Unter den Uffizien (italienisch für Büros) versteht man einen Gebäudekomplex, den der toskanische Großherzog Cosimo I. de' Medici ab 1560 in Florenz bauen ließ. 1580 begann Cosimos Nachfolger Francesco de' Medici, im Obergeschoss die Sammlung von Kunstwerken der reichen Adelsfamilie unterzubringen. 1743 ging die Sammlung an die Stadt Florenz. Seit 1769 ist die Kunstsammlung öffentlich zugänglich. Daraus ging eines der prächtigsten Kunstmuseen der Welt hervor, das zum Hauptanziehungspunkt von Florenz avancierte. Vor der Corona-Pandemie lockte das Museum im Jahr gut zwei Millionen Besucher an.
Auch die beiden deutschen Dokumentaristen Corinna Belz und Enrique Sánchez Lansch sind fasziniert von dem Kunsttempel und porträtieren ihn und seine Mitarbeiter in ihrem Kinodokumentarfilm, der ohne erklärenden Off-Kommentar auskommt. Für das ambitionierte Projekt haben sie sich mit zwei weiteren renommierten Dokumentaristen zusammengetan: den Kameraleuten (und Regisseuren) Johann Feindt und Thomas Riedelsheimer. Erklärtes Ziel der Autoren ist es, die Arbeit in einem Museum zu durchleuchten und verständlich zu machen. Die zentrale Figur dafür ist der Museumsdirektor, in diesem Fall Eike Schmidt. Der Kunsthistoriker und erfahrene Museumsmann hat 2015 als erster Ausländer die Leitung der Uffizien übernommen und das Museum mit der weltweit bedeutendsten Sammlung von Renaissance-Kunstwerken seitdem tatkräftig modernisiert. Bei seinem Amtsantritt hatte das Museum nicht einmal eine Homepage, mittlerweile ist es längst im digitalen Zeitalter angekommen.
Wurde der gebürtige Freiburger zunächst skeptisch beäugt, so hat er sich mit einer Kombination aus Kompetenz und Autorität, Leidenschaft und Humor schnell viel Respekt verschafft. 2019 sagte Schmidt einen bereits angekündigten Wechsel an die Spitze des Kunsthistorischen Museums in Wien ab und blieb in Florenz.
Die Kamera begleitet den Direktor bei seinen Rundgängen
Die Kamera begleitet ihn häufig bei seinen Rundgängen im Haus, etwa wenn er einer Mäzenatengruppe aus den USA die Notwendigkeit erklärt, den Geografie-Saal zu renovieren, oder wenn er mit dem britischen Bildhauer Antony Gormley darüber diskutiert, wo dessen Plastik im Zuge einer Werkschau inmitten der alten Schätze optimal aufzustellen wäre. Symptomatisch für den Führungsstil von Schmidt ist, dass dieser sich nicht zu schade ist, sich auch mal nach einem weggeworfenen Zettel zu bücken.
Mit welcher Akribie Schmidt und sein Team bei der Arbeit sind, zeigt sich, wenn diese prüfen, wie Tizians „Venus von Urbino“ am besten vor einer grünen Wand gehängt werden kann. Nach zwölf Farbschichten ist der Direktor noch immer nicht zufrieden und entscheidet sich für den 13. Ton. Auch wenn der Direktor hier eher als Primus inter pares fungiert, so kommen seine zahlreichen Mitarbeiter keineswegs zu kurz, ohne die ein solch komplexer Betrieb nicht funktionieren würde. Die Autoren lassen den eloquenten Bibliotheksleiter und einen Saalaufseher ebenso zu Wort kommen wie den Hausmeister, eine Restauratorin oder einen leitenden Architekten. Und die erzählen nicht nur, wie sie ihre Arbeit machen und lieben, sondern erläutern auch ihre Erfahrungen im alltäglichen Umgang mit so viel Spitzenkunst.
Ausführlich widmet sich die Kamera den Schätzen des Museums, darunter Leonardo da Vincis „Anbetung der Könige“, Botticellis „Frühling“, Caravaggios „Medusa“ oder Artemisia Gentileschis „Judith Holofernes“. Im Zuge einer Umgestaltung mehrerer Räume machen die Autoren die überraschende Bekanntschaft mit dem expressiven Gemälde „Engelssturz“ von Andrea Commodi, das erstmals seit Jahrzehnten aus dem großen Depot hervorgeholt wurde.
Fast unbeschadet durch Kriege und Umstürze
Der Film zeigt auch auf, welches Glück die Uffizien dank der Anstrengungen viele Mitarbeiter und Förderer hatten, weitgehend unbeschadet Kriegszeiten und Umstürze überlebt zu haben. Integrierte Fotodokumente zeigen aber auch die verheerenden Folgen eines Autobombenanschlags der Mafia-Gruppe Cosa Nostra, bei dem 1993 fünf Menschen getötet wurden und ein großer Teil des Niobe-Saals stark beschädigt wurde.
In manchen Passagen erinnert „In den Uffizien“ an Frederick Wisemans Alterswerk „National Gallery“ (2014), ein fast dreistündiges Porträt des gleichnamigen Museums in London. Während sich der Großmeister des Direct Cinema in erster Linie mit Strukturen und Funktionsweisen befasst, mutet der Film von Belz und Sánchez Lansch eher wie ein aufmerksamer Streifzug durch die mehr als 50 Museumsräume an.
Insgesamt ist „In den Uffizien“ ein ebenso vielschichtiger wie lehrreicher Blick hinter die Kulissen eines großen Kunstmuseums und Besuchermagneten, der zugleich anschaulich macht, warum sich so viele Menschen mit ihrem Herzblut dafür einsetzen, die Kunstschätze für die nachfolgenden Generationen zu erhalten.