Samaritan
Action | USA 2021 | 95 Minuten
Regie: Julius Avery
Filmdaten
- Originaltitel
- SAMARITAN
- Produktionsland
- USA
- Produktionsjahr
- 2021
- Produktionsfirma
- Metro-Goldwyn-Mayer/Balboa Prod.
- Regie
- Julius Avery
- Buch
- Bragi F. Schut
- Kamera
- David Ungaro
- Musik
- Kevin Kiner · Jed Kurzel
- Schnitt
- Pete Beaudreau · Matt Evans
- Darsteller
- Sylvester Stallone (Joe) · Javon Walton (Sam Cleary) · Dascha Polanco (Tiffany Cleary) · Pilou Asbæk (Cyrus) · Sophia Tatum (Sil)
- Länge
- 95 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 12
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Action | Drama | Science-Fiction
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Ein 13-jähriger Junge vermutet, dass sein neuer Nachbar ein Held mit Superkräften sein könnte, der einst in seiner Heimatstadt das Verbrechen bekämpfte, dann aber spurlos verschwand.
Müllfahrer Joe (Sylvester Stallone) ringt hinter seiner stoischen Fassade mit sich selbst. Im Bus beobachtet er, wie eine ältere Frau belästigt wird, und senkt mit sichtlicher Anstrengung vermeintlich gleichgültig den Kopf. Die Kraft, die in ihm brodelt, muss verborgen bleiben. Als er jedoch ein anderes Mal im Bus sitzt und beobachtet, wie sein junger Nachbar Sam (Javon Walton) von älteren Jungs vermöbelt wird, kann er sich nicht mehr zurückhalten. Die Faustschläge, die er den Übeltätern verpasst, lassen deren Körper in Salti und Pirouetten durch die Luft wirbeln.
Sam ist dem Geheimnis von Joe schon länger auf der Spur. Den grummeligen Einzelgänger hält der Junge nämlich für den maskierten Superhelden mit dem sprechenden Namen Samaritan. Im glühend roten Vorspann, der dank digitaler Rotoskopie wie animiert aussieht, erzählt er mit kindlichem Eifer von zwei Zwillingsbrüdern, die nach dem Tod ihrer Eltern gegensätzliche Lebenswege einschlugen. Während es sich Samaritan zur Aufgabe machte, die Menschheit zu beschützen, schmiedete Nemesis einen Hammer aus Hass, mit dem er Leid in die Welt brachte. Beide, so sagt man, kamen damals bei einem epischen Kampf in Flammen um.
Gut und Böse – eine Frage der Perspektive
Der von Schmutz, Obdachlosigkeit und Kriminalität geprägte Schauplatz Granite City wirkt wie ein New York aus schlechten Tagen. Hinter Sams Fantum steckt auch die Sehnsucht, dass es in dieser hoffnungslosen Welt jemanden gibt, der alles für ihn deichseln wird. Seine verwitwete Mutter Tiffany (Dasha Polanco) bezeichnet das Leben dagegen als eine Abfolge von Entscheidungen. Regisseur Julius Avery konfrontiert den Jungen dementsprechend mit einer Abzweigung, die zu einer rechtschaffenen Existenz, aber auch auf die schiefe Bahn führt.
Zunächst nehmen Cyrus (Pilou Asbæk) und seine verlotterte Ersatzfamilie Sam zunächst unter ihre Fittiche. Der Gangster mit dem blondierten Bürstenschnitt will in die Rolle von Nemesis schlüpfen. Er selbst sieht sich als Guter. Egoismus propagiert er, weil einem wie ihm ja nichts geschenkt werde. Deshalb stachelt er die Armen zu einer gewalttätigen Revolution an. Bereits hier zeichnet sich ab, was bei einem späteren Twist offenkundig wird: „Samaritan“ teilt die Welt nicht in Gut und Böse, sondern weiß darum, dass jeder beides in sich trägt.
Es macht nichts, dass die Superheldengeschichte an sich nur sehr grob skizziert ist, weil sie im Film ohnehin nur eine sehr untergeordnete Rolle spielt. So wie Joe ein Superheld ist, der keiner sein will, meidet auch Julius Avery das meiste, was man mit dem Genre verbindet. „Samaritan“ sucht nicht das größtmögliche Spektakel und versucht auch nicht, ironisch oder besonders originell zu sein. Er vertraut dafür auf ein im besten Sinne sentimentales Buddy-Movie über zwei Abgehängte sowie auf klassische Action und die Stärken seines Hauptdarstellers.
Im Groben eine sanfte Poesie
Das große Talent von Sylvester Stallone besteht darin, mit wenig Mitteln maximale Intensität zu erreichen. Mimik und Gestik sind reduziert, aber es reicht eine sarkastische Bemerkung, die eigentlich lieb gemeint ist, ein zu festes Schulterklopfen, ein Brummen aus dem halbgeöffneten Mund oder der bewährte Hundeblick, um die Szene an sich zu reißen. Im Groben findet Stallone eine sanfte Poesie. Selbst die etwas naiven Ratschläge, die er seinem unsicheren jungen Kumpel mitgibt, wirken bei ihm sympathisch und aufrichtig.
„Samartian“ nicht nur wegen seiner Einfachheit ein in mancher Hinsicht nostalgischer Film, sondern auch, weil Stallone hier wieder einmal seine Paraderolle als maulfauler, aber gutmütiger Arbeiter unter widrigen Umständen spielt. Wie der LKW-Fahrer in „Over the Top“ oder der Knasti in „Lock Up“ ist auch Joe ein anständiger und loyaler Typ, der Konflikten aus dem Weg geht, sich im Ernstfall aber auch in eine testosterongesteuerte Kampfmaschine verwandeln kann.
Reparieren ist die eigentliche Herausforderung
Selbst Nebensächlichkeiten werden bei diesem Protagonisten zum Psychogramm. Aus Müllcontainern fischt Joe kaputte Elektrogeräte, die er schließlich wieder zum Laufen bringt. Anhand eines Toasters, den er mit nur einem Handgriff zerquetscht, erklärt er Sam seine Lebensmaxime: Zerstören geht schnell und einfach; die eigentliche Herausforderung besteht aber darin, etwas Kaputtes zu reparieren. „Samartian“ erzählt von Verlust, von inneren Kämpfen und Widersprüchen, aber auch von einer unstillbaren Hoffnung auf Heilung. Die große Narbe auf Stallones chirurgisch verjüngtem Gesicht gibt nur eine Ahnung von den Verletzungen, die sich dahinter verbergen.
Kaum wurde Joe genug in die Enge gedrängt, darf Stallone im Finale mit comicartiger Gewalt komplett um sich schlagen. Das Dunkle und Brutale, das er den gesamten Film über unterdrückte, bricht nun in einem furiosen Amoklauf aus ihm heraus. Auch mit 76 Jahren erweist sich Stallone dabei als souveräner Actiondarsteller, der mit wutverzerrtem Gesicht und maschinenartigen Bewegungen Wände zum Erzittern bringt und Gegnern nur einen Schubs zu verpassen braucht, damit ie durch drei Wände fliegen.