Veloce come il vento - Giulias großes Rennen

Action | Italien 2016 | 123 Minuten

Regie: Matteo Rovere

Eine 17-jährige Nachwuchsrennfahrerin muss nach dem Tod ihres Vaters die GT-Meisterschaft gewinnen, um die Schuldenlast des elterlichen Anwesens abzutragen. Ihr älterer Bruder, der nach einem verhängnisvollen Rennunfall für Jahre verschwand, könnte ihr beistehen, doch zwischen dem zurückgekehrten Junkie mit schlechten Manieren und der zielstrebigen Jugendlichen liegen Welten. Leichthändig inszenierte Mischung aus einfühlsamer Familientragikomödie und spektakulärer, grandios choreografierter Renn-Action, der souverän der Spagat zwischen Effekt- und Affekt-Kino gelingt. (O.m.d.U.) - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
VELOCE COME IL VENTO
Produktionsland
Italien
Produktionsjahr
2016
Produktionsfirma
Fandango/Rai Cinema
Regie
Matteo Rovere
Buch
Matteo Rovere · Filippo Gravino · Francesca Manieri
Kamera
Michele D'Attanasio
Musik
Andrea Farri
Schnitt
Gianni Vezzosi
Darsteller
Stefano Accorsi (Loris De Martino) · Matilda De Angelis (Giulia De Martino) · Lorenzo Gioielli (Ettore Minotti) · Paolo Graziosi (Tonino) · Roberta Mattei (Annarella)
Länge
123 Minuten
Kinostart
08.06.2017
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Action | Drama | Sportfilm
Externe Links
IMDb | TMDB

Mitreißendes Familiendrama aus dem Rennfahrer-Milieu

Diskussion
„Schnell wie der Wind“, würde das Actiondrama von Matteo Rovere heißen, wenn man den italienischen Originaltitel wörtlich nähme. Der deutsche Verleih hat ihm den Untertitel „Giulias großes Rennen“ verpasst. Wobei man sich fragen kann, was damit eigentlich gemeint ist. Der Film handelt von der 17-jährigen Nachwuchsrennfahrerin Giulia, die nach dem Tod ihres Vaters unbedingt die GT-Meisterschaft gewinnen will, um dessen Schulden abzuzahlen. Andernfalls droht sie das Elternhaus zu verlieren, in dem sie mit ihrem kleinen Bruder Nico lebt. Entsprechend ist der Film mit spektakulär fotografierten Rennszenen nur so gespickt. Das eine, „große“ Rennen aber, das alle anderen in den Schatten stellt, gibt es für Giulia nicht. Ähnlich wie in der „Fast & Furious“-Reihe finden auch hier die Rennen oftmals abseits zugelassener Strecken statt. Mehrfach kommt es zu Verfolgungsjagden durch die engen Gassen und über die verwinkelten Plätze einer italienischen Kleinstadt in der Emilia-Romagna, die grandios choreografiert sind. Ein lebensgefährliches, illegales Autorennen spielt eine zentrale Rolle. Dieses „Italian Race“ ist es dann auch, das dem internationalen Verleihtitel seinen Namen gibt. Das passt insofern ganz gut, als der Film zwar visuell auf Augenhöhe von Hollywood inszeniert ist, allerdings mit einer spürbar italienischen Spielart. Diese italienisch-europäische Herangehensweise an das Genre spiegelt sich auch darin wider, dass die Handlung nicht nur einen Vorwand fürs Adrenalinkino liefert; die rasant geschnittenen Überholmanöver, die atemberaubenden Stunts und die animierten Röntgenblicke in den glühenden Motorraum liefern eher umgekehrt die pulsierende Kulisse für ein feinfühliges Familiendrama. Mehr noch als die Edelmarken und die massiv ins Bild gerückten Motoröle und Werkstätten stehen die Charaktere und ihre Beziehungen im Mittelpunkt. So gesehen liegt „Veloce come il vento“ näher an „Cars“ (fd 37 766) als an „Fast & Furious“ (fd 39 212). Letztlich aber greifen all diese Vergleiche zu kurz, weil Rovere seinen ganz eigenen Mix aus Familientragikomödie und Renn-Action kreiert. In Italien wurde der frei nach einer wahren Begebenheit erzählte Film gleich achtfach für die italienischen Filmpreise nominiert und fünf Mal ausgezeichnet. Unter anderem auch in der Kategorie „bester Schauspieler“. Newcomerin Matilda De Angelis fasziniert in ihrem Kinodebüt durch eine Aura, die zwischen jugendlicher Wut, kindlicher Verletzlichkeit und der Reife einer großen Schwester oszilliert. Auch Paolo Graziosi hinterlässt mit wenigen, kurzen Auftritten als Giulias großväterlicher Mentor und Mechaniker Tonino einen bleibenden Eindruck. Beide aber gingen bei den „David di Donatello“-Preisen leer aus. Den „David“ als bester Schauspieler gewann Stefano Accorsi für seine Rolle als Giulias älterer Bruder Loris, der sich anlässlich der Beerdigung des Vaters erstmals seit zehn Jahren wieder zuhause blicken lässt. Einst war Loris eine Rennfahrerlegende, ehe er bei einer Rallye einen verhängnisvollen Unfall verursachte. Jetzt schleppt er sich als abgehalftertes Drogenwrack mit Badeschlappen, kurzen Hosen und fettigen Haaren durch den Tag. Dieser Junkie mit schlechten Manieren, gutem Herzen und einem fatalen Hang zu falschen Entscheidungen ist der heimliche Held des Films. Accorsi verkörpert ihn hart an der Grenze zur Karikatur. Mit jeder noch so grotesken Geste, mit jedem noch so albernen Mienenspiel agiert er dennoch in sich stimmig, bleibt er als Figur glaubhaft. Als Loris sich mit seiner ebenfalls drogensüchtigen Freundin bei seiner Schwester einquartieren will, wirft die ihn hochkant wieder raus. Bald aber zeigt sich, dass die einzige Chance, Nico nicht an eine Pflegefamilie zu verlieren, in einer Vormundschaft durch Loris besteht. Nur widerwillig lässt sich Giulia darauf ein. Mehrfach läuft das aus dem Ruder, wodurch die Situation zu eskalieren droht. Doch so sehr sich die Geschwister oftmals auch im Weg stehen, helfen sie sich gegenseitig immer wieder weiter. Loris versucht Giulia das Rennfahren beizubringen. Sie trainiert ihn dafür im Leben. Dramaturgisch geht das wunderbar auf. „Veloce come il vento“ funktioniert bestens als leichthändiges, mitreißendes, lustiges, anrührendes Effekt- und Affektkino. Bloß moralisch gerät der Drahtseilakt zwischen Verantwortungsbewusstsein und Verantwortungslosigkeit, Leichtigkeit und Leichtfertigkeit mitunter aus der Balance. Halsbrecherische Verfolgungsjagden durch belebte Innenstädte jedenfalls sind höchstens auf der Leinwand spaßig. Wenn überhaupt.
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