sinai Freundschaft schließen, fragt man sich, wie das wohl bei den betroffenen Parteien ankommt. Besserwisserisch? Naiv? Ignorant?
Die Sorge ist unberechtigt, denn der am Ende zur Ode an die Möglichkeit einer Verständigung mutierte Film schafft es, das Minenfeld der Vorurteile nicht auszublenden und das Menschliche der Figuren dank eines leisen Humors trotzdem ins Zentrum zu stellen.
Das liegt auch an den beiden großartigen Hauptdarstellern, die nicht viele Worte verlieren müssen, damit man weiß, was in ihnen vorgeht. Vor allem Luzer Twersky ist in der Rolle eines gutmütigen, mitten ins Minenfeld der Konflikte geworfenen Ahnungslosen mehr als überzeugend, was vielleicht auch damit zusammenhängt, dass er als chassidischer Jude tatsächlich in Brooklyn aufgewachsen ist. Einen besonderen Schauwert besitzen auch die grandiosen Wüstenpanoramen, in denen sich die beiden Figuren nicht ausweichen können und deshalb einen Weg finden müssen, um die Strapazen gemeinsam zu überleben.
Die Worte der Geliebten
Am Anfang von „Nicht ganz koscher – eine göttliche Komödie“ sieht man Ben in seiner orthodoxen Kleidung auf einer von Sanddünen umringten Landstraße laufen, schwer bepackt und ständig bemüht, seine Reinigungsvorschriften einzuhalten. Eine Rückblende erzählt von seiner Reise nach Jerusalem zu seinem Onkel, der ihm dank eines Heiratsvermittlers zu einer Frau verhelfen soll. Was eigentlich unnötig ist, denn Ben ist bereits verliebt. Weil seine Erwählte aber eine moderne Jüdin ist, die es sogar wagt, in einem Restaurant zu arbeiten, ist seine gesamte Sippe gegen diese Beziehung. Das hindert ihn allerdings nicht, sie täglich anzurufen, um, ohne ein Wort zu sagen, ihre Stimme zu hören, wenn sie eine Menükarte vorliest.
Sein Besuch in Jerusalem kommt allerdings wie gerufen, denn sein Onkel will der jüdischen Gemeinschaft in Alexandria aus einer existenziellen Not helfen. Die droht aufgelöst zu werden, als einer ihrer wenigen männlichen Mitglieder verstirbt und ein rituelles Feiertagsessen nur noch mit neun statt zehn Männern abgehalten werden kann.
Ben, der froh ist, dem Heiratsvermittler zu entkommen, macht sich auf den Weg. Im Taxi zum Flughafen erlebt er allerdings mit großem Erstaunen einen Streik der Orthodoxen sowie die Reaktion des nicht-religiösen Fahrers, der die Frommen wütend auffordert, endlich arbeiten zu gehen.
Darüber verpasst er den Flug, womit die Odyssee nach Ägypten beginnen kann, zunächst mit dem Bus, in dem seine Anwesenheit sogleich dazu führt, dass zwei Fraktionen aneinandergeraten, dann zu Fuß. Und weil man schon an dieser Stelle ahnt, dass man sich in einem Märchen befindet, schenkt das Drehbuch dem Pechvogel einen Schutzengel in der Gestalt des Beduinen Adel, der ihn in seinem klapprigen Wagen mitnimmt. Adels Hilfe resultiert nicht etwa daraus, dass er hyperreligiöse Juden sympathisch findet, sondern weil ihm der Ehrenkodex der Beduinen vorschreibt, Fremden in der Wüste drei Tage lang zu helfen.
Zwei Kulturen prallen aufeinander
Fortan prallen Kulturen und vor allem zwei Erzfeinde aufeinander, die aus Ermangelung anderer Zerstreuungen dennoch miteinander ins Gespräch kommen, über das Beten, die Familie, die Natur, den Niedergang der Beduinen, soziale Kontrolle, Essensvorschriften und Gott, den jeder auf seine Weise zu fassen versucht. Auch die Politik kommt ins Spiel, weshalb nach jeder Annäherung eine kalte Dusche folgt, bis beide in einen Brunnen fallen und nur dank eines Mirakels, einem aus dem Nichts aufgetauchten Kamel, fortan innig verbunden ihren Wüstentrip zum Happy End manövrieren können.
Die Regisseure Stefan Sarazin und Peter Keller treffen in „Nicht ganz koscher“ traumwandlerisch sicher stets den richtigen Ton, auch wenn das Finale vielleicht etwas allzu rosa gerät. Es gelingt der Inszenierung dabei, alle Genre-Fallen zu umschiffen. Flankiert von einer gut sortierten, orientalisch angehauchten Musik wird auch noch ein christliches Kloster in die Versöhnungsgeschichte integriert, in dem alle Mönche den Juden und den Araber hilfsbereit in ihr Herz schließen; damit ist die Utopie dann nahezu perfekt. Das lässt man sich schmunzelnd gefallen, schließlich steckt man mitten in einem unverbesserlichen Wunderland.