Dokumentarfilm | Deutschland 2009 | 89 (2 Teile) Minuten

Regie: Jan Haft

Ein TV-Zweiteiler um den Lebensraum „deutscher Wald“: Filmemacher Jan Haft verfolgt ein Jahr lang unterschiedliche Facetten tierischen und pflanzlichen Lebens im Zyklus der Jahreszeiten und beobachtet das Zusammenspiel der Spezies. Dank avancierter Technik, vor allem dank spektakulärer Makroaufnahmen in extremen Zeitlupen und Zeitraffern, ermöglicht der Film spektakuläre Einsichten ins Leben und die Entwicklung ansonsten übersehener Arten; neben der schieren Sinnlichkeit der Bilder überzeugt dabei der informativ-aufklärerische Ansatz, dem es um ein umfassendes Verständnis eines komplexen Ökosystems geht. - Sehenswert ab 10.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2009
Produktionsfirma
Nautilusfilm/arte/NDR Naturfilm
Regie
Jan Haft
Kamera
Rudolf Diesel · Jan Haft
Musik
Siggi Mueller · Jörg Magnus Pfeil
Länge
89 (2 Teile) Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 10.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
IMDb | TMDB

Heimkino

Verleih DVD
Polyband (16:9, 1.78:1, DD2.0 dt.)
Verleih Blu-ray
Polyband (16:9, 1.78:1, dt-HDMA2.0 dt.)
DVD kaufen

Diskussion

Der Naturfilm ist nicht zuletzt Dank der Franzosen längst zum gefälligen l’art pour l’art verkommen, das ein Millionenheer aus Familien mit Kleinkindern in die Kinos lockt. Für ein, zwei Stunden genießen sie ohne Reue den vermeintlichen Rausch des schönen Scheins einer Welt, die sie in Wirklichkeit wahrscheinlich nie mehr zu Gesicht bekommen werden. Mit Zugvögeln, aufopferungsvollen Kaiser-Pinguinen oder schlicht der Genese der gesamten Welt überwältigen diese Produktionen mit wenig Infos, viel Mythos und vermenschlichter Natur, vor allem aber mit nie zuvor gesehenen Bildern voll atemberaubender Kraft. Im Fernsehen war das traditionell einmal alles anders, als Bernhard Grzimek, Heinz Sielmann oder Sir David Attenborough noch Pionierleistungen vollbrachten und die Schönheit der Natur noch mit Aufklärung, Bildung und vor allem gesellschaftspolitischem Engagement verbanden. Doch Erfolg steckt an, und so versendete die ARD unter dem ehrwürdigen Label „Expeditionen ins Tierreich“ zeitgeistig unter dem reißerischen Titel „Phantome der Nacht“ sogar eine Art „Millionenspiel“ mit Tieren nach dem Motto, einer der sechs nachtaktiven Tiere wird die nächsten 24 nicht überleben; das Schuppentier oder eher die Ginsterkatze? – Heinz Sielmann dürfte sich im Grab umgedreht haben.

Doch es gibt sie noch, die guten alten Tierfilmer, die sich nicht nur für eine seltene Aufnahme die Nacht im Unterstand um die Ohren schlagen, sondern auch noch etwas zu sagen haben. Einer von ihnen heißt Jan Haft und dreht schon seit gut zehn Jahren mit seiner Firma nautilusfilm vornehmlich für die ARD. Haft ist ein Meister der Fotografie. Vor allem seine Makroaufnahmen in extremen Zeitlupen und Zeitraffern führen in eine kreuchende und fleuchende Welt, die sonst tatsächlich im Verborgenen bleibt. Dabei existiert diese quasi um die Ecke. Haft forscht nicht in der Tiefsee oder der Antarktis, sondern in heimischen Feldern und Wiesen. Für seinen neusten Zweiteiler hat er sich den vielfach schon totgesagten deutschen Wald vorgenommen. Mit einem Team von wissenschaftlichen Beratern hat sich der Naturfilmer aufgemacht und ein Jahr unter dem schützenden Dach jenes Biotops Revue passieren lassen, das bei uns in der Summe eine Fläche von Bayern und Baden Württemberg bedeckt.

Pflanzen und Tiere im Schattenreich

So atemberaubend die Aufnahmen auch sind, die er aus dem scheinbar Alltäglichen zaubert, sie genügen sich nie selber. Immer begleitet ein unaufdringlicher Kommentar das Geschehen und versucht dabei erst gar nicht, etwa eine „Geschichte der Familie Fuchs“ zu erzählen. Jan Haft sucht vielmehr zu vermitteln, dass die Tiere und Pflanzen im Wald im ständigen Anpassungskampf leben und alle Vorgänge ihren tieferen Sinn haben. So dienen die eigentlich nur als Allergene verschrienen Staubteppiche der Haselnusspollen nicht nur der Fortpflanzung der Art, sondern auch den kaum bekannten Frühlingsschildkrebsen als Nahrung in den schlickigen Waldtümpeln. Und wer wusste schon, dass diese es nicht zuletzt den suhlenden Wildschweinrotten zu verdanken haben, dass ihre Nachkommen von Tümpel zu Tümpel transportiert werden?

Haft inszeniert erstaunliche Bilder von Eichelhähern, die sich zum „Duschen“ auf einem Ameisenhügel niederlassen, um sich Dank der Säurefontänen von Parasiten zu befreien. Auf den Lichtungen kämpfen nicht nur die unvermeidlichen Hirsche, sondern auch Erdhummel gegen Waldmaus um den geeigneten Unterschlupf. Sicher, auch „Mythos Wald“ kommt nicht ohne Tricks aus: Die Geburt des Fuchsnachwuchses ist im Studio entstanden, sonst wären die Detailaufnahmen nicht möglich gewesen, und der effektvolle Waldbrand als „Cliffhanger“ zwischen den beiden Teilen stammt weitestgehend aus dem Computer.

Die wirklichen „kleinen“ Sensationen sind aber echt, wie die unscheinbare, aber umso überraschendere Symbiose zwischen Aronstab und Schmetterlingsmücken, die der sich chemisch auf 38 Grad erhitzenden Pflanze in die Falle gehen, um erst Tage später mit Pollen umhüllt wieder freigelassen zu werden. Der Wald stirbt nicht, auch wenn er stirbt, das ist die Erkenntnis, die man aus dem auszeichnungswürdigen Zweiteiler als Erkenntnis zieht. Die, die am lautesten jammern, sind jene, die den wirtschaftlichen Schaden zu tragen haben. So fragil das Ökosystem Wald im Detail auch sein mag, mit ein wenig Licht und Wasser bahnt sich immer wieder etwas den Weg; nur manchmal passt das dem Menschen nicht.

Kommentar verfassen

Kommentieren