Krimi | USA 2019 | 145 Minuten

Regie: Edward Norton

Ein unter nervösen Nervenstörungen leidender Detektiv, dessen Boss und Mentor ermordet wird, nimmt die vagen Spuren der Täter auf und stößt auf die Machenschaften eines ebenso reichen wie gewissenlosen Bauunternehmers. Ein Netz aus wirtschaftlicher Korruption und politischer Intrige tut sich vor ihm auf. Ein von dem Schauspieler Edward Norton, der auch die Hauptrolle spielt, virtuos und stilsicher als Hommage auf klassische Noir-Werke inszenierter Film vor dem Hintergrund des New Yorker Stadtteils Brooklyn in den 1950er-Jahren. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
MOTHERLESS BROOKLYN
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2019
Produktionsfirma
Class 5 Films/MWM/Warner Bros. Pictures
Regie
Edward Norton
Buch
Edward Norton
Kamera
Dick Pope
Musik
Daniel Pemberton
Schnitt
Joe Klotz
Darsteller
Edward Norton (Lionel Essrog) · Gugu Mbatha-Raw (Laura Rose) · Alec Baldwin (Moses Randolph) · Bobby Cannavale (Tony Vermonte) · Willem Dafoe (Paul)
Länge
145 Minuten
Kinostart
12.12.2019
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Krimi | Literaturverfilmung
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Heimkino

Verleih DVD
Warner
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Film-Noir-Hommage um einen unbestechlichen Detektiv, der in den 1950er-Jahren einem Sumpf aus Korruption und Bestechung auf die Spur kommt.

Diskussion

Der Titel „Motherless Brooklyn“ ist doppeldeutig, wie so vieles in dem Film von Edward Norton. Er bezieht sich auf Lionel, die Hauptfigur, den man in seiner Kindheit Brooklyn genannt hat, aber auch auf den New Yorker Stadtteil, der für Filmfans gleichbedeutend ist mit Gangstern, Korruption und Film noir. Damit ist von vornherein die Richtung gewiesen.

Wer sich beim Betreten des Kinos darüber noch nicht klar ist, bekommt von Norton, der hier gleichzeitig als Darsteller, Autor und Regisseur fungiert, sofort eine Lektion in bewundernder Film-noir-Reminiszenz erteilt: Die furiose erste halbe Stunde des Films exponiert nicht nur die Handlung, sondern weckt sogleich verschüttete Erinnerungen an das glorreiche Genre zwischen „Die Spur des Falken“ und „Chinatown“.

Film noir & Tourette-Syndrom

Lange hat sich kein Filmemacher so ungehemmt in den Ingredienzen des klassischen Film noir ausgetobt wie Edward Norton. Auf individuelle Weise akzentuiert wird dieses Vorspiel dadurch, dass der kleine Detektivassistent, den Norton selbst spielt, unter den Folgen des Tourette-Syndroms leidet. Was einst das Pflaster auf Jack Nicholsons Nase bewirkte, tun hier die unwillkürlichen Ticks der Nervenkrankheit.

Gleich in den ersten Szenen wird man gewahr, dass die Story im Unterschied zum Roman von Jonathan Lethem in den 1950er-Jahren spielt. Das Detektivbüro, in dem Frank Minna (Bruce Willis) den Boss abgibt, könnte das von Humphrey Bogart sein. Lionel verehrt seinen Chef, der ihn einst aus einem Waisenhaus befreit hat. Doch ein langes Leben ist Frank Minna nicht vergönnt, auch wenn er bis zum Ende der Story im Hintergrund gegenwärtig bleibt. Die Handlanger eines mächtigen Mannes, dem Minna auf der Spur zu sein scheint, machen seinem Leben ein rasches Ende. Keiner außer Lionel traut sich, die vagen Andeutungen und Hinweise wie auf einer Perlenschnur aufzureihen, um herauszufinden, wer hinter dem Mordanschlag steckt.

Obwohl der Film nach dieser schweißtreibenden Einleitung an Tempo verliert, bleibt er konsequent auf der eingeschlagenen Spur, genauso wie Lionels untrüglicher Instinkt, der ihn auf ein zunächst kaum durchschaubares Netz aus wirtschaftlicher Korruption und politischer Intrige stößt. Er gerät an eine hübsche Aktivistin, die sich als Schlüsselfigur auf dem Weg zu einem skrupellosen Bauunternehmer entpuppt, der die Großkopferten bis hin zum Bürgermeister in der Tasche hat und für seine Spekulationen unter Druck setzt.

Weder die Figuren noch die Bestandteile der Handlung sind neu oder überraschend. Was an „Motherless Brooklyn“ fasziniert, sind die Hingabe und Versessenheit, mit denen sich Norton der Wiederbelebung des Film noir verschrieben hat. Auch wenn er sich dabei manchmal auf Seitenwege locken lässt oder die Umwege, die er einschlägt, ein bisschen zu gewunden sind, geht ihm nie der Atem aus. Figuren und Lokalitäten werden mit einer Akkuratesse und einem Flair beschrieben, die Anhänger des Genres hinreißen werden. Zwar ersetzt er den Zynismus, der die alten Gumshoes umgeben hat, durch die eigentümliche Komik von Lionels Nervenleiden, doch der Effekt ist derselbe.

Ein selbstherrlicher Immobilienmogul

Norton hat seine Mitarbeiter, zuvorderst Kameramann Dick Pope, den Cutter Joe Klotz oder den Komponisten Daniel Pemberton, darauf eingeschworen, ihre modernen Mittel auf die Kreation einer Atmosphäre zu konzentrieren, die geradewegs aus den Filmen eines John Huston, Howard Hawks oder Raoul Walsh stammen könnte. Kein Wunder, wenn man in die Credits schaut und herausfindet, dass der Kameramann Dick Pope war, der unter anderem zehnmal für Mike Leigh tätig war, und dass sich hinter dem Trompeter in einer zentralen Nachtclub-Szene kein Geringerer als Wynton Marsalis verbirgt.

„Motherless Brooklyn“ legt keine direkten Bezüge zur Gegenwart nahe, doch lässt es sich kaum vermeiden, die Gedanken gelegentlich nicht schweifen zu lassen. Immerhin spielt heute nicht nur in Brooklyn, sondern im ganzen Land ein vergleichbar selbstherrlicher Immobilienmogul die Hauptrolle. Nur die Lionels, die ihm auf die Schliche kommen und Rückgrat beweisen, sind dünn gesät.

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