Zu Hollywoods Meister-Regisseuren zählt Oliver Stone zweifellos noch immer nicht, aber er ist ein Workaholic, der meist - sei es als Regisseur oder als Produzent - an mehreren Projekten gleichzeitig arbeitet. Und bisweilen gebiert seine rastlose Arbeitswut Filme, die einen mehr oder minder ratlos aus dem Kino entlassen - "Natural Born Killers" ist einer davon. Nach einer ursprünglichen Idee von Autor Quentin Tarantino erzählt Stone vordergründig die Geschichte von Mickey und Mallory, einem weißen Killerpärchen, das wahllos 52 Menschen umbringt, bevor es von der Polizei gefaßt werden kann. Die - deutlich abgesetzte - zweite Hälfte des Films schildert eine Häftlingsrevolte, während der den beiden die Flucht gelingt. Soweit, so nichtssagend. Denn eigentlich läßt sich "Natural Born Killers" mit einer schlichten Inhaltsangabe kaum beikommen. So sehr die Story auf den ersten Blick auch an Kino-Mythen à la "Bonnie & Clyde" erinnern mag, so sehr ist hier doch alles ganz anders. Mickey und Mallory erscheinen keineswegs als starke Figuren, passionierte Outlaws mit einem Hang zur Anarchie, sondern sind fleischgewordene, letztlich austauschbare Karikaturen, Barbie-Puppen gleich, einer aus allen Fugen geratenen Spezies, die früher einmal homo sapiens hieß. Wie die beiden zu dem wurden, was sie sind, ihre "Geschichte", liefert der Film in Rückblenden als stereotype TV-Sitcom, einschließlich sexuellem Kindesmißbrauch, nach. So wie diese Sequenzen nichts erklären, hat der ganze Film keinen auch nur annähernd nachvollziehbaren (geschweige denn nacherzählbaren) Plot. Vielmehr sieht man sich einem atemberaubenden Feuerwerk an rasant zusammengeschnittenen Bildern unterschiedlichster Machart ausgesetzt. Mal kommen sie in grobkörnigem Schwarz-Weiß, mal farbig daher, mal in neckisch gekippter Perspektive, dann wieder so konventionell wie aus einer Fernsehserie. Damit nicht genug, geht das Ganze bisweilen bruchlos in einen Comic-Strip über oder verliert sich in psychedelischen Farborgien im Stil der späten 60er Jahre.Sicherlich kann man dem Film auch dezidiert zeitkritische Ambitionen nicht gänzlich absprechen. Wenn im Gefängnis ein Moderator einer sogenannten TV-Reality-Show inmitten der Revolte plötzlich die Kamera mit einer Pistole vertauscht und geradezu euphorisch durch die Gegend zu schießen beginnt, dann ist das schon eine bitterböse Spitze gegen jenen scheinbar grenzenlos schamlosen Voyeurismus, mit dem Fernsehsender inzwischen weltweit um Einschaltquoten buhlen. Ansonsten aber setzt Stone radikal auf die Faszination jener Gewalt, die kritisieren zu wollen er treuherzig vorgibt. Unter diesem Aspekt muß man dem Film dann Oberflächlichkeit, Naivität oder Heuchelei vorwerfen, von manchen schlicht albernen Einschüben gar nicht zu reden. Doch Kino ist nun einmal weder philosophisches Traktat noch moralische Anstalt, und nicht selten bekommen die Dinge, die sich auf der Kinoleinwand ereignen, ein Eigenleben jenseits der Kontrolle und Ambitionen des Regisseurs. "Natural Born Killers" ist womöglich so ein Film. Zumindest entwickelt er eine Faszination, die irritiert und der man sich im Kinosessel nur schwer entziehen kann - schon allein auf Grund der physischen Dynamik in Form der Bilderflut, gepaart mit den rasend schnellen Schnittfolgen, die einem faszinierenden (Horror-)Trip gleichkommen. Oder sollte sich Stone gar insgeheim die Lehren der französischen Poststrukturalisten zueigen gemacht haben, wonach die einzig mögliche Form der Kritik nur noch in einer auf die Spitze getriebenen Verdoppelung der Verhältnisse bestände? Wie auch immer: "Natural Born Killers" ist ein Film, den kaum einer lieben wird, den man "bequem" hassen kann, der einen jedoch kaum gleichgültig aus dem Kino entläßt.