Die Klappe fällt: „Action“, kommandiert der spanische Hilfsregisseur mit starkem Akzent, denn sein US-amerikanischer Kollege ist wieder im Rollstuhl eingeschlafen. Die Schauspieler schwitzen unter den grellen Scheinwerfern. In den Madrider Studios stehen mittelalterliche Gebäude. Auf den Wiesen um die Stadt tummeln sich zahllose Statisten, Christen und Mauren in Ritterrüstungen und mit schweren Waffen. Gedreht wird ein aufwändiger Hollywood-Kostümfilm über Isabella von Kastilien und den endgültigen Sieg der Reconquista über die spanischen Mauren.
Die Hauptrolle spielt Macarena Granada (Penelope Cruz). Fast 20 Jahre, nachdem die Diva in den Babelsberger Studios während der Nazi-Zeit drehte und es dort mit Goebbels höchstpersönlich zu tun bekam – wovon Fernando Truebas Film „La niña de tus ojos“ (1998) erzählte, zu dem „The Queen of Spain“ eine Art Sequel darstellt – kehrt sie in den 1950er-Jahren, mittlerweile längst ein Star in Hollywood, in ihre Heimat zurück, obwohl das Land zu dieser Zeit fest im Griff der Franco-Diktatur ist.
Missverständnisse, Intrigen & Amouren
Sie trifft auf viele alten Kollegen und Freunde. Und auch ihr damaliger Regisseur und Bewunderer Blas Fontiveros (Antonio Resines) kehrt nach Spanien zurück. Im französischen Exil hat er den Zweiten Weltkrieg überlebt und soll nun dem vom Alter geplagten US-Regisseur John Scott (Clive Revill) zur Seite stehen.
Immer wieder kommt es am Set zu kulturellen Missverständnissen zwischen US-amerikanischen und spanischen Mitarbeitern, zu Intrigen und Liebeleien. Macarena beginnt eine leidenschaftliche Affäre mit dem Bühnenarbeiter Leo (Chino Darín). Julián Torralba (Jorge Sanz), der spanische Galan, der zwei Jahrzehnte vorher aus einem deutschen Konzentrationslager befreit werden musste, soll in seinem Part als letzter maurischen König bittere Tränen vergießen und hat dafür seine eigene Methode. Blas kann die Politik nicht lassen und wird wegen seiner Kontakte zum Widerstand ins Arbeitslager geschafft. Im „Tal der Gefallenen“, jenem gigantischen Monument, das das Regime in den Bergen nördlich von Madrid errichtet, kommt es schließlich zum Showdown zwischen Macarena und dem Diktator Francisco Franco (Carlos Areces).
Diktatur und Filmstudios
Wie „La niña de tus ojos“ ist auch „The Queen of Spain“ eine Komödie übers Filmgeschäft, in der Zeit- und Filmgeschichte ineinander übergehen. Ging es in „La niña de tus ojos“ um die enge Zusammenarbeit der Franco-Diktatur mit dem NS-Regime und um jene Folklore-Dramen, die Ende der 1930er-Jahre entstanden, so ist in der Fortsetzung Franco längst ein treuer Verbündeter der USA geworden; sein diktatorisches Regime wird als antikommunistischer Verbündeter von den Westmächten geduldet. In spanischen Studios werden jetzt teure Großproduktionen aus Hollywood gedreht, Teile von „Lawrence von Arabien“(1961) oder „El Cid“ (1961).
Das Drehbuch von Fernando Trueba steckt voller Anspielungen auf die Filmgeschichte, etwa an den spanischen Film „Raza“ (1940), zu dem Franco unter einem Pseudonym persönlich das Drehbuch verfasste, oder an die Verfolgung von Drehbuchautoren und Regisseuren in der McCarthy Ära in den USA. Der alte Regisseur, John Scott, erinnert mit Augenklappe und Soldatenjacke im Rollstuhl an Hollywood-Regisseur John Ford. Der mexikanische Regisseur Arturo Ripstein als Produzent Spiegelmann ist eine Referenz an den US-Produzenten Sam Spiegel, und auch sonst gibt es viele kleine Rollen mit hochkarätigen Namen, etwa die bekannte spanische Sängerin Ana Belén als Ehefrau von Blas Fontineros, oder der spanische Genrefilmregisseur Juan Antonio Bayona als Filmvorführer. Das Schauspielensemble, besonders die Hauptdarstellerin Penelope Cruz, ist ausgezeichnet, ebenso die dichte Bildgestaltung des spanischen Altmeisters José Luís Alcaine.
Kalauer ohne Eleganz
In Spanien war dem Film dennoch wenig Erfolg beschieden – er wurde beim Start 2015 Opfer einer üblen Hetzkampagne gegen Regisseur Fernando Trueba. Allerdings hat er tatsächlich auch Schwächen und bleibt hinter anderen Filmen Truebas zur Zeitgeschichte zurück, wie etwa „Das Jahr der Aufklärung“(1986), „Belle Epoque“(1992) und selbst „La niña de tus ojos“(1998).
Dem Film fehlen die Eleganz, die Leichtigkeit und der feine Humor, hinter denen man in den anderen Werke die Grausamkeit des historischen Kontextes spürte, die Brutalität und die Intoleranz der Franco-Diktatur oder die Trostlosigkeit des Alltags. Man spürt das Fehlen des genialen Drehbuchautors Rafael Azcona, der 2006 starb und oft mit Trueba zusammengearbeitet hatte; er beherrschte den schwarzen Humor wie kaum ein anderer; bei dem wirkten selbst derb erotisch aufgeladene Kalauer noch elegant.
In „The Queen of Spain“ wird hingegen so mancher Witz zum Schenkelklopfer, und oft gelingt die Balance zwischen den tragischen und komischen Elementen nicht, obwohl der Film über weite Strecken durchaus dynamisch und unterhaltsam ist. Getragen wird das Werk insbesondere durch Penelope Cruz; schon allein wegen der Begegnung ihrer Figur mit Franco vor der gespenstischen Kulisse der halbfertigen faschistischen Gedenkstätte lohnt es sich, den Film anzusehen.