Das Smartphone hat im westlichen Alltag überhandgenommen. In schier jeder Situation sieht man Menschen darüberwischen – Nachrichten schreiben, im Internet stöbern, nur noch selten: telefonieren. Aber was geschieht mit den Geräten eigentlich, wenn ihre Halbwertszeit überschritten ist?
Dann landen sie in Orten wie Agbogbloshie in Ghana, einem Stadtteil der Metropole Accra. Neben veralteten Smartphones oder Bildschirmen finden sich hier sogar ausrangierte Linienbusse, in deren entkerntem Inneren junge Männer Lenkbewegungen imitieren. Ansonsten ist es hier so unwirtlich, dass seine Bewohner diesen Flecken nach einer gestraften Stadt im Alten Testament benannt haben: Gott vernichtete Sodom, indem er Schwefel und Feuer auf es herabregnen ließ. Passend dazu ist „Welcome to Sodom“ der beiden deutschen Regisseure Florian Weigensamer und Christian Krönes ein rauer, staubiger Film, in dem es immerfort qualmt. Man meint die giftigen Elektroschrottdämpfe förmlich durch die Leinwand zu atmen. Der beobachtende Dokumentarfilm stellt die unwürdigen Lebensumstände heraus, ohne mit markigen Botschaften an den hiesigen Zuschauer zu appellieren, dass er beim Telefonieren bitte an Nachhaltigkeit denke oder das Schicksal der sogenannten Dritten Welt in den Blick nehme. Überall stehen weiße Rinder teilnahmslos beisammen. Grasen, als ob sie auf einer satten grünen Wiese stünden.
Auch die Bewohner scheinen sich mit diesem unwirtlichen, lebensfeindlichen Flecken Erde abgefunden zu haben. Sie sprechen aus dem Off, während die Kamera sie bei ihren mühseligen Streifzügen durch den gigantischen Elektroschrottslum begleitet. Spielfilmhaft kommt jedem eine Rolle zu: Da ist der besessene Laienprediger, der dem Staub seinen alttestamentarischen Sermon verkündet. Oder der schwule jüdische Akademiker, den Benachteiligung und das Schicksal in Sodom zurückließen. Viele versuchen Geschäfte zu machen mit dem Kobalt aus den Mobiltelefonen oder mit anderen Teilen. Der Preis, den sie zahlen, ist freilich hoch. Eine Mutter Mitte dreißig fühlt sich bereits alt, denn für die Frauen ist der Alltag hier noch um einiges beschwerlicher. Irgendwann kommt überraschend heraus, dass ein geschäftstüchtiger Junge in Wahrheit ein burschikoses Mädchen ist. Es gibt sich aber nicht vor aller Welt als solches zu erkennen, um bessere Chancen zu haben. Später sehen wir junge Männer, die einen ziemlich professionell produzierten Hip-Hop-Song vortragen: „Welcome to Sodom.“
Dass auch Ghanaer gen Norden ziehen und unter widrigsten Bedingungen nach Europa übersetzen, findet Erwähnung. „Welcome to Sodom“ ist aber keine investigativ erzählte Politdoku, die minutiös Warenströme nachvollzieht und globale Zusammenhänge beleuchtet. Das scheint auch nicht die Absicht von Weigensamer und Krönes zu sein. Für den Zuschauer bleibt am Ende die Faszination über die Bewohner dieses staubigen, grauen Mikrokosmos – die ein Smartphone nur als Elektroschrott besitzen.