„Trink es nicht, das Wasser ist faulig!“ Als Adem (Torben Föllmer) im Quadranten 11-38 des namenlosen Planetoiden entdeckt wird, hat er mit seinem Leben eigentlich schon abgeschlossen. Das kleine, abgewrackte Raumschiff, indem er sich versteckt, bietet kaum Schutz vor den ewig scheinenden Stürmen und den Suchtrupps, die ihn früher oder später einkassieren werden. Adem ist auf der Flucht, dabei weiß er ganz genau, dass es von diesem Ort im Nirgendwo eigentlich kein Entrinnen gibt. Doch der Jäger Novak (Milan Pesl), der eigentlich Adems Ende befördern sollte, scheint sein Glücksfall zu sein. Er kann das Schrottschiff halbwegs in Gang bringen, könnte das faulige Wasser reinigen und dafür sorgen, dass für 300 Tage ein Überleben auf dem Schiff im Weltraum möglich ist.
Nur weg! Auch Novak wollte das eigentlich schon immer, auch wenn er ein gutes Auskommen hat. Das nicht registrierte Schiffswrack wäre die Chance. Keiner wusste, dass es hier gestrandet ist, keiner weiß, wer dessen Crew, geschweige denn, was ihr Auftrag war. Alles bleibt im Dunkel, nur die Weite des Alls ist eine Option, die die beiden kurzentschlossen ergreifen.
Dabei wissen die beiden nicht, wohin die Reise geht. Es soll so etwas wie die Erde geben. Adem sieht sie als Chance, Novak als Hirngespinst. Denn niemand, den er kannte, konnte die Existenz dieser diffusen Heimat je bestätigen. Doch es dringen verlockende Signale aus der Ferne des Raums zu ihnen durch. Ist es eine einladende Botschaft von dort – oder verheißt sie den Tod?
Kluges Spiel mit offenen Fragen
Regisseur Marcel Barion versteht es, mit den offenen Fragen wie der zu spielen, warum die unbekannte Besatzung im Schiff alle Lautsprecher und deren Verbindung nach außen gekappt und nahezu zerstört hat. „Das letzte Land“ ist kein hermetischer Science-Fiction-Film wie jene, die nur um philosophische oder präziser: existentialistische Fragestellungen kreisen. Es geht nicht wie bei Lem oder Asimov um das innerste Wesen oder die Stellung zwischen Mensch und Maschine. Weniger „Solaris“ stand hier Pate als „Sunshine“ oder „Event Horizon“, sprich: ambitioniertes Spannungskino.
Es sind der Horror der Leere und die Angst vor dem Unvorstellbaren, aber auch eine diffuse Bedrohung vor dem, was da draußen lauert, aus dem Barion seine Energie für seinen Film zieht. Was ist das für ein Schiff, in dem die zwei Außenseiter fliehen, was ist mit seiner Besatzung passiert und begehen die beiden mit ihrer Flucht in der kleinen Kapsel einen verhängnisvollen Fehler? Barion, der unter anderem auch für das Drehbuch, Kamera, Schnitt, die Effekte und Musik (mit)verantwortlich zeichnet, spielt geschickt mit den Versatzstücken und weiß auf formaler Ebene mit seinem sehr beschränkten, mittels Crowdfunding generierten Budget umzugehen.
Sicher, es ist wahrscheinlich, dass die bleierne Dunkelheit, die den Film von der ersten Minute an befällt, dem Umstand geschuldet ist, dass man nicht am großen Set arbeitet und detailliertes Raumschiff-Interieur entwerfen kann. Aber die Intention ist spürbar, aus den Möglichkeiten einen eigenen Stil zu entwickeln. Die chronische Abwesenheit von Totalen, von den großen Weltraumtableaus, von „Erleuchtung“, macht das Kammerspiel noch klaustrophobischer, als es die latente Hoffnungslosigkeit und die zunehmende Verzweiflung der beiden Protagonisten ohnehin schon evoziert.
Hoffnung für den deutschen Science-Fiction-Film
„Das letzte Land“ ist einer der wenigen Science-Fiction-Filme, die aus rein deutscher Produktion das Licht der Leinwand erblicken. Das ist schon ein Alleinstellungsmerkmal und aller Ehren wert, aber für sich genommen noch kein Qualitätskriterium. Bezeichnend ist es allenfalls, dass die Fördergremien so wenig auf das Genrekino schauen, weil es vermeintlich von Hollywood besetzt ist. Die Verantwortlichen sollten sich „Das letzte Land“ anschauen, denn gute Filme jenseits von Drama, Krimi und Komödie sind möglich und nötig.
Barion und seinem kleinen Team ist faszinierendes audiovisuelles Kino gelungen, das mit der depressiven Seite der „Major Tom“-Romantik gekonnt zu spielen weiß, das Genre zwar nicht neu erfindet, ihm aber einen prägnanten Stempel aufdrückt. Das macht Hoffnung – ganz egal, ob die beiden Protagonisten Erlösung finden.