Filmische Huldigung an die „Apollo 11“-Mission vom Start der Rakete bis zur Rückkehr der Astronauten, die ausschließlich zeitgenössisches Material verwendet.
Ein gewaltiger Feuerball füllt die Leinwand. Der spritzenförmige Metallkörper zieht so nah an der Kamera vorbei, dass man ihn fast mit der ausgestreckten Hand zu berühren glaubt. Der Start der ersten bemannten Mondrakete ist umwerfend spektakulär, egal, wie oft man die Bilder schon gesehen hat.
Hier geschieht etwas Machtvolles, kaum Begreifbares, was sich durch den unwirklichen Eindruck der ersten Flugsekunden noch verstärkt. Zuerst scheint sich die Rakete nur in extremer Langsamkeit nach oben zu schieben, dann in eine Schräglage zu fallen und mit zunehmender Höhe immer dünner zu werden. Augentäuschungen, die sich als solche offenbaren, wenn andere, viel weiter entfernte Kameras den Aufstieg der Rakete in den Blick nehmen. Die Mission, die den bis dato bedeutendsten Meilenstein der Raumfahrt markiert, befindet sich auf ihrem Weg zum Mond.
Die Bilder lassen den Atem stocken
Es gehört zu den staunenswertesten Erkenntnissen des Dokumentarfilms „Apollo 11“, wie wenig der 50-jähirge Zeitabstand den Bildern vom Start der ersten bemannten Mondrakete an Faszinationskraft genommen hat. Regisseur Todd Douglas Miller, der „Apollo 11“ zum 50. Jahrestag der Mondlandung im Auftrag der NASA konzipierte, hat sich mit gutem Grund darauf verlassen, dass die entscheidenden Phasen des Unternehmens noch immer fähig sind, den Atem stocken zu lassen. Obwohl jeder um den erfolgreichen Ausgang der Mission weiß, orientiert sich die Dramaturgie an einer unmittelbaren Wiedergabe der Ereignisse im Juli 1969, wobei Miller neben der Alterslosigkeit des bekannten Bildmaterials einen weiteren filmischen Trumpf ins Spiel bringt: In den Archiven lagerten unausgewertete 70mm-Aufnahmen der NASA über Start und Landung der Astronauten Neil Armstrong, Edwin „Buzz“ Aldrin und Michael Collins; zudem fanden sich tausende Stunden Tonaufnahmen der NASA-Mitarbeiter während der Mondmission.
Digitalisiert und von Altersspuren bereinigt, sind diese Elemente das eigentlich Neue an einem Film, der sich ausschließlich aus zeitgenössischen Quellen speist. Die Bilder von „Apollo 11“ führen vor Augen, dass die Mondlandung auch ein kolossales Medienereignis war; die NASA plante diesen Aspekt bewusst mit ein, weshalb Fernsehschaltungen der Astronauten während des Flugs zum Terminplan gehörten. Zudem wurde nicht nur im Kontrollraum und an der Startrampe jedes Detail aufgezeichnet; auch die Rakete und ihre Raumkapseln Eagle und Columbia waren mit Kameras bestückt, die teils fest montiert Bilder vom Weltall lieferten, teils von den Astronauten freischwebend selbst bedient wurden.
Chronologische Montage
Die Qualität des für „Apollo 11“ verwendeten Bildmaterials schwankt deshalb von den scharfen, aber der Zeit entsprechend verwaschenen Farbbildern des Fernsehens über die professionell gefilmten Szenen am Boden bis zu den körnig-undeutlichen Schwarz-weiß-Bildern der Amateurfilmer in der Rakete, was ihrer Wirkung nichts nimmt. Sie sind alle Teile einer noch immer aufregenden Erfahrung, schließlich ist die Reise zum Mond auch im Jahr 2019 keineswegs eine Alltagserfahrung; die bislang letzten Mondspaziergänge des Jahres 1972 liegen ja auch schon geraume Zeit zurück.
Miller hat das Material chronologisch montiert und bleibt mit Ausnahme einer kurzen (zeitgenössischen) Montage von Bildern über Karriere und Privatleben der drei Mondfahrer und einem Rückblick auf John F. Kennedys „Mondrede“ von Anfang der 1960er-Jahre durchweg im Zeitraum zwischen dem Start am 16. Juli und jenem Moment wenige Wochen später, als die Astronauten die Quarantäne-Station verlassen. Die Inszenierung verfolgt einen „Direct Cinema“-Ansatz, der die Bilder nicht mit einem nachträglich eingesprochenen Kommentar versieht und auf Interviews verzichtet. Zu hören sind lediglich die damaligen Fernseh- und Radioberichte, die das Heroische des Geschehens großspurig überhöhen, eher sachliche Aussagen der NASA-Mitarbeiter im Dienst und der von kleinen Scherzen unterbrochene, professionelle Austausch der Astronauten.
„Apollo 11“ vermittelt zugleich aufschlussreiche Perspektiven auf den Zeitgeist Ende der 1960er-Jahre; überdies weisen die Bilder ohnehin jedes Wort in die Schranken. Wenn die letzten Minuten vor dem Aufsetzen auf der Mondoberfläche ungeschnitten aus Sicht einer Kamera in der Rakete gezeigt werden, könnten Off-Kommentare den angestrebten Effekt nur zerstören. Ein Bild wie das der wild ausschlagenden Zeiger der Instrumente bedarf schlicht keiner Erklärung.
Feier der menschlichen Schaffenskraft
Bei allem Aufwand birgt die Präsentation des Bildmaterials aber auch Tücken. Im Bemühen, die Sensation der Mondlandung spürbar zu machen, setzt Miller auf das Mittel der Überwältigung, indem er die schiere Größe des Unterfangens herausstreicht. Das ist schon eingangs zu erkennen, wenn riesige Raupen die Rakete in Zentimeterarbeit zur Startrampe ziehen; später folgen Kamerafahrten über die Zuschauerscharen nahe der Abflugstelle oder die ausgedehnten Kontrollräume. Immer wieder sind kleine Modelle zu sehen, die im nächsten Bild den Vergleich mit den realen Umsetzungen in voller (Überlebens-)Größe erlauben.
Neben den puren Schaueffekten fällt der Verzicht auf jegliche historische und wissenschaftliche Einordnung des Geschehens mitunter aber arg störend aus. So erfährt man nichts vom durchaus umstrittenen Status des Projekts Ende der 1960er-Jahre in der US-amerikanischen Bevölkerung, auch nicht über die vielen Rückschläge des US-Raumfahrtprogramms, den persönlichen Gedanken, Zweifeln und Krisen der Beteiligten oder auch den wissenschaftlichen Erkenntnissen des Mondprogramms.
Im Vergleich zu Damien Chazelles Spielfilm „Aufbruch zum Mond“, der all dies miteinbezieht und in der Darstellung der technischen Manöver nicht weniger spannend ist, feiert „Apollo 11“ doch sehr ungebrochen die menschlich-maschinelle Schaffenskraft. Gerade auch mit Blick auf aktuelle Vorstöße, erneut bemannte Raketen zum Mond zu schicken, wäre eine gewisse Kontextualisierung der ersten Mondlandung durchaus nicht fehl am Platz gewesen.