Der Einstieg ins Leben eines Superhelden ist eine Kunst für sich. In Zack Snyders „Batman v Superman: Dawn of Justice“
(fd 43 831) beschränkten sich die ersten Auftritte von Wonder Woman auf die einer Schönheit in atemberaubender Garderobe – was einen gänzlich falschen Eindruck erweckte. Auch im ersten eigenen Wonder-Woman-Film stellen sich Drehbuchautoren und Regie zunächst eher ungeschickt an: In einer Rahmenhandlung begegnet man einer jungen Frau, die im Louvre in Paris einer hochspezialisierten Arbeit nachgeht. Sie öffnet dabei ein Päckchen, das eine historische Fotoplatte enthält, auf der man sie in abenteuerlicher Kostümierung zwischen vier Männern erkennt. Damit beginnt eine geradezu episch angelegte Rückblende, die bis zum Finale vom Louvre keine Kenntnis mehr nimmt und in eine hellenistische Vergangenheit zurückführt, in der ein kleines Mädchen den von ihm verehrten Amazonen nacheifert. Jahre später ist das Kind zur stattlichen Diana herangewachsen, der Tochter der Amazonenkönigin auf der Insel Themyscira. In ihr schlummern Fähigkeiten, die weit über die der wehrhaften Kriegerinnen hinausreichen.
Als sich der Schrecken des Ersten Weltkriegs über die Idylle der Amazonen senkt, entgehen Dianas geschultem Auge weder das über dem Meer abstürzende Jagdflugzeug noch das deutsche Kriegsschiff samt seiner wild um sich schießenden Besatzung, die den Piloten, aber auch die mit Pfeil und Bogen bewaffneten Amazonen niedermetzeln will. Unter großen Opfern besiegen Diana und der britischen Pilot Steve Trevor die Deutschen, wobei sie sich zaghaft kennenlernen – und prompt ins kriegsgeschüttelte England des 20. Jahrhunderts katapultiert werden.
Damit hat der Film endlich seinen eigentlichen Handlungsort gefunden. Erst hier versteht Diana den Sinn einer Geschichte, die ihr einst ihre Mutter erzählte. Darin sind die Amazonen ein Volk, das als Freund der Menschen geschaffen wurde und ihnen gegen den Kriegsgott Ares beistehen sollte. Mit Hilfe des als „Godkiller“ apostrophierten Schwerts soll Diana in den Wirren des Weltkriegs jene Person finden, die als Drahtzieher hinter allem Übel steckt und hinter deren Maske sich niemand anderer als Ares verbirgt. Zusammen mit dem Draufgänger Steve, dem treuen Orientalen Sameer, dem putzigen Schotten Charlie und dem Indianer The Chief will sie den deutschen General Ludendorff und seine Schergen stellen und richten.
Dass dies selbst mit Superheldenkraft nicht ganz einfach ist, zumal insbesondere Ares viele Gesichter besitzt, entfaltet sich nach der umständlich langen Exposition in vertrauter „Indiana Jones“-Dramaturgie. Bei allen Abenteuern helfen die polyglotten Sidekicks und ein wackerer englischer Strippenzieher namens Sir Patrick, vor allem aber die sich verfestigende Zuneigung zwischen Steve und Diana, die aus der Amazonen-Prinzessin endlich jene Wonder Woman macht, die den Göttern und allen anderen Bösewichtern ihre Diadem bewehrte Stirn bietet.
Dass Diana im snobistischen England über weite Strecken so tun muss, als wäre sie eine ganz normale Heldin unter Helden, gehört zu den vielen Rätseln, die es in dem erstaunlich klassisch anmutenden Fantasy-Abenteuerfilm hinzunehmen gilt. Die angenehm altmodische Liebesgeschichte macht den Film indes ausgesprochen unterhaltsam. Auf sicherem Genre-Terrain gilt es, eine Prüfung nach der anderen zu bestehen, eine Giftgas produzierende Wissenschaftlerin und den Feind in den eigenen Reihen zu überwinden, bis Wonder Woman ihre verborgenen Superkräfte aufbieten kann, um Frieden zu schaffen. Nun erst wird „Wonder Woman“ zu jenem spektakulären Superhelden-Film, den das DC-Extended Universe fordert, damit die Heroine in der Liga von Superman und Batman bestehen kann. Dass der Film diesen Potenz-Vergleich über weite Strecken gar nicht sucht, ist sein (vielleicht ungewolltes) Erfolgsgeheimnis; denn die Protagonistin wirkt mit ihren zutiefst menschlichen Emotionen, Bedürfnissen und einer fast schon pathetischen Sehnsucht nach Frieden und Harmonie eigentümlich geerdet. Angesichts der von Terrorängsten und einem unberechenbaren US-Präsidenten dominierten Zeitläuften besitzt die Friedensbotschaft der Prinzessin Diana fast schon etwas vom blumigen Widerstand der „Hair“-Generation gegen Vietnam und Richard Nixon.
Die sympathische, im Prinzip als Melodram erzählte Superhelden-Geschichte wird damit durchaus auch zum Politikum des Kinosommers 2017. Gespannt sein darf man auf den Film „Justice League“, in dem Regisseur Zack Snyder (der „Wonder Woman“ produziert hat) die Amazone an der Seite von Batman, Superman, Aquaman und The Flash vorrangig als reine Superheldin agieren lässt. Das Staunen über diese interessante Figur könnte dann schnell wieder der Ernüchterung angesichts eines typischen Sequel-Blockbuster-Einerleis weichen.