Spencer und Alek sind die Sorgenkinder der Schule, in der insbesondere auf eine christliche Erziehung Wert gelegt wird. Unflätige Worte sind verboten, weshalb die beiden häufig beim Direktor landen oder im Flur auf Anthony stoßen, der auch zu den „schweren Fällen“ zählt. Die drei werden Freunde, über alle Rassengrenzen hinweg. Prinzipiell begegnet man sich in der behüteten Vorstadt durchaus aufgeschlossen. Dennoch macht die Lehrerin gegenüber den Müttern von Spencer und Alek eigentümliche Bemerkungen; man könne ADHS ja auch mit Medikamenten behandeln, und überhaupt seien Jungs, die von Alleinerziehenden mit dem Leben vertraut gemacht werden, in diesem Alter häufiger ein Problem. Doch die selbstbewussten Mütter kontern: „Mein Gott ist größer als alle Pillen!“ Damit ist alles gesagt. Spencer, der seine Bestimmung im Militär zu finden glaubt, ist trotz seiner kräftigen Gestalt nicht für die Fallschirm-Rettungsstaffel der Air Force geeignet und wird zu einer „niederen“ Einheit versetzt. Die Ausbildung dort ist hart, ungerecht und beinhaltet durchaus Elemente von Gehirnwäsche. Doch zumindest endet er nicht wie Private Pyle in „Full Metal Jacket“ (fd 26 400) als Psychopath. Denn das Leben hat etwas ganz Besonderes mit ihm und seinen Freunden vor. Das wissen nicht nur ihre Mütter, das wissen auch Spencer und Alek. Sie wollen in den Krieg ziehen und Leben retten! So kämpft Alek in Afghanistan, Spencer ist in Portugal stationiert, Anthony in den USA. Sie folgen ihrer Bestimmung, jeder auf seine Weise. Dennoch reißt das Band zwischen ihnen nicht ab. Den nächsten Urlaub wollen sie gemeinsam in Europa verbringen. Alek startet in Deutschland, bei einer befreundeten Austauschstudentin, Spencer und Anthony in Rom und Venedig. Zusammen durchstreifen sie Bayern und landen schließlich in Amsterdam, wo sie den Zug Richtung Paris nehmen. Regisseur Clint Eastwood erzählt die Geschichte der drei in einer ausladenden Rückblende, nachdem ein kurzes Intro mit den authentischen Figuren der Geschichte vertraut gemacht hat. Es sind jene Männer, die am 21. August 2015 im TGV von Amsterdam nach Paris einen schwerbewaffneten islamistischen Attentäter ausgeschaltet haben. Sie riskierten ihr eigenes Leben, und wurden dafür mit dem französischen Orden der Ehrenlegion und salbungsvollen Worten von Präsident François Hollande belohnt. Doch zunächst will Eastwood erzählen, wie es zu all dem kommen konnte. Religiöse Erbauungsfilme gibt es zuhauf. Die Fernsehsender in den USA sind voll davon. Was „The 15:17 to Paris“ aber schwer erträglich macht, ist die Konterkarierung christlicher Werte durch die Glorifizierung von Gewalt. Eine Wechselwirkung, die sich im Weltbild der Handelnden bizarrerweise sogar befruchtet. „Komm, wir suchen Alek und spielen Krieg!“ Schon die Kindheit der drei Jungs ist beseelt von dem Glauben, dass Krieg etwas ganz Großes sei. Sie lassen sich von ihrem Lehrer Schlachtpläne aus dem Zweiten Weltkrieg ausdrucken und spielen sie mit Paintball nach. Krieg stärke vor allem die „Brüderlichkeit untereinander“ und sei gleichbedeutend mit „sich in den Schützengräben aushelfen“. All das bleibt unkommentiert und fungiert kolportagehaft als moralisches Korsett, das den Erwachsenen dann die Stärke verleiht, zu wahren Helden zu avancieren. „Gott hat zu mir gesprochen: Ich bin gespannt, was er für dich ausgewählt hat“, sagt Spencers Mutter. „Das Leben hat längst etwas mit uns vor“, orakeln die Jungs immer wieder während der Europareise. Das, was im TGV nach Paris geschieht, ist für die drei keine „Self Fulfilling Prophecy“: Es ist Gottes Wille. „The 15:17 to Paris“ ist eine krude Mischung aus theologischem Determinismus und einer naiven Vorstellung vom Ablauf kriegerischer Auseinandersetzungen. So, als habe es Filme wie „Im Westen nichts Neues“ (fd 24 803) bis „Full Metal Jacket“ nie gegeben. Tragisch ist hier nicht nur das hier präsentierte Weltbild, sondern auch die schlichte handwerkliche Umsetzung eines Regisseurs, der mit Filmen wie „Erbarmungslos“ (fd 29 800) bewiesen hat, das er ein Meister der Inszenierung sein kann. Es liegt nicht einmal daran, dass die Figuren von den echten Helden des TGV-Attentats verkörpert werden. Die Laiendarsteller machen ihre Sache nicht schlecht, zumal sie weder vom Dialogbuch noch durch die langen Einstellungen überfordert werden. Problematischer ist vielmehr die Spannungsdramaturgie des Films. Mit Beginn des Rückblicks in Kindheit und Jugend der Protagonisten versucht Eastwood schlaglichtartig immer wieder die Geschehnisse im Zug in den Fokus zurückzuholen. Das passiert im ersten Drittel des Films ein paar Mal. Dann aber geraten die Geschehnisse im Mittelteil inszenatorisch völlig in Vergessenheit. Der angedachte Spannungsbogen gerät dadurch gänzlich in eine Schieflage. Im letzten Drittel, wenn die Rückblende die Gegenwart eingeholt hat und der Kampf im Zug entbrennt, wirken die Aktionen steif und unausgegoren. Mit dem klassischen (Film-)Topos des Zuges als hermetischem Raum einer Tragödie können Regie, Kamera und Schnitt nicht sonderlich viel anfangen. So versagt der Film auch dort, wo man die besonderen Stärken eines Actionregisseurs vermutet hätte. Was bleibt, ist ein um Authentizität bemühtes fiktionalisiertes Zeitdokument als Argumentationshilfe für jene, die christliche Religion und waffenstarrende Kriegseiferei nicht als Gegensatz betrachten. Wenn am Ende auch noch das Franz von Assisi zugeschriebene Friedengebet „Herr, mach mich zum Werkzeug deines Friedens…“ aus dem Off rezitiert wird, kommen zwangsläufig die Bilder eines waffenstarrenden Kinderzimmers vom Beginn des Filmes zurück – und man versteht Eastwoods Welt endgültig nicht mehr.